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- TitleWindelband an Carl Neumann, Heidelberg, 25.7.1914, 1 S., hs. (lat. Schrift), UA Heidelberg, H-IV-102/140 (Philosophische Fakultät 1913–14, Dekan: C. Neumann), Bl. 358
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- Physical LocationUniversitätsarchiv Heidelberg
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Windelband an Carl Neumann, Heidelberg, 25.7.1914, 1 S., hs. (lat. Schrift), UA Heidelberg, H-IV-102/140 (Philosophische Fakultät 1913–14, Dekan: C. Neumann), Bl. 358
Heidelberg, den 25t Juni 1914
Hochgeehrter Herr Decan,[a]
Zu dem Habilitationsgesuch meines Sohnes[1] bitte ich mir folgende Bemerkung zu gestatten:
Im Allgemeinen halte ich es nicht für richtig und zweckmässig, dass der Sohn als Docent bei der Fakultät eintritt, der sein Vater als Ordinarius angehört, und demgemäss hatten wir ursprünglich an andre Universitäten für eine etwaige Niederlassung meines Sohnes gedacht. Da ist aber über mich das Leiden[2] gekommen, das nun schon mehr als drei Jahre auf mir liegt, und als dann auch meine Frau monatelang schwer krank war, da zeigte sich, wie wertvoll es für uns war, wenigstens noch das jüngste unserer Kinder in unmittelbarer Nähe zu haben. Aus solchen Erwägungen hat sich mein Sohn entschlossen, dem Gedanken einer hiesigen Habilitation, falls er dazu würdig befunden wird, näherzutreten, und ich habe nach einigem Zögern schliesslich meine Einwilligung dazu gegeben.
Indem ich Ew. Spectabilität und die Hohe Fakultät bitte von dieser persönlichen Seite der Angelegenheit gütigst Kenntnis zu nehmen, setze ich voraus, dass ich von der Teilnahme an ihrer geschäftlichen Behandlung dispensiert werde.
In vorzüglicher Hochachtung Ew. Spectabilität ergebenster
W Windelband
S[einer] Spectabilität | dem Decan der philosophischen Facultät | Herrn Prof. Dr. C. Neumann | hier
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Habilitationsgesuch meines Sohnes ] Wolfgang Windelbands für neuere Geschichte; vgl. in derselben Akte Bl. 352–364: Gesuch vom 29.6.1914, Gutachten Hermann Onckens vom 28.6.1914 (!), Erteilung der venia legendi am 13.8.1914, ausnahmsweise vor dem Druck der Habililationsschrift (in der Personalakte seines Vaters, UA Heidelberg, PA 2449 Bl. 51 findet sich die Anfrage des Engeren Senats an die philosophische Fakultät vom 8.5.1919 (!), ob Wolfgang Windelband inzwischen die vorgeschriebenen Abdrücke der Habilitationsschrift vorgelegt habe).2↑das Leiden ] Art der Erkrankung nicht sicher ermittelt, eine Herzerkrankung ist wahrscheinlich (vgl. Windelband an Rickert vom 27.3. u. 18.6.1911, ferner den Kommentar zu Windelband an Max Weber vom 12.12.1910). Der Totenschein (vgl. Dokumente) gibt keine Auskunft. Hinweise bei Emil Lask an Gustav Radbruch, o. D. (nach 10.3.1911, Auszug): Bitte halten Sie außer gegenüber Jaspers’ meine Äußerung von Frau Weber über Windelbands Krankheit möglichst geheim. Alle, die ich sprach, Oncken, Fleiner usw. wußten nichts von einer Herzaffektion. Frau Jaspers schien dies für bekannter zu halten als es ist. Ich habe sie um Geheimhaltung gebeten (UB Heidelberg, Hs. 3716); sowie in Max Webers Bericht vom 14.2.1911 an Rickert, daß Windelband einen Herzschwäche- und Asthmaanfall erlitten habe und sich nicht aufregen dürfe (Max-Weber-Gesamtausgabe Abt. II, Bd. 7,1, S. 96). Windelbands Arzt Ludolf Krehl war Herzspezialist. Windelband litt außerdem an den Spätfolgen einer Venenentzündung (vgl. Windelband an Leo Koenigsberger vom 7.12.1895, an Georg Jellinek vom 8.12.1895, an Karl Dilthey vom 7. u. 10.8.1896 sowie an Verlag Breitkopf & Härtel vom 6.8.1906). Die Trauerrede des Heidelberger Prorektors von Bauer bestätigt (in der Zusammenfassung Arnold Ruges), daß Windelband bereits längere Zeit vor seinem Tod krank war (vgl. Arnold Ruge: Die Beisetzung Wilhelm Windelbands. In: Heidelberger Neueste Nachrichten, Nr. 250 vom 26.10.1915, S. 6). In der Vorrede zu Windelband: Geschichtsphilosophie. Eine Kriegsvorlesung. Fragment aus dem Nachlass von Wilhelm Windelband. Hg. v. Wolfgang Windelband und Bruno Bauch. Berlin 1916 (Kant-Studien Ergänzungshefte Nr. 38) heißt es: Er hat daran diktiert, solange seine Kräfte irgend ausreichten, bis der Arzt mit strengem Verbot einschritt. […] hat er für den Winter 1914/15 eine einstündige Vorlesung über Geschichtsphilosophie angezeigt, und es gelang ihm, sie, wenn auch mit durch immer wiederkehrende Krankheitsanfälle erzwungenen Unterbrechungen, zu Ende zu führen. Die letzte Stunde dieser Vorlesung ist gleichzeitig die letzte, die er überhaupt auf dem Katheder gestanden hat. Zu einer wie immer gearteten Erkrankung trat in jedem Fall eine starke Überarbeitung, die mindestens seit 1909, dem Jahr der Heidelberger Akademiegründung, in der Korrespondenz besonders mit dem Verleger Siebeck (Verlag J.C.B. Mohr, Tübingen) deutlich wird.▲