Bibliographic Metadata
- TitleNr. 11, Heft mit Fadenheftung und Umschlag aus blauem Papier, mit eigenhändigem Titel Zweites Kapitel. Vom Bewusstsein, Fortsetzung von Heft 16, auf dem Umschlag vermutlich eigenhändige Nummerierung IV., darunter Bleistiftnotiz von anderer Hd. Fock 6, Abfassungszeitraum ca. 1876–1878/79, Umfang: 36 S., davon beschrieben: 26, Textbeginn auf Bl. 1r, hs. (dt. Schrift), schwarze Tinte, Maße: 20,7 x 16,8 cm, Universitätsbibliothek der Tohoku Universität Sendai (Japan): II, A 2–2 WW 1, 11
- ParticipantsBaruch de Spinoza ; Carl Göring ; Christan Biehl ; David Hume ; Eduard von Hartmann ; Friedrich Albert Lange ; Georg Wilhelm Friedrich Hegel ; Gottfried Wilhelm Leibniz ; Gustav Theodor Fechner ; Herbert Spencer ; Hermann Lotze ; Hermann Ulrici ; Immanuel Kant ; Johann Friedrich Herbart ; Karl Fortlage ; René Descartes ; Wilhelm Eduard Weber
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- Physical LocationUniversitätsbibliothek der Tohoku Universität Sendai (Japan)
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Nr. 11[1], Heft mit Fadenheftung und Umschlag aus blauem Papier, mit eigenhändigem Titel Zweites Kapitel. Vom Bewusstsein, Fortsetzung von Heft 16, auf dem Umschlag vermutlich eigenhändige Nummerierung IV., darunter Bleistiftnotiz von anderer Hd. Fock 6, Abfassungszeitraum ca. 1876–1878/79, Umfang: 36 S., davon beschrieben: 26, Textbeginn auf Bl. 1r, hs. (dt. Schrift), schwarze Tinte, Maße: 20,7 x 16,8 cm, Universitätsbibliothek der Tohoku Universität Sendai (Japan): II, A 2–2 WW 1, 11
Vom Bewußtsein.[c]
Die entscheidende Bedeutung, welche das Bewußtsein für die Begriffsbestimmung des Psychischen hat, macht im Fortgange der methodologischen Betrachtung eine eingehende Untersuchung über das Wesen des Bewußtseins um so mehr nothwendig, als jene Definition sich ausdrücklich in formaler Richtung auf die Erkennbarkeit der psychischen Phänomene bezieht. Besteht das Wesen aller psychischen Thatsachen in ihrer Fähigkeit directer Bewußtwerdung, so kann die Methode ihrer Erkenntniß nur aus der Einsicht in den ursprünglichen Proceß des Bewußtseins[d] entwickelt werden. Zwar beruhen selbstverständlich alle Wissenschaften ausnahmslos auf Vorgängen des Bewußtseins u[nd] allein dieses Verhältniß ist für alle übrigen das gleiche, und sie unterscheiden sich nur durch die verschiedenen Sphären des Bewußtseinsinhalts, welche[e] ihnen die[f] Gegenstände geben und deren Behandlungsweise vorschreiben. Eben darin besteht die Eigenthümlichkeit der Psychologie, daß sie vermöge ihres Forschungsobjects zu allererst genöthigt ist, zu dem Probleme des Bewußtseins selbst[g] Stellung zu nehmen, und sich jenen Proceß der directen Bewußtwerdung klar zu machen, der das allgemeine Merkmal ihrer Erkenntnißgegenstände ausmacht.
Nun ist diese Untersuchung selbst natürlich eine psychologische; ja sie ist fast die wichtigste und bedeutsamste der gesammten Psychologie, eben weil das Bewußtsein die Cardinalthatsache des ganzen seelischen Lebens ist, von der aus allein alle anderen Fragen entspringen und gelöst werden können: und so zeigt sich ein eigenthümliches Verhältniß, welches auf den ersten Blick Verwunderung erregen könnte. Man kommt zur Begründung der Methode der Psychologie nicht ohne die Untersuchung des Bewußtseins, und man kann diese nicht führen, ohne jene Methode schon anzuwenden. Indem man die Methode sucht, muß man sie bereits gebrauchen. An diesem Thatbestande, der übrigens allen Wissenschaften gemeinsam ist, könnte jedoch nur eine sehr äußerliche Auffassung von dem Wesen einer wissenschaftlichen Methode Anstoß nehmen. Nur wer eine Methode wie ein ganz allgemeines Handwerkszeug ansieht, welches ohne Rücksicht auf[h] seine besondere Verwendung vorher gezimmert werden kann, nur der könnte auch verlangen, daß man für eine Wissenschaft eine Methode ausarbeitete, ohne[i] in ihr sachliches Material eingedrungen zu sein. Schon für die Technik des gewöhnlichen Lebens |[j] ist es bekannt, daß brauchbare Instrumente nur von[k] eingehender Sachkenntniß gefertigt werden können: und auf dem Gebiete der Wissenschaften vollends stehen sich Form und Inhalt nie so äußerlich gegenüber, daß man die methodische Form einer Wissenschaft ohne die Kenntniß ihres Inhalts vorher construiren könnte. Die Geschichte zeigt deshalb auch, daß niemals eine Wissenschaft aus einer vorher entworfenen Methode entsprungen ist: jede beginnt vielmehr mit einer Reihe von naturalistischen Versuchen, und erst nachdem diese in wichtigen Punkten zu festen[l] Erfolgen geführt haben, kann auf Grund dieser schon gewonnenen sachlichen Erkenntniß die Methode für deren Erweiterung entworfen werden. Der Psychologie wäre es zu wünschen, daß sie diesen Durchgangspunkt, den andere Wissenschaften längst hinter sich haben, bald erreichte. Auch die Begründung der Methode aber kann deshalb für jede Wissenschaft nur durch sachliche Erkenntniß geschehen, welche selbst schon in dieser Methode ausgeführt wird: denn der Grund, weßhalb[m] in einer bestimmten Wissenschaft eine bestimmte Methode angewendet wird, ist nirgend anders zu suchen als in der Eigenthümlichkeit der von ihr zu begreifenden Gegenstände.
Scheint aber auf diese Weise die methodische Untersuchung eine petitio principii[n] zu enthalten, so ist das ein allgemeines Geschick alles menschlichen Wissens. Es war eine irre leitende Täuschung, wenn eine Zeit lang die Philosophie dem Gedanken nachgegangen ist, es lasse sich ein höchstes, voraussetzungsloses und an sich gewisses „Princip“ finden, welches den gesammten Inhalt des menschlichen Wissens tragen sollte. Jeder Versuch es aufzustellen, ist gescheitert an der durch und durch voraussetzungsvollen Natur des menschlichen Denkens. Alle Erkenntniß besteht zuletzt in einem System von Gedanken, welche, von den verschiedensten Ansatzpunkten aus erwachsen, mit ihrer Ueberzeugungskraft sich gegenseitig stützen und tragen, und die letzte Gewißheit kann für jeden einzelnen nur in der widersprüchlichen Uebereinstimmung gefunden werden, mit der er sich dem Zusammenhange des Ganzen einfügt. Und so müssen in den grundlegenden Forschungen jeder Wissenschaft schon eben die Principien angewendet werden, welche darin ihre Rechtfertigung finden sollen. Die Welt[o] der Wissenschaften hat wie das Universum keinen ruhenden und selbstgewissen Mittelpunkt: sondern sie[p] ist ein System, welches sich selbst trägt in ewigem Gleichgewicht lebendiger Kräfte.
6.[q]
Vielleicht bei keinem derjenigen Worte, welche die Psychologie aus der gemeinen Redeweise aufnimmt, ist ihr größere terminologische Vorsicht geboten, als bei dem des „Bewußtseins“[r]. Es ist längst von den Psychologen anerkannt, daß es völlig unmöglich ist, aus den vieldeutigen Anwendungen des Sprachgebrauchs zu einem zweifellos klaren Begriff des Bewußtseins zu gelangen. Theilweise versteht man darunter im Sinne der alten Vermögenstheorie eine besondere Kraft der Seele, gelegentlich auch wol diese Seele selbst: aber auch wo man von dem Worte den wissenschaftlichen Gebrauch macht, es als allgemeine, begriffliche Bezeichnung für gewisse Zustände und Functionen anzuwenden, geht der Sinn dieses Gebrauches bei den verschiedenen Forschern weit aus einander.[s] Besonders nach zwei Richtungen ist der einfache Thatsachenbestand durch die sprachlichen Mißbräuche des Wortes verdunkelt worden. Einerseits bezieht man das Wort vielfach auf |[t] den ungetrübten Zustand der sinnlichen Aufmerksamkeit und kommt so in die paradoxe Lage, manche der höchsten Thätigkeiten des Bewußtseins, z. B. das intensive Nachdenken, aus der Sphäre des Bewußtseins auszuschließen. Besonders aber hat andererseits[u], wie[v] der Gebrauch fast aller Sprachen beweist, der Umstand, daß in den bewußten Zuständen der entwickelten menschlichen Individuen meistens eine Beziehung der Denkthätigkeit auf das sich selbst vorstellende Subject vorliegt, dazu verleitet, Bewußtsein mit Sichbewußtsein oder Selbstbewußtsein zu verwechseln und auf diese Weise die Anwendung des Wortes „Bewußtsein“ auf den engeren Kreis der Functionen des Selbstbewußtseins zu beschränken. Und doch spricht man im Widerspruche damit hier von einem Traumbewußtsein, dort[w] von dem[x] Bewußtsein eines Kindes, eines minderen Thieres. Selbst vor[y] dem sinnlosen Oxymoron des „unbewußten Bewußtseins“ ist man nicht zurückgeschreckt, weil man beim adjectivischen Gebrauch des Wortes einen anderen Begriff im Sinne haben konnte als beim substantivischen.
Einem so unsicheren Wortgebrauche gegenüber muß man zunächst, solange es eben kein allgemein anerkanntes Schema der psychologischen Terminologie giebt, jedem Forscher das Recht einräumen, den Sinn dieses Terminus für seinen Gebrauch zu bestimmen, vorausgesetzt, daß er ganz zweifellos und mit Verhütung von Mißverständnissen den Character desjenigen Phänomens klar machen kann, welches er mit diesem Worte bezeichnen will, und daß diese Bedeutung von den gebräuchlichsten Anwendungen des Wortes nicht allzuweit entfernt liegt. Sofern jedoch durch eine solche Ansicht vom Wesen des Bewußtseins bereits eine für die weiteren Auffassungen der Psychologie maßgebende Theorie bestimmt wird – und das muß bei der fundamentalen Wichtigkeit der Sache nothwendig eintreten –, handelt es sich bei dieser Begriffsbestimmung nicht mehr um eine terminologische Fixirung, sondern bereits um eine der wichtigsten sachlichen Feststellungen.
Die bedeutenderen Definitionen des Bewußtseins lassen sich im Wesentlichen auf drei Grundversuche zurückführen. Gemeinsam ist allen selbstverständlich die Beziehung auf die Vorstellungsthätigkeit: daß das Bewußtsein aus Vorstellungen besteht, nur durch den eigenthümlichen, nicht weiter zu definirenden Act, welchen wir Vorstellung nennen, zu Stande kommen kann, daß überall wo Bewußtsein ist, auch Vorstellungen sind, – das zu leugnen, hieße die Bedeutung, welche beide Worte nun einmal[z] haben, durchaus auf den Kopf stellen. Nur darüber sind die Psychologen uneinig, in welcher Weise das Bewußtsein innerhalb der Vorstellungsthätigkeit sich geltend macht. Soll also das Bewußtsein eine gewisse Art und Weise des Vorstellens sein, so ist seine Eigenthümlichkeit entweder in der Vorstellungsthätigkeit oder im Vorstellungsinhalt zu suchen. Unterschiede in der Vorstellungsthätigkeit kann man entweder im quantitativen resp. graduellen oder im qualitativen Sinne annehmen. Thut man das erste, so wird man meinen das Bewußtsein als einen gewissen Stärkegrad des Vorstellungsactes ansehen zu dürfen. Thut man das zweite, so wird man das Wesen des Bewußtseins in einer bestimmten Art der |[aa] Vorstellungsthätigkeit suchen. Setzt man endlich das Bewußtsein in Beziehung zu dem Inhalte der Vorstellungen, so wird man es durch gewisse Nebenvorstellungen characterisiren, welche mit jedem im Bewußtsein auftretenden Vorstellungsinhalte nothwendig verknüpft seien.
Die erste dieser Ansichten stützt sich auf eine weit verbreitete und durch eine Fülle sprachlicher Bezeichnungen scheinbar bestätigte Meinung. Wir sprechen von größerer oder geringerer Kraft der Vorstellungen, von der Abschwächung der Vorstellungsintensität in der Erinnerung[ab] von größerer oder geringerer Stärke der Gründe u. s. f., und wir legen allen diesen Ausdrücken die Auffassung zu Grunde, es könne derselbe Inhalt mit verschiedener Intensität vorgestellt werden, sodaß es verschiedene psychische Handlungen gäbe, welche genau denselben Inhalt besäßen und sich nur durch die größere oder geringere Intensität unterschieden, mit welcher derselbe vorgestellt würde. Wir sprechen in gleichem Sinne von einer verschiedenen Intensität des Bewußtseins, überzeugt, daß derselbe Vorstellungsinhalt mit verschiedener Stärke innerhalb des Bewußtseins aufzutreten vermöge. Denkt man sich dann diese verschiedenen Zustände mit gleichem Vorstellungsinhalt nach dem Grade ihrer Intensität angeordnet, etwa in der Art einer Reihe , , , , u[nd] ……, so hat man darauf die Erklärung gegründet, durch eine bestimmte Intensität der Vorstellungsthätigkeit[ac], also etwa werde der Inhalt (a)[ad] in den niedrigsten Grad des Bewußtseins erhoben, und von da an steige die Intensität des Bewußtseins gleichmäßig mit derjenigen der Vorstellungsthätigkeit, sodaß das Bewußtsein als eine Function der Vorstellungsstärke[ae] aufzufassen wäre: die Vorstellungsintensität, welche den Anfangspunkt des Bewußtseins bildet, heißt dann die Bewußtseinsschwelle. Die thatsächliche Bestätigung dieser Ansicht kann natürlich, da die unterhalb der Bewußtseinsschwelle auftretenden Intensitäten der Vorstellungsthätigkeit auf keinen Fall der Erfahrung[af] zugänglich sein können, nur in dem Nachweise gesucht werden, daß[ag] oberhalb dieser Schwelle der gleiche Inhalt des Bewußtseins mit verschiedener Intensität vorgestellt werden kann. Wäre das erwiesen, so bestände wenigstens die Möglichkeit, diese Reihe der Intensität hypothetisch auch noch unterhalb der Bewußtseinsschwelle zu verfolgen. Die Grundlage dieser Definition bildet also jene Annahme von der verschiedenen Intensität von bewußten[ah] Vorstellungen gleichen Inhalts: und diese ist denn auch in der That so verbreitet und gilt als so selbstverständlich, daß z. B. Herbart[ai], der hauptsächliche Vertreter jener Definition, nie daran gedacht hat, diese Grundlage derselben[aj] zu prüfen und ihre Berechtigung zu erweisen[ak].
Und doch lehrt eine genauere Besinnung sehr bald, daß sich die Sache nicht so verhält, und namentlich Lotze[al] hat jenes verbreitete Vorurtheil in der glücklichsten Weise widerlegt[am], indem er zeigt, daß diese Intensitätsverschiedenheiten nicht der Vorstellungsthätigkeit als solcher, sondern vielmehr dem Vorstellungsinhalt angehören.[an] Was man als Intensität der Vorstellung bezeichnet, besteht entweder in der Lebhaftigkeit des sinnlichen Eindrucks, oder in der Klarheit und Deutlichkeit[ao] |[ap] der zusammengesetzten Vorstellung. In ersterer Beziehung könnte von einer Verschiedenheit der Bewußtseinsintensität nur die Rede sein, wenn sich nachweisen ließe, daß man einen Sinneseindruck, der sich bekanntlich[aq] durch Qualität und Stärke characterisirt, nur noch wieder mit verschiedener Stärke vorstellen kann. Offenbar ist das nicht der Fall, sondern stellt man die gleiche Qualität mit einer größeren oder geringeren Intensität vor, als zuvor, so hat man eben nicht mehr denselben Eindruck wie zuvor, sondern einen andern. Der einzige Einwand, der hiergegen erhoben werden könnte, bestünde darin zu behaupten, es sei eine unkritischer Weise von der Wissenschaft aufgenommene Ansicht, wenn man die Intensität mit zum Inhalt der Empfindung rechne, dieser sei vielmehr nur in der Qualität zu suchen, und die Intensität sei eben nichts anderes als die zum Inhalt hinzutretende Vorstellungsform. Allein abgesehen von allen anderen Gegengründen, welche in der Lehre von der Empfindung ihre besondere Besprechung finden werden, würde dieser Einwand an der allgemeinen Thatsache scheitern, daß die Intensität der Empfindung nicht nur[ar] von dem Vorstellungszustande des Empfindenden, sondern immer von der Stärke des objectiven, der Empfindung den Inhalt gebenden Reizes abhängt. Denn jene Veränderung, welche der Empfindungsintensität nach dem Weber-Fechner’schen[as] Gesetze scheinbar durch den vorhergehenden Empfindungszustande aufgedrängt wird, besteht, wie sich an seiner Stelle zeigen wird,[at] lediglich für unsre Schätzung der Intensitätsunterschiede, nicht für die einfachen Intensitäten als solche. Wollte man aber diese Abhängigkeit der Empfindung von dem vorhergehenden Empfindungszustande allgemein der Vorstellungsform zuschreiben, so fielen darunter in erster Linie die Alterationen der Qualität, wie sie in den Contrasterscheinungen der Farben u. s. w. hervortreten, und dann bliebe als reiner Empfindungsinhalt eben – Nichts übrig.[au]
Wenn man andererseits die Klarheit und Deutlichkeit[av] der Vorstellungen auf die Intensität der Bewußtseinsthätigkeit zurückführt, so befindet man sich in einer parallelen Täuschung. Die dunkle und die klare Vorstellung desselben „Gegenstandes“ unterscheiden sich nur durch die verschiedene, dort geringe, hier verhältnißmäßig große Anzahl von Nebengedanken, welche um einen gemeinsamen Kern des Vorstellungsinhalts gruppirt sind: der Unterschied liegt also auch hier nicht in der Bewußtseinsthätigkeit selbst, sondern nur in deren Inhalt, und er ist nicht intensiv, sondern extensiv; die klarere und deutlichere[aw] Vorstellung hat nur eine größere Anzahl von Inhaltselementen. Der beste Beweis dafür ist der, daß bei absolut einfachen Vorstellungen, wie derjenigen eines bestimmten Tons, einer bestimmten Farbe u. s. f. von verschiedener Klarheit und Deutlichkeit nicht die Rede sein kann.
Diese Ausführungen Lotze[ax]’s sind so einleuchtend und durchschlagend, daß es eben nur ihrer Reproduction bedurfte. Nur eine Bemerkung möchte hinzuzufügen sein, welche zur Erklärung des allgemeinen Vorurtheils von der Möglichkeit verschiedener Vorstellungsintensität bei gleichem Inhalt geeignet ist. Wo nämlich verschiedene Intensität sei es in der sinnlichen Lebendigkeit sei es in der Klarheit und Deutlichkeit vorhanden ist, da ist[ay] auch nur ein scheinbar gleicher Inhalt. In Wahrheit liegt eben die Verschiedenheit im Inhalt der Vorstellungen: gleich ist nur die Wortbezeichung, welche wir für diesen verschiedenen Inhalt gebrauchen, und[az] dadurch begreift sich die Täuschung, daß man meint, in beiden Fällen dasselbe, aber mit verschiedener Intensität vorzustellen. Die Sprache hält sich bei der Bestimmung der sinnlichen Empfindungen an die Qualität, und so sagen wir, daß wir dieselbe Qualität bald schwächer bald stärker vorstellen; sie hält sich bei der Bezeichung zusammengesetzter |[ba] Vorstellungen eben an jenen Kern der Gruppe, und so sagen wir, daß wir diesen Kern[bb] mit verschiedener Klarheit und Deutlichkeit vorstellen, je nachdem derselbe mit einer[bc] größeren oder geringeren Menge von Nebenvorstellungen verbunden ist. Wenn man sagt, daß zwei Menschen einen und denselben Gegenstand der eine klarer und deutlicher, der andere nur unklar und undeutlich vorstellen, so ist das, was sie in Wahrheit vorstellen, bei dem einen eben etwas anderes, als bei dem andern: aber in dem Vorstellungsinhalt beider bleibt jener gemeinsame Kern, der nun für beide als der „gleiche Gegenstand“ bezeichnet wird. Oder aber wir bezeichnen die vorausgesetzte Realität, welche für beide Vorstellenden gleichmäßig die Veranlassung zur Vorstellung bildet, als jenen ihren gemeinsamen Gegenstand. Jedenfalls ist der wirkliche Vorstellungsinhalt des einen von demjenigen des anderen verschieden.
Namentlich gilt dies auch für die häufig als Beleg der betrachteten Ansicht eingeführte Behauptung, die erinnerten Vorstellungen besäßen den ursprünglichen gegenüber eine geringere Stärke, sie seien gewissermaßen „verblaßt“. Wenn dies einerseits für die Intensität des sinnlichen Eindrucks gelten soll, so wird ein Jeder zugeben, daß, sobald Jemand sich eines Tones als eines schwächeren, einer Farbe als einer weniger intensiven im Vergleich mit den Originalen erinnert, er eben eine unrichtige[bd] Erinnerung hat; und unrichtig nennen wir gerade diejenige Erinnerung, welche einen anderen Inhalt besitzt als das Original, von dem sie die Erinnerung sein soll. So tritt es hierbei gerade am besten hervor, daß die Lebhaftigkeit des sinnlichen Eindrucks zum Inhalt desselben gehört. Was aber andrerseits das Verblassen in der Erinnerung zusammengesetzter Vorstellungen anbetrifft, so besteht dasselbe nachweisbar in nichts Anderem, als in dem Vergessen einzelner Theile der zusammengesetzten Vorstellung, d. h. also wiederum in einer Veränderung des inhaltlichen Reichthums der Vorstellungen. Was man als Abnahme der Intensität der Vorstellung bezeichnen möchte, ist eine Verarmung ihres Inhalts.
Diese Betrachtung zeigt, daß der in neuerer Zeit von Herbert Spencer[be] wiederholte Versuch David Hume’s[bf][2], die erinnerten „Ideen“ als die der Intensität nach „abgeschwächten“ Abbilder der „Impressionen“ aufzufassen, und den Unterschied des Elementaren und des Abgeleiteten in den psychischen Bewegungen zu einem solchen der Intensität zu stempeln, nicht aufrecht erhalten werden kann: und zwar um so weniger, als bei dieser Annahme, wenn das Resultat des Vorstellungsmechanismus von der Stärke abhängen soll, niemals ein Ueberwiegen der erinnerten Vorstellungen über diejenigen der augenblicklichen Sinneserregungen erklärt werden könnte.[bg]
Hieraus geht nun hervor, daß eine verschiedene Intensität der Vorstellungsthätigkeit bei gleichem Inhalt nicht stattfindet, „Was wir als Stärke der Vorstellungen kennen gelernt haben“, sagt Lotze[bh], „besteht nicht in einer gradweis bestimmbaren Intensität des Wissens um sie, sondern in einer extensiv meßbaren Vollständigkeit ihres nothwendigen Inhalts.“[bi][3] Es giebt schwachen und starken, es giebt armen und reichen Inhalt des Bewußtseins, aber es giebt kein schwächeres oder stärkeres Bewußtsein. Wenn man für die Abschwächung der Bewußtseinsintensität als Beispiel gern das allmälige Verdämmern der Vorstellungsthätigkeit beim Einschlafen anführt, so besteht gerade dies nur[bj] darin, daß der Inhalt des Bewußtseins immer beschränkter[bk] und immer ärmer wird, bis er endlich vollständig verschwindet. An einem und demselben, unveränderten Vorstellungsinhalt aber giebt es keinen Gradunterschied seines Bewußtseins: ein bestimmter Inhalt wird entweder vorgestellt oder nicht vorgestellt – tertium non datur[bl][4], und allmälige Uebergänge zwischen Bewußtsein und Nichtbewußtsein giebt es für denselben Inhalt nicht. Wo es so scheint, da liegt eine Veränderung des Inhaltes vor.
Wenn deshalb die Erklärung des psychischen Lebens die Annahme von Intensitätsverschiedenheiten unerläßlich macht – und sie macht dieselben, wie sich zeigen wird, in der That unerläßlich –, so ist schon hier vorauszusehen, daß diese Verschiedenheiten niemals in der Bewußtseinsthätigkeit, sondern nur in dem Bewußtseinsinhalte gesucht werden dürfen: und wenn die psychischen Thatsachen einen Kampf der[bm] Intensität nach[bn] verschiedener Kräfte zeigen, so läßt sich schon hiernach vermuthen, daß in diesem Kampfe das Bewußtsein nicht eine direct mitwirkende Kraft sein kann. Es ist aber auch nicht nur ein uninteressirter Zuschauer dieses Streites, sondern es ist vielmehr, wie später erhellen wird, nicht mehr und nicht weniger als – der Kampfpreis.
Mit dieser Einsicht fällt nun aber auch diejenige Definition des Bewußtseins, welche in demselben eine Function der Vorstellungsstärke sehen will, in sich zusammen: die Voraussetzung derselben, daß der gleiche Inhalt mit verschiedener Intensität vorgestellt werden könne, ist unrichtig. Deshalb ist es auch nicht mehr nöthig zu untersuchen, welche Vorstellungsintensität die Bewußtseinsschwelle ausmacht, ob die Reihe der[bo] Vorstellungen[bp] und diejenige der Bewußtseinsintensität dem gleichen oder einen verschiedenen |[bq] Nullpunkt habe. Wäre die Reihe oberhalb der Bewußtseinsschwelle constatirt, so müßte man allerdings fragen, ob und wie dieselbe unterhalb derselben sich fortsetze, d. h. mit andern Worten, ob es unbewußte Vorstellungen gäbe. Da aber jene Intensitätsreihe des bewußten Vorstellens nicht existirt, so ist zur Behandlung dieser Frage hier noch keine Veranlassung[br]. Auch die andre Frage nach der Ursache einer solchen Veränderung[bs] der Vorstellungsintensität, ob sie mit Beneke[bt] in der Cumulation des psychischen Seins oder mit Herbart[bu] in den statischen Verhältnissen der Vorstellungskräfte zu suchen ist, wird dadurch zunächst gegenstandslos.
ab.
a verl[angt] b , b verl[angt] a .
Aus a wird a =
a = 26
Aus b wird b = . z. B. a = 2, b = 1, bleibt a = , b = i. e. a = 5 × 6
Alb[ert] Lange[bv], die Grundlegung der math[ematischen] Psych[ologie] Duisburg 1865.
Wichtig aber ist eine kritische und methodologische Folgerung, welche sich aus dieser Betrachtung ergiebt. Auf der Annahme verschiedener Intensität gleichen Vorstellungsinhalts, welche sich als irrig erwiesen hat, beruht im Wesentlichen der Versuch Herbart’s[bw], den psychologischen Proceß der mathematischen Rechnung[bx] zu unterwerfen. Vorstellungen mit verschiedener Intensität sind die Elemente, mit denen dabei gerechnet wird, und der Verlust oder Zuwachs an Intensität, welchen die Vorstellungen durch ihr Verhältniß zu einander erfahren, sollen die Ergebnisse dieser Rechnung sein[by]. Ist aber ein solches Wechseln der Vorstellungsintensität an dem gleichen Inhalt nur scheinbar, und in Wirklichkeit nicht vorhanden, so erweist sich die ganze Rechnung als illusorisch, und darin dürfte[bz] wohl der tiefste Grund dafür liegen, daß dieser geniale Versuch trotz der Aufwendung eines immensen Scharfsinns bei dem Meister wie bei den Jüngern zuletzt doch zur Unfruchtbarkeit und zur Verkümmerung verurtheilt geblieben ist.[ca]
7.[cb]
Die wesentliche unter denjenigen Auffassungen, welche das Bewußtsein durch eine qualitativ bestimmte Art der Vorstellungsfunction zu erklären suchen, steht in einem gewissen Zusammenhange mit der soeben besprochenen. Als eine der wertvollsten Leistungen der vermeintlich zu steigernden Intensität des Bewußtseins pflegt man die Verdeutlichung des Vorstellungsinhalts zu betrachten, und die Deutlichkeit einer Vorstellung, welche bekanntlich in der Erkenntnistheorie seit Descartes[cc] eine bedeutende Rolle gespielt hat, bestimmte man, besonders seit Leibniz[cd], als die Eigenschaft, sicher wiedererkannt und von allen andern genau unterschieden zu werden. Da nun alles bewußte Wiedererkennen in der That auf dem Unterscheiden beruht, so ist es begreiflich, daß man geneigt gewesen ist, das Wesen des Bewußtseins mit dieser unterscheidenden Thätigkeit[ce] in nahe Beziehung zu setzen. Es kommt hinzu, daß das Unterscheiden zu den fundamentalsten Functionen des bewußten Lebens wirklich gehört und daß alle höheren Processe desselben diese unterscheidende Thätigkeit voraussetzen. So ist es nicht zu verwundern, daß Fortlage[cf] in seiner Analyse der Bewußtseinsthätigkeit, durch das Bild der Helligkeit des Bewußtseins gelockt, dem Gedanken nachgeht, Bewußtsein sei die unterscheidende Thätigkeit, wobei er dann freilich sich sogleich überzeugt, daß das bewußte Unterscheiden noch besondere Eigenthümlichkeiten an sich trägt, und auf diese Weise zu weiteren Untersuchungen sich genöthigt sieht, welche später berücksichtigt sein wollen.[cg] |[ch]
In der That ist jenes Bild der Helligkeit[ci], welches man so gern auf den Zustand des Bewußtseins anwendet, in dieser Beziehung überaus lehrreich. Fortlage[cj] wirft die Frage auf, worin bei dem Gebrauche dieses Ausdrucks das tertium comparationis[5][ck] zwischen dem Bewußtsein und der Helligkeit bestehe, und beantwortet sie[cl] dahin, daß ebenso, wie man nur in der Helligkeit die verschiedenen Dinge von einander unterscheiden könne[cm], so auch im psychischen Leben nur der bewußte Zustand eine Unterscheidung möglich macht. Diese Antwort ist so richtig, daß sich die Parallele sogleich weiterführen läßt: sowenig nämlich wie die Helligkeit als solche schon ein unterscheidendes Sehen der Dinge ist, so wenig ist auch auf dem rein psychischen Gebiete das Bewußtsein selbst schon und als solches eine unterscheidende Thätigkeit; sondern in beiden Fällen ist hier das Bewußtsein, dort die Helligkeit nur die conditio[cn] sine qua non[co][6] des Unterscheidens. Die Helligkeit ist für das Gebiet der Gesichtsempfindungen die äußere, das Bewußtsein ist für den gesammten Vorstellungsinhalt die allgemeine innere Bedingung des Unterscheidens.
Ueberall deshalb, wo Unterscheiden stattfindet, muß auch Bewußtsein vorhanden sein[cp]. Wie wir die Helligkeit eben daran erkennen, daß wir in ihr unterscheiden können, so erkennen wir das Bewußtsein an dem Auftreten der Unterscheidungsthätigkeit. Doch wird sich sehr leicht heraustellen, wie völlig werthlos das Letztere ist. In dieser Beziehung nämlich kann man nicht aufmerksam genug auf den äußerst unbestimmten Gebrauch sein, welchen wir gewöhnlich von dem Worte „unterscheiden“ machen. Fortlage[cq] erwähnt, auch der Magnet „unterscheide“ zwischen dem Eisen und dem Holz oder zwischen dem Nordpol und dem Südpol eines anderen Magneten u. s. w.: aber er übersieht natürlich nicht, daß diese Art des Unterscheidens eine ganz andre ist, als diejenige, welche das Bewußtsein ausführt. In der That würde man in die größten Irrthümer hineingerathen, wenn man zwischen diesen beiden Arten des Unterscheidens selbst nicht sorgfältig unterscheiden wollte. Kant[cr] hat diesen Gedanken einmal gelegentlich gestreift, indem er in seiner Abhandlung „über die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren“[cs] daran erinnerte, es sei etwas ganz anderes Dinge von einander unterscheiden, und den Unterschied der Dinge erkennen, und er führt für beide Arten die Ausdrücke des physischen[ct] und des logischen Unterscheidens[cu] ein. Man kann darüber streiten, ob das von Kant[cv] gebrauchte Beispiel, der Hund unterscheide – im physischen Sinne – zwischen Brod und Braten, sehr glücklich ist; denn es ist eben eine Controverse der Thierpsychologie, ob das Kriterium des logischen Unterscheidens, das bewußte Urtheil A[cw] ist nicht B[cx], beim Hunde zutrifft oder nicht, und Kant[cy] entscheidet diese Controverse lediglich nach seinem Vorurtheil von dem „unvernünftigen Thiere“. Deshalb ist das von Fortlage[cz] gewählte Beispiel vom Magneten beweisender[da], weil es den Kern der Sache einleuchtender hervortreten läßt. „Psychisch unterscheiden“ heißt danach einfach so viel, als |[db] auf verschiedene Reize verschieden reagiren. (Kant[dc] definirt es bei seinem besonderen Beispiele: „durch verschiedene Vorstellungen zu verschiedenen Handlungen getrieben werden“.)[dd] So „unterscheidet“ der Magnet zwischen Holz und Eisen, indem er das letztere anzieht, das erstere nicht, zwischen Nordpol und Südpol des andern Magneten, indem sein eigener Nordpol jenen abstößt, diesen anzieht; so unterscheidet die Pflanze zwischen Licht und Schatten, in dem sie ihr Wachsthum dem einen zukehrt und von[de] dem anderen abwendet[df]; so unterscheidet der verzogene[dg] Hund zwischen Braten und Brod, indem er auf den einen mit gierigem Fressen, auf das andre mit verächtlichem Schnüffeln reagirt; so unterscheidet auch der Mensch zwischen Luftschwingungen und Aetherschwingungen, in dem er auf jene durch Schallempfindungen, auf diese durch Farbenempfindungen reagirt. Will man diese Fähigkeit, unter verschiedenen Bedingungen sich verschieden zu verhalten, als das „physische Unterscheiden“ bezeichnen, so kommt dasselbe ausnahmslos allen Dingen zu, und es ist dafür ganz gleichgiltig, ob diese verschiedenen Bedingungen physischer, psychophysischer oder rein psychischer Natur sind. Dagegen ist die Unterscheidung des Bewußtseins ein einheitlicher[dh] Act, es ist eine Vorstellung, in welcher der Inhalt verschiedener Vorstellungen gleichzeitig gedacht und zwar in diejenige Beziehung gesetzt wird, vermöge deren eben erkannt wird, es sei der eine nicht der andre. Dieser Act der Unterscheidung setzt somit das vergleichende Bewußtsein selbst schon voraus; er kann zu den verschiedenen Reactionen auf verschiedene Veranlassungen hinzutreten, aber er braucht es nicht, und er kann es natürlich nur, wo diese Reactionen selbst schon bewußte sind, obwohl er auch in diesen Fällen nicht immer und nicht absolut nothwendig auftritt. Der Magnet unterscheidet im physischen Sinne; Niemand wird behaupten wollen, er vergleiche Holz und Eisen, komme dabei zu dem Resultate, daß beide gar verschieden seien, und handle in Folge dessen dem einen anders, als dem andern gegenüber. Auch bei der Pflanze, welche Licht und Schatten[di], Tag und Nacht sehr gut unterscheidet, werden selbst diejenigen, welche von einer Pflanzenseele träumen, kaum geneigt sein, das unterscheidende Bewußtsein in diesen Verschiedenheiten vorauszusetzen. Animalische Wesen endlich, der Mensch nicht ausgeschlossen, handeln zu verschiedenen Zeiten je nach den Umständen[dj] sehr verschieden, ohne sich immer[dk] im vergleichenden Bewußtsein über diese Verschiedenheit selbst[dl] Rechenschaft zu geben. Selbst wo diese Reactionen in bewußten[dm] Vorstellungen oder in den durch solche vermittelten Handlungen bestehen, ist das unterscheidende Bewußtsein durchaus nicht immer der Grund für diese Verschiedenheit der Reaction. Auf eine gewisse Luftschwingung antworten wir mit der Empfindung einer bestimmten Tonhöhe; auf eine gewisse Aetherbewegung mit derjenigen einer[dn] bestimmten Farbe.[do] Diese Verschiedenheit der Reaction, dieses „physische Unterscheiden“ ist offenbar gänzlich unabhängig davon, ob wir jemals dazu kommen, diesen bestimmten Ton und diese bestimmte Farbe gleichzeitig vorzustellen und sie dann vergleichend im Bewußtsein zu unterscheiden. Hieraus folgt, daß die Verschiedenheit der Reaction auf verschiedene Reize niemals, selbst wo sie in psychischen Thätigkeiten besteht, den Schluß auf ein bewußtes Unterscheiden zuläßt. Wenn wir somit den |[dp] Hund zwischen Brod und Braten „physisch“ unterscheiden sehen, so giebt uns dies allein noch gar kein Mittel zur Entscheidung der Frage, ob dabei ein bewußtes Unterscheiden stattgefunden hat oder nicht. Von uns selbst wissen wir, daß ein Theil der Verschiedenheit in unsern Handlungen auf bewußte Unterscheidungen zurückgeführt werden muß, daß wir in manchen Fällen verschieden handeln, weil[dq] wir erkannt haben, daß verschiedene Umstände vorlagen: wie weit wir aber diese Erklärungsweise auf die Thierwelt auszudehnen haben, ist aus der bloßen Verschiedenheit ihrer Reactionen nicht zu entscheiden. Daraus ergiebt sich, daß aus der „unterscheidenden“ Thätigkeit das Vorhandensein des Bewußtseins nur dann erkannt werden kann, wenn constatirt ist, daß die unterscheidende Thätigkeit in diesem Falle die bewußte war, d. h. wenn man schon vorher weiß, daß das Bewußtsein vorhanden war. Man thut daher in psychologischen Untersuchungen besser, den wichtigen Terminus „Unterscheidung“ nur als Bezeichnung des einheitlichen, vergleichenden Bewußtseinsactes anzuwenden und jene bildliche und mißbräuchliche Ausdehnung auf die Verschiedenheit der Handlungen durchaus zu vermeiden.
Fragt man, wie dieser laxe Gebrauch des Wortes „unterscheiden“ entstanden ist, so giebt die Antwort darauf einen sehr viel weiter tragenden Gesichtspunkt für die Auffassung dieser ganzen Verhältnisse. Wenn wir zwei Dinge; zwei Eigenschaften, zwei Handlungen u. s. f. als „verschieden[dr]“ bezeichnen, so ist das ein Prädicat, welches selbstverständlich nicht jedem von beiden an sich, sondern beiden nur in Beziehung auf einander zukommt. Aber diese Beziehung, auf der die Bezeichnung „verschieden“ beruht, ist keine reale,[ds] sondern nur eine durch das vergleichende Bewußtsein vermittelte. „Verschiedensein“ ist kein reales Verhältniß, in welchem Dinge oder Thätigkeiten zu einander stünden, sondern es ist nur eine Eigenschaft, welche beide annehmen, indem sie von einem und demselben Bewußtsein verglichen werden. Der Satz A[dt] ist von B’ verschieden, oder A ist nicht B’, sagt weder über das reale Wesen von A noch über dasjenige von B noch endlich über eine reale Beziehung zwischen beiden etwas aus, sondern behauptet eben nur, daß ein beide vorstellendes Bewußtsein sie unterscheidet. Verschiedenheit ist nicht ein Prädikat des Vorstellungsinhaltes selbst, sondern vielmehr eine von dem vergleichenden Bewußtsein und nur von diesem innerhalb desselben gesetzte Beziehung. Daß ein Ton und eine Farbe verschieden sind, gehört weder zum Wesen des Tones noch zu demjenigen der Farbe, noch ist es der Ausdruck eines realen Verhältnisses, in welchem der Ton und die Farbe (resp. deren äußere Reizveranlassungen) außerhalb des Bewußtseins stünden. Ein solches Verhältniß existirt vielmehr in diesem Falle überhaupt nicht, und nur in dem vergleichenden Bewußtsein können beide in die Beziehung zu einander treten, unterschieden und in Folge dessen als „verschieden“ bezeichnet zu werden. Daß dem so ist, leuchtet bei genauerer Besinnung einem Jeden ein; aber diese |[du] Besinnung zeigen leider weder die gewöhnliche Auffassungsweise noch die Geschichte der Philosophie. Vielmehr gilt gemeinhin von einem Andern verschieden zu sein, wie Anderes nicht zu sein für eine reale Eigenschaft der Dinge. Seinen metaphysischen Ausdruck hat dieser Irrthum in derjenigen Lehre gefunden, welche sich am einfachsten in dem spinozistischen Satze citiren läßt: omnis determinatio est negatio[dv][7], und welche darauf hinaus läuft, zu meinen, A[dw] sei A, weil es nicht B, nicht C, nicht D u. s. w. ist. Daß hier eine Verwechselung des Seins von A mit dem Erkanntwerden von A vorliegt, ist allmälig den Philosophen klar geworden. Aber vergebens hat doch Kant[dx] eine seiner genialsten Schriften, den „Versuch, den Begriff der negativen Größen in die Weltweisheit einzuführen“ gegen diesen fundamentalen Irrthum geschrieben: bald nach ihm hat diese Verwechslung, Verschiedenheiten und logische Negationen für Realitäten und reale Verhältnisse zu halten, in der[dy] Identitätsphilosophie ihre üppigsten Blüthen getrieben.[dz]
Es ist einfach, die Anwendung davon auf die vorliegende Untersuchung zu machen. Wenn ein Ding, es sei was es sei; auf den Reiz a[ea] mit der Handlung α, auf den Reiz b[eb] mit der Handlung β reagirt, so sind sowohl a und b, als auch α und β je zwei Thatsachen,[ec] die an sich garnichts mit einander zu thun haben. Zwischen der Ruhe, welche der Magnet dem Holze gegenüber zeigt, und der Anziehungskraft, welche er auf das Eisen ausübt, besteht kein reales Verhältniß. Erst für den Beobachter, der beide Handlungsweisen mit einander vergleicht, treten dieselben in die subjective Beziehung der Verschiedenheit, und indem derselbe die Vorstellung[ed] dieser beiden Handlungsweisen in einen und denselben Ausdruck zusammenzuziehen sucht, überträgt er die von ihm dabei vollzogene Thätigkeit auf das Ding und sagt, der Magnet „unterscheide“ zwischen Holz und Eisen. Die wirkliche Unterscheidung liegt also auch hier in dem vergleichenden Bewußtsein und nirgendwo anders, und es ist nur eine psychologische Wendung des uralten Dogmatismus, der das Negative zur metaphysischen Wirklichkeit umstempelte, wenn uns zugemuthet wird in der Unterscheidung das Wesen des Bewußtseins zu sehen.[ee]
Hieraus erhellt nun der grobe Irrthum in welchen Ulrici[ef][eg] verfallen ist, wenn er nicht etwa nur[eh] das Unterscheiden mit dem Bewußtsein identificiren, sondern die unterscheidende Thätigkeit als den „Grund“ des Bewußtseins und des Bewußtwerdens ansehen will. Vor dem Bewußtsein kann es immer nichts Anderes geben, als eine Anzahl von Thätigkeiten, von denen jede für sich characterisirt d. h. positiv bestimmt ist: „unterschieden“ können diese eben nur dadurch werden, daß sie gemeinsam im Bewußtsein vorgestellt und verglichen werden. Das „Unterscheiden“, welches dem Bewußtsein als sein „Grund“ vorherginge, könnte garnichts Anderes sein, als jenes „physische Unterschei|[ei]den“, d. h. die verschiedene Reaction auf verschiedene Reize: die einheitliche und vergleichende[ej] Zusammenstellung eben dieser vorhergegangenen Reactionen, welche in dem Acte des Unterscheidens stattfindet, ist eben selbst nur durch das Bewußtsein möglich. Ja, es ist, wie sich zeigen wird, gerade die wesentliche Leistung des Bewußtseins, Functionen, welche vorher jede für sich und unabhängig voneinander bestanden, in Beziehungen zu setzen, unter welchen die Unterscheidung nur eine besondere, wenn auch besonders wichtige und fundamentale Art bildet.
Die bedeutendste Täuschung, durch welche Ulrici[ek] zu dieser Verkennung des Thatbestandes geführt zu sein scheint, liegt in seiner Ansicht, daß der ursprünglich[el] unbestimmte Vorstellungsinhalt erst durch die Unterscheidung zur Bestimmtheit und erst dadurch zur Bewußtwerdung gebracht werde. Es liegt darin eine Meinung vor, welche mit jener oben erwähnten Ansicht von der Negation in directer Parallele steht: beide Meinungen führen sich bei genauer Verfolgung ihrer Consequenzen selbst ad absurdum[em], wenn sie nicht schließlich doch ein Positives resp. ein Bestimmtes gegen ihre Voraussetzung annehmen wollen[en]. Nach jener metaphysischen Ansicht, welche hauptsächlich Spinoza vertritt, soll a[eo] eben a deshalb sein, weil es nicht b, nicht c, nicht d u. s. f. ist. Aber b ist b, weil es nicht a, nicht c, nicht d ist u. s. f. c ist c, weil es nicht a, nicht b, nicht d u. s. f. ist …, und so gilt es schließlich von jedem Einzelnen, daß es seine Individualität dem Umstande verdankt, keine der anderen Individualitäten zu sein. Es leuchtet ein, daß, weil keine dieser Individualitäten einen Vorzug vor den übrigen besitzt, diese ganze Erklärung sich in einem Kreise von Negationen bewegt, solange nicht eben doch auf irgend eine Weise eine ursprüngliche Position angesetzt wird.[ep] Und genau so verhält es sich mit den Ulrici’schen Unterscheidungen. A[eq] soll dadurch „bestimmt“ werden, daß es von B und C unterschieden wird; aber B und C müssen doch selbst „bestimmt“ sein, wenn von ihnen A soll unterschieden werden können; sie könnten aber selbst nur bestimmt werden, indem B von D und E, und C von F und G unterschieden würden, u. s. f. bis in’s Unendliche.[er] Danach könnte es nach dieser Auffassung, wenn das Bewußtsein nur durch Unterscheiden entstehen soll und wenn Unterscheiden nur Unterscheiden von Bestimmtem heißen darf, niemals einen Anfang des Unterscheidens geben, wogegen auch C[arl] Göring in seiner Kritik der Ulrici’schen Bewußtseinslehre[es] sehr richtig sagt, daß der erste Act des Bewußtseins niemals auf Unterscheidung beruhen kann. Das Ulrici’sche Bewußtsein, welches nur durch Unterscheidung zu Stande kommen soll, hat keinen Anfang: denn es soll zu bestimmtem Vorstellungsinhalt nur durch Unterscheidung gelangen, und es kann unterscheiden natürlich nur durch Vergleichung mit Bestimmtem. |[et]
Hierin nun liegt eben das πρῶτον φεῦδος[8] von Ulrici’s Auffassungen, daß er meinte[eu], die Bestimmtheit des[ev] Inhalts der Vorstellungen könne[ew] erst durch Processe der Unterscheidung zu Stande kommen. In der That verhält sich die Sache so, daß das Bewußtsein ohne alle Unterscheidung völlig bestimmten Inhalt besitzt, und daß umgekehrt[ex] alle unterscheidende Thätigkeit solche festen Bestimmtheiten als ihr Material voraussetzt. Völlig Unbestimmtes läßt sich (abgesehen davon, daß es überhaupt nicht vorstellbar ist) weder[ey] mit Bestimmten noch untereinander vergleichen: nur Bestimmtes ist vergleichbar und unterscheidbar. Hier ist Ulrici eine Verwechslung passirt, derjenigen ähnlich, welche sich bei der gewöhnlichen Ansicht von verschiedener Klarheit und Deutlichkeit derselben Vorstellung zeigte, die Verwechslung nämlich, als könne dasselbe einmal unbestimmt und dann immer bestimmter vorgestellt werden. Wenn Jemand sagt, er sehe da Etwas, aber er könne noch nicht „unterscheiden“, was es sei, so hat er eine inhaltlich vollkommen bestimmte und eventuell von anderen sehr genau unterschiedene oder unterscheidbare[ez] Vorstellung; aber dieser bestimmte Inhalt ist noch so arm, besteht etwa nur aus so allgemeinen Umrissen, daß er nicht ausreicht, um diesen neu wahrgenommenen Inhalt unter eine der bekannten älteren Vorstellungen zu subsumiren und ihn als etwas Bekanntes zu „bezeichnen“. Hier ist volles Bewußtsein, genau bestimmter Inhalt, eine fertige Perception; was fehlt, ist nur die Apperception durch eine früher entwickelte Vorstellung. Wird darin die Wahrnehmung „bestimmter“, sodaß sie zur Apperception genügt, so ist nicht mehr dieselbe Perception, sondern eine an Inhalt viel reichere, mit neuen Elementen versetzte vorhanden: nur die Beziehung auf dieselbe Wirklichkeit und deren gleiche Bezeichnung durch „dieser Gegenstand“ veranlaßt uns, uns so auszudrücken, als ob wir Dasselbe erst unbestimmt und dann bestimmter vorstellten. Auch hier gilt es wie bei der Verdeutlichung, daß die nähere Bestimmung nur in einer Bereicherung des Vorstellungsinhalts besteht, und sehr richtig ist es deshalb, wenn Göring seine Kritik der Ulrici’schen Lehre darauf richtet, zu zeigen, daß diese Bestimmung nicht in einer |[fa] Veränderung des Bewußtseins, sondern nur in einer solchen des reflectirenden Wissens besteht.
Dagegen ist es eine Thatsache, welche Jeder an sich erfahren kann, daß wir sehr häufig mit vollständig klarem Bewußtsein einen Gegenstand vorstellen, ohne ihm im geringsten von anderen zu unterscheiden. Es wäre überaus traurig, wenn wir in der Bewegung unserer bewußten Vorstellungen jede einzelne immer erst sorgfältig „unterscheiden“ müßten; ja, weil jede rechtmäßigerweise von allen übrigen unterschieden werden sollte, so würden wir jeden Augenblick in Verlegenheit sein, wie weit wir diese Unterscheidungsthätigkeit zu treiben hätten. Auch hierin steht die Unterscheidung unter denselben Verhältnissen wie die Negation: ebenso wie niemals zu Ende gedacht und gesagt werden kann, was alles von einem Subjecte nicht behauptet werden darf, ebensowenig kann man alles zu Ende denken, wovon ein bestimmter Inhalt unterschieden werden kann. Beides ist ja auch im Wesentlichen dasselbe. Und wie andrerseits in der Wirklichkeit nur das verneint wird und verneint werden soll, was unberechtigter Weise bejaht zu werden droht oder bejaht worden ist, so wird auch in Wahrheit die Unterscheidung nur da angewendet und soll dann allerdings durchaus eintreten, wo Vorstellungsinhalte ungerechtfertigter Weise in einander zu gehen und sich zu vermischen in Gefahr sind.
Besonders einleuchtend aber ist das Vorhandensein des Bewußtseins ohne Unterscheidung überall da, wo wir, wie man zu sagen pflegt, von Einem Gegenstande ganz erfüllt sind, wo Eine Vorstellung den ganzen Raum des Bewußtseins für sich in Anspruch nimmt und wo deshalb jede Beziehungsthätigkeit – als solche wird man doch wohl die Unterscheidung immer gelten lassen müssen – von vornherein ausgeschlossen ist. Die Thatsächlichkeit solcher Zustände, welche namentlich durch heftigen Affect herbeigeführt werden, solcher Zustände, in denen das Bewußtsein von Einer Vorstellung gleichsam festgehalten wird, ohne daß wir –wenigstens einige Minuten lang –[fb] im Stande wären, auch nur irgend eine beziehende Denkthätigkeit daran zu knüpfen, ist zweifellos: sie allein beweist, daß es Bewußtsein ohne Unterscheidung giebt, und daß deshalb der Versuch, das Bewußtsein als die unterscheidende Thätigkeit zu characterisiren, verfehlt ist. Vor Allem aber gilt dieser Betrachtung, wie schon mit[fc] Göring hervorgehoben wurde[fd], für den ersten Moment des Bewußtseins: denn da in ihm noch keine erworbenen Vorstellungen vorhanden sind, von denen die erste unterschieden werden müßte, so könnte sie nach dieser Theorie niemals zu Stande kommen.
Gänzlich hinfällig sind endlich die Versuche, in einzelnen Thatsachen die Bewußtwerdung durch unterscheidende Thätigkeit zu erklären. Die „unterscheidende Thätigkeit“ ist in diesen Fällen immer nur jene „physische Unterscheidung“ d. h. die verschiedene Reaction auf verschiedene Reize, und zwar in der Weise, daß die Reaction das zweite Mal[fe] in einer bewußten Thätigkeit besteht, das erste Mal aber nicht. Wenn daher der Müller auf das Klappern der Mühle nach jahrelanger Gewöhnung nicht reagirt, so hat das Gründe: und wenn derselbe Müller |[ff] auf die durch das plötzliche Stillstehen der Mühle in seinem Gehörorgan herbeigeführte Veränderung durch Bewußtwerden reagirt, so hat das auch seine Gründe, und es sind das eben zwei verschiedene Reactionen, geradeso wie wenn der Magnet auf das Holz nicht, desto mehr aber auf das Eisen reagirt[fg]. Ulrici’s bekannter Müller[9] dagegen, der im Schlafe zwischen dem Klappern und dem Stillestehen der Mühle „unterscheidet“ und es im letzteren Falle für gerathen hält, zum Bewußtsein zu kommen und nach der Ursache dieser fatalen Störung zu sehen, – der verdient[fh], als Titelvignette auf der Stereotypausgabe der „Philosophie des Unbewußten“[10] zu figuriren.
Umgekehrt also:[fi] Nicht die unterscheidende Thätigkeit ist der Grund des Bewußtseins, sondern das Bewußtsein ist die einzige Möglichkeit, unter der eine „Unterscheidung“ im psychologischen Sinne des Wortes eintreten kann. Und auch nicht identisch ist das Bewußtsein mit der unterscheidenden Thätigkeit: denn es giebt (auch abgesehen von dem Anfangsmomente des Bewußtseins) viele bewußte Zustände, in denen von Unterscheidung Nichts aufgefunden werden kann. Nur dies ist gewiß (und darin liegt vielleicht der letzte Grund von Ulrici’s Irrthum), daß jede im Bewußtsein auftretende Vorstellung von jeder anderen unterschieden werden kann[fj]. So leuchtet die Fortlage’sche Parallele bis ans Ende: die Helligkeit ist weder die Folge des Unterscheidens noch das Unterscheiden selbst; wohl aber besteht ihr Werth darin, daß in ihr[fk] jeder Gegenstand von dem andern unterschieden werden kann[fl], wenn auch nicht nothwendig unterschieden wird. Und genau so steht es mit dem Bewußtsein. In ihm kann[fm] jeder Vorstellungsinhalt[fn] von jedem andern unterschieden werden; aber er braucht es nicht, und er wird es nicht wirklich, und es ist Sache der Psychologie, die Beziehungen zu untersuchen, unter denen diese Möglichkeit Wirklichkeit wird, Sache der Logik, festzustellen, in[fo] welchen Fällen sie es werden soll. Und zwischen dieser Möglichkeit der Unterscheidung und ihrer Wirklichkeit nicht unterschieden zu haben, ist der Fehler der besprochenen Theorie.[fp]
Kommentar zum Textbefund
j↑Lebens | ] gegenüber auf der Umschlaginnenseite Inventarstempel; Bl. 1v Besitzstempel der Tohoku und Text zur Einfügung auf Bl. 2r, Bl. 2r Fortsetzung des Textes, mit rotem Farbstift paginiert als 52t↑auf | ] Bl. 2v 2 Worte zur Einfügung auf Bl. 3r, Bl. 3r Fortsetzung des Textes, mit rotem Farbstift paginiert als 53. Ein weiterer Stempel über die 6 ersten Zeilen des Textes.aa↑der | ] Bl. 3v Text zur Einfügung auf Bl. 4r, Bl. 4r Fortsetzung des Textes, mit rotem Farbstift paginiert als 54ac↑Intensität der Vorstellungsthätigkeit ] darunter Unterstreichung mit Punkten zurückgenommen, auf Bl.3v gegenüber Vermerk mit rotem Farbstift: nicht gesperrt!ak↑erweisen ] auf Bl. 3v Literaturangaben: Psychol[ogie] als Wissensch[aft] § 7–9 | De attentionis mensura, Prämonenda. | cf. Beneke Psychol[ogische] Skizzen I, 147 ff u[nd] II, 360 ff | Lehrbuch d[er] P[sychologie als Naturwissenschaft] § 33.ao↑Deutlichkeit ] auf der links gegenüberliegenden Seite nicht eindeutig zugeordnete Literaturangaben: Psychol[ogie] als Wissensch[aft] § 7–9 | De attentionis mensura, Prämonenda. | cf Beneke Psychol[ogische] Skizzen I, 147 ff u[nd] II, 360 ff | Lehrbuch d[er] P[sychologie als Naturwissenschaft] § 33.ap↑Deutlichkeit | ] Bl. 4v Text zur Einfügung auf Bl. 5r, Bl. 5r Fortsetzung des Textes, mit rotem Farbstift paginiert als 55au↑Der … übrig. ] mit Einfügungszeichen auf Bl. 4v geschrieben statt gestrichen: Es könnte der Einwurf erhoben werden, diese Argumentation klammere sich an die Wortbezeichnungen; wir characterisiren jeden Sinneseindruck allerdings nach Qualität und Intensität, und insofern gehöre die letztere freilich zum Inhalt des Eindrucks; aber daß wir die Intensität stehts im Inhalt derselben fänden, stamme eben daher, weil wir nur bewußte Eindrücke kennen und weil auf diese Weise jeder Eindruck eine bestimmte Bewußtseinsintensität zeigen müsse: der wahre Inhalt des Eindrucks sei nur die Qualität; seine Intensität sei eben die Function des wahrnehmenden Bewußtseins. Dieser Einwurf zerschellt an der Thatsache, daß die Intensität des Eindrucks nur im allergeringsten Maße von dem wahrnehmenden Individuum, im Wesentlichen aber von der Stärke des Reizes abhängig ist, und eben dadurch sich als ein Bestandtheil des Inhalts darstellt.ba↑zusammengesetzter | ] Bl. 5v Text zur Einfügung auf Bl. 6r, Bl. 6r Fortsetzung des Textes, mit rotem Farbstift paginiert als 56bq↑verschiedenen | ] Bl. 6v Text zur Einfügung auf Bl. 7r, Bl. 7r Fortsetzung des Textes, mit rotem Farbstift paginiert als 57cs↑Figuren“ ] folgt Fußnotenzeichen und -text: Gegen den Schluß. Hartenstein’sche Ausgabe I. pag. 17.db↑als | ] Bl. 8v Text zur Einfügung auf Bl. 9r, Bl. 9r Fortsetzung des Textes, mit rotem Farbstift paginiert als 59do↑Farbe. ] danach Einfügungszeichen und Text zur Einfügung von Bl. 8v gestrichen: Auf das eine Motiv antworten wir bricht abdu↑diese | ] Bl. 10v Text zur Einfügung auf Bl. 11r, Bl. 11r Fortsetzung des Textes, mit rotem Farbstift paginiert als 61dz↑getrieben. ] danach Fußnotenzeichen und -text: Ausführlicher wird dies bei der Lehre von der Negation zur Sprache kommen.ee↑das … sehen. ] mit Einfügungszeichen auf Bl. 10v geschrieben statt gestrichen: Alles Unterscheiden ist somit nur im Bewußtsein möglich; es fragt sich, ob alles Bewußtsein auch zugleich Unterscheiden ist.eg↑Ulrici ] gegenüber auf Bl. 10v geschrieben: Leib und Seele; Grundzüge einer Psychologie des Menschen, p. 274ff.ei↑Unterschei| ] Bl. 11v Text zur Einfügung auf Bl. 12r, Bl. 12r Fortsetzung des Textes, mit rotem Farbstift paginiert als 62ep↑wird. ] folgt Fußnotenzeichen und -text, mit Einfügungszeichen auf Bl. 11v geschrieben: Nebenbei sei bemerkt, daß der parallele Versuch von Leibniz, das Universum in ein System von positiven Vorstellungsbeziehungen aufzulösen, in dieselbe Absurdität ausläuft. Wenn jede Monade ihre Individualität darin hat, daß sie alle übrigen vorstellt, jede von diesen übrigen aber wiederum die Vorstellung aller anderen in sich trägt, so giebt es auch in diesem System keinen positiven und realen Inhalt. Ohne ursprüngliche „absolute Positionen“ ist eben Nichts zu erklären, und darin besteht der Fortschritt Herbarts gegen Leibniz.er↑Unendliche. ] danach Fußnotenzeichen und-text: Die gleiche Auflösung in eine unendliche Reihe gilt auch für eine psychophysische Theorie, welche in jüngster Zeit von Schneider aufgestellt und von Ulrici als Bestätigung seiner Lehre in Anspruch genommen worden ist. Vgl. G[eorg] H[einrich] Schneider. Die Unterscheidung; Analyse, Entstehung und Entwicklung derselben bei den Thieren und beim Menschen. Zürich 1877 und Ulrici’s Besprechung davon in „Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik“ Bd. LXXI 1877 pag. 1ff. Die Ansicht Schneiders, daß alle Empfindung nur Empfindung von Differenzen ist, hat einen physiologischen Sinn, welcher bei der Lehre von der Empfindung wohlbeachtet sein will. Faßt man sie aber, wie Ulrici, rein psychologisch auf, so geräth man in ein Nebelmeer von Differenzen, in denen es keinen Grund und Boden, sondern immer nur wieder Differenzen von Differenzen bis in’s Unendliche giebt. Was wir die Empfindung a nennen, sei danach die Empfindung des Unterschiedes b–c; aber b ist die Differenzempfindung d–e, c diejenige f–g u. s. f. Auch hier zeigt sich, wie oben, daß die Auflösung der Realität in lauter gegenseitigen Beziehungen ohne die Annahme ursprünglicher Positionen eine Absurdität involvirt.es↑Bewußtseinslehre ] folgt Fußnotenzeichen und -text: System der kritischen Philosophie. I. pag. 125ff.et↑Bestimmtem. | ] Bl. 12v Text zur Einfügung auf Bl. 13r, Bl. 13r Fortsetzung des Textes, mit rotem Farbstift paginiert als 63ey↑Völlig … weder ] mit Einfügungszeichen auf Bl. 12v geschrieben, statt gestrichen: Unbestimmtes läßt sich wederff↑Müller | ] Bl. 14v leer, Fortsetzung des Textes auf Bl. 15r, mit rotem Farbstift paginiert als 65Kommentar der Herausgeber
2↑von Herbert Spencer wiederholte Versuch David Hume’s ] vgl. Herbert Spencer: Principles of Psychology (1855), 2. Aufl. in 2 Bdn. London/New York 1872–80, dt. nach der 3. Aufl. Stuttgart: Schweizerbart 1882–86.3↑„Was … Inhalts.“ ] vgl. Rudolf Hermann Lotze: Mikrokosmus. Ideen zur Naturgeschichte und Geschichte der Menschheit. Versuch einer Anthropologie Bd. 1. 2. Aufl. Leipzig: S. Hirzel 1869, S. 234 (2. Buch: Die Seele).7↑omnis determinatio est negatio ] lat. alle Bestimmung erfolgt durch Negationen; von Hegel (Wissenschaft der Logik) als Hauptsatz Spinozas ausgegeben.8↑πρῶτον φεῦδος ] gr. die erste Lüge, d. h. die erste falsche Voraussetzung, wodurch das ganze Argument falsch wird9↑Ulrici’s bekannter Müller ] vgl. Hermann Ulrici: Compendium der Logik. Zum Selbstunterricht und zur Benutzung für Vorträge auf Universitäten udn Gymnasien. 2., neu bearbeitete u. vermehrte Aufl. Leipzig: Weigel 1872, S. 24: Noch eclatanter ist die notorische Thatsache, daß der Müller erwacht, wenn seine Mühle stehen bleibt, zu klappern aufhört. Hier ist es nicht das Eintreten und Fortdauern der Gehörsempfindung, sondern die eintretende Aufhebung derselben, die der Seele zum Bewußtseyn kommt und das Bewußtseyn der Außenwelt weckt.10↑„Philosophie des Unbewußten“ ] Anspielung auf Eduard von Hartmann: Philosophie des Unbewußten, 1869.▲