Bibliographic Metadata
- TitleWindelband an Franz Böhm, Heidelberg, 24.2.1915, 3 S., Ts.-Durchschlag mit eigenhändiger Unterschrift, Briefkopf Heidelberger Akademie der Wissenschaften. | Stiftung Heinrich Lanz, UA Heidelberg, HAW 540 (Akademie 1909–1963), Bl. 15
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- Physical LocationUniversitätsarchiv Heidelberg
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Windelband an Franz Böhm, Heidelberg, 24.2.1915, 3 S., Ts.-Durchschlag mit eigenhändiger Unterschrift, Briefkopf Heidelberger Akademie der Wissenschaften. | Stiftung Heinrich Lanz, UA Heidelberg, HAW 540 (Akademie 1909–1963), Bl. 15
Heidelberg, den 24. Februar 1915
Eurer Exzellenz
beehrt sich der ergebenst unterzeichnete geschäftsführende Sekretär der Heidelberger Akademie der Wissenschaften das Folgende vorzutragen:
Am 13. des Monats[a][1] hat der stellvertretende Sekretär der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse, Herr Fürbringer[2], Euerer Exczellenz mitgeteilt, dass diese Klasse den bisherigen Sekretär, Herrn Koenigsberger, wiederum zum Sekretär gewählt habe, dass dieser aber die Wiederwahl nicht annehme und dass auch er selbst von seiner Wiederwahl zum stellvertretenden Sekretär abzusehen bitte. Beide Herren jedoch hätten sich bereit erklärt, bis zur definitiven Wahl die Geschäfte der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse fortzuführen.
Von diesem Vorgange ist mir, als dem derzeitigen geschäftsführenden Sekretär am 20. des Monats[b] zuerst mündlich und auf mein Verlangen am 23. schriftlich Mitteilung gemacht worden und ich bitte nunmehr Euere Exzellenz mit Rücksicht darauf, folgende Erwägungen unterbreiten zu dürfen.
Es ist mir unbekannt, welches die Motive für | dieses Vorgehen der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse sind und ich habe mich nicht im Geringsten darum zu kümmern, wenn sie sich mit einem solchen provisorischen Zustande vorläufig abfinden will. Anders aber liegt die Sache für die Gesamt-Akademie und deren Geschäftsführung, für die ich gegenwärtig verantwortlich bin. Denn statutengemäss muss der Sekretär der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse am 24. April des Jahres[c] die Führung der Geschäfte der Gesamt-Akademie übernehmen und ich weiss nicht, ob ich berechtigt wäre, die Geschäftsführung einem anderen Herrn zu übergeben, als einem solchen, der definitiv gewählt und von Seiner[d] Königlichen Hoheit dem Großherzog bestätigt wäre. Hätte ich von der Absicht der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse rechtzeitig Kenntnis erhalten, so würde ich sie gebeten haben, dies Interesse der Gesamt-Akademie in Betracht zu ziehen. Es ist mir nicht verständlich, in welchem Zusammenhange der Aufschub der Wahl und die Schaffung eines Provisoriums mit den jetzigen kriegerischen Verhältnissen[3] stehen sollen, und wenn die mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse diesen Zustand bis nach Ende des Krieges bestehen zu lassen in Aussicht nimmt, so würde ich weiterhin zur Erwägung gegeben haben, dass mit dem Jahreswechsel 1915/16 der Vorsitz des Kartells der deutschen Akademien[4] zum ersten Male auf Heidelberg übergeht und dass es mit Rücksicht darauf jedoch wünschenswert wäre, vollkommen klare und sichere Verhältnisse der Geschäftsführung zu schaffen.
Es liegt deshalb durchaus im Interesse der Gesamt-Akademie, dass die mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse | bis zum 24. April des Jahres[e] zu einer definitiven Wahl ihres Sekretärs gelange. Dazu ist ja auch noch reichlich Zeit und da mit Rücksicht auf die kriegerischen Verhältnisse wohl der grösste Teil der Mitglieder der Akademie während der Ferien zu Hause sein wird, so kann bis dahin eine Wahl umso eher herbeigeführt werden, als der zu Wählende, wenn das Grossh[erzogliche] Ministerium damit einverstanden ist, dass in diesem Jahre die übliche Festsitzung ausfällt[5], auch für keine Festrede mehr zu sorgen haben wird.
Indem ich Euere Exzellenz bitte, die Interessen der Gesamt-Akademie bei der Behandlung der Angelegenheit in geneigte Erwägung zu ziehen[6], bin ich Euerer Exzellenz in Verehrung ergebener
Windelband[f]
Geheimer Rat.
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Am 13. des Monats ] vgl. Bl. 10–13 derselben Akte das von Windelband im Folgenden zitierte Schreiben.3↑mit den jetzigen kriegerischen Verhältnissen ] so die Argumentation des Klassensekretärs, vgl. die Abschrift des Schreibens Max Fürbringer an Franz Böhm vom 13.2.1915 in derselben Akte, Bl. 13.4↑Kartells der deutschen Akademien ] eigentlich Verband wissenschaftlicher Körperschaften, gegründet 1893 in Leipzig von den Akademien Wien, Leipzig, Göttingen, München (unter Beteiligung der Berliner Akademie, die jedoch erst 1906 beitrat) zum Zwecke der Durchführung gemeinsamer Projekte (Deutsches Biographisches Jahrbuch, Deutsche Literaturzeitung, Deutsche Inschriften, mathematische Enzyklopädie u. a.). Heidelberg war seit 1911 Mitglied, vgl. Windelband an die Mitglieder der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 23.4.1911 sowie Conrad Grau: Die Wissenschaftsakademien in der deutschen Gesellschaft. Das „Kartell“ von 1893 bis 1940. In: Acta historica Leopoldina 22 (1995), S. 31–56.5↑Festsitzung ausfällt ] fand tatsächlich nicht statt, vgl. Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Jahresheft 1915. Heidelberg: C. Winter 1916, S. III.6↑Erwägung zu ziehen ] vgl. in derselben Akte Bl. 16 das Schreiben Franz Böhm (Minister des Kultus und Unterrichts) an Fürbringer vom 26.2.1915 im angedeuteten Sinne; am selben Tag teilt Böhm Windelband mit, daß er an Fürbringer geschrieben habe.▲