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- TitleDie affektive Modulation der Schreckreaktion bei Zahnbehandlungsphobie / vorgelegt von André Wannemüller
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- Published
- Institutional NoteWuppertal, Univ., Diss., 2012
- LanguageGerman
- Document typeDissertation (PhD)
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Deutsch
Gegenstand der vorliegenden Untersuchung war die furcht- bzw. affektmodulierte Schreckreaktion von Zahnbehandlungsphobikern und nicht phobischen Kontrollprobanden bei der Konfrontation mit zahnbehandlungsrelevanten Reizen. Eine spezielle Fragestellung bestand darin zu klären, ob es im Falle der Konfrontation mit zahnbehandlungsrelevanten Stimuli zu einer, nicht auf andere reflexmodulatorische Einflüsse zurückgehenden, funktionalen Hemmung der affektkongruenten Schreckreaktions-Potenzierung bei den Kontrollprobanden und zu einer verspätet einsetzenden Hemmreaktion der Furchtpotenzierung bei Zahnbehandlungsphobikern kommt. Dass eine solche Stillhaltereaktion existieren könnte, wurde durch die Ergebnisse einer Vorgängeruntersuchung (Sartory et al., 2009) nahegelegt. In einem bezüglich der Darbietungsmodalität geblockten Versuchsdesign wurden deshalb 104 diagnostizierten Zahnbehandlungsphobikern und 22 nicht phobischen Kontrollprobanden je 16 Bilder bzw. Geräusche pro Block für die Dauer von sechs Sekunden mit unterschiedlichen ISIs dargeboten. Einem Teil der Probanden (BG-Bedingung) wurden zuerst die Bilder und anschließend die Geräusche, dem andere Teil (GB-Bedingung) zunächst die Geräusche und danach die Bilder präsentiert. Jeweils acht Stimuli jeder Modalitätskategorie waren zahnbehandlungsrelevant (z. B. das Bild eines gezogenen Zahns oder ein Bohrergeräusch), die anderen acht waren neutral (z. B. das Bild eines Pilzes, Gesang heimischer Singvögel). Neutrale und zahnbehandlungsrelevante Stimuli wurden innerhalb der Blocks in teilrandomisierter Reihenfolge dargeboten. Auf jeweils vier Reize jeder Stimulusgruppe erfolgte vier Sekunden nach Hintergrundreiz-Onset ein akustischer Schreckreiz (110 dB weißes Rauschen). Im Experiment wurden die tonische und phasische HR-Aktivität auf die Stimuluspräsentationen sowie die elektrophysiologische Aktivität des Musculus orbicularis oculi als Indikatoren für die Schreckreaktion erfasst. Nach Abschluss der Testung wurden die Stimuli von den Probanden hinsichtlich ihrer Furchterzeugung und emotionalen Valenz bewertet. Es wurde erwartet, dass phobische Probanden mit einer Potenzierung der Schreckreaktion auf phobierelevante Stimuli beider Modalitäten reagieren würden, die von der typischen flightfight vorbereitenden HR-Akzeleration begleitet wird. Gemäß dem Postulat einer verspätet einsetzenden Hemmreaktion sollte die Potenzierung der SR im Versuchsverlauf nicht mehr auftreten, was sich entweder in deren Fehlen bzw. sogar in einer signifikant schwächeren Reaktion auf phobiererelevante gegenüber neutralen Stimuli im zweiten Präsentationsblock oder innerhalb eines Blocks bei wiederholter Reizpräsentation, auf zeitlich spätere Furchtreize zeigen sollte. Kontrollprobanden hingegen sollten, entgegen der Befundlage zur affektmodulierten Schreckreaktion, wonach es auf unangenehme Stimuli zu einer Bahnung motivkongruenter Defensivreflexe kommt, von Anbeginn der Untersuchung überhaupt keine Reaktionspotenzierung auf die zahnbehandlungsrelevanten Stimuli zeigen, da bei ihnen die funktionale Hemmreaktion schneller einsetzen sollte. Konsistent zu dynamisch strukturierten psychophysiologischen Furchtmodellen (z. B. Lang, 1997a) sollte bei den Kontrollprobanden die Exposition sowohl der zahnbehandlungsbezogenen als auch der neutralen Reize von der für orientierende Aufmerksamkeitsreaktionen typischen HR-Dezeleration begleitet werden. Fußend auf Befunden aus Aufmerksamkeitsuntersuchungen wurde ferner erwartet, dass die mittleren Schreckreaktionen bei einer intramodalen Präsentation von Hintergrund- und Schreckreiz, also im Falle von akustischen Hintergrundreizen bei Phobikern und Kontrollprobanden gleichermaßen, denen der crossmodalen Stimulation (Bilder als Hintergrundreize) überlegen sind. Im Gegensatz dazu wurde auf der Grundlage von Studienbefunden zur Interaktion von Furcht- und Aufmerksamkeitseffekten postuliert, dass sich die Furchtpotenzierung bei den Phobikern crossmodal stärker zeige, evtl. aufgrund von intramodalen aufmerksamkeitsbedingten Sättigungseffekten. Die Ergebnisse zeigten hypothesenkonform, dass Phobiker bei der Konfrontation mit phobierelevanten Stimuli beider Modalitäten mit der furchttypischen Akzeleration der HR reagieren. Außerdem zeigte sich in dieser Gruppe ein signifikanter Furchtpotenzierungseffekt der Schreckreaktion. Dieser ging jedoch ausschließlich auf die Bildkategorie zurück und trat dort unabhängig von Reihenfolge- oder Blockeffekten für die Gesamtdauer des Experimentes auf. Während die SR-Amplitudenhöhen bei wiederholter Bildpräsentation habituierten, galt dies für den Potenzierungseffekt der SR in dieser Modalitätskategorie nicht. In der Geräuschkategorie hingegen bestand zu keinem Zeitpunkt eine Furchtpotenzierung der Schreckreaktion, obwohl die Phobiker Zahnbehandlungsgeräusche als hoch furchtsam bewerteten und darauf mit akzelerativen Prozessen der HR reagierten. Entgegen den Erwartungen waren die mittleren Reaktionsamplituden der akustischen Schreckreaktion auf Bilder (crossmodal) denen auf Geräusche (intramodal) signifikant überlegen. Insbesondere auf das erste von einem Schreckreiz gefolgte Geräusch war die Reaktion, unabhängig von dessen Phobierelevanz schwach. Die Reaktionspotenzierung sowie die Amplitudenhöhe der SR auf phobierelevante Reize bei den Phobikern waren eng korreliert mit der phasischen HRReaktion, subjektiven Furchtratings und dem Ausmaß der Zahnbehandlungsangst. Keines dieser Maße stand jedoch mit der tonischen HR vor Versuchsbeginn als physiologischem Indikator antizipatorischer Angst in einer signifikanten Beziehung. In der Kontrollgruppe zeigte sich in keiner der beiden Modalitäten ein Potenzierungseffekt der Schreckreaktion. Sie reagierte mit einer Orientierungreaktions-typischen HR-Dezeleration auf neutrale und Zahnbehandlungsreize gleichermaßen. Die Bewertungen des verwendeten Stimulusmaterials in dieser Gruppe zeigten nicht eindeutig, dass Kontrollprobanden zahnbehandlungsbezogene Reize überhaupt als unangenehm bewerteten. Die innerhalb der Bildkategorie ermittelten Ergebnisse in der Phobikergruppe lassen sich gut in die Befundlage zur Furchtpotenzierung der Schreckreaktion einordnen, wonach es, unabhängig von anderen reflexmodulatorischen Einflüssen oder habituativen Prozessen, zu einer Potenzierung der Schreckreaktion bei Aktivierung des spezifischen Furchtnetzwerkes kommt. Die Befunde innerhalb der Geräuschkategorie geben jedoch der Annahme einer funktionalen hochspezifischen Hemmreaktion weitere Nahrung, die sich im Moment der stärksten Verletzungsgefahr während einer zahnärztlichen Behandlung zeigen könnte, nämlich dann, wenn die Zahnbehandlungsinstrumente im Mund arbeiten.
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