Bibliographic Metadata
- TitleWindelband an Paul Häberlin, Heidelberg, 4.10.1913, 4 S., hs. (lat. Schrift), UB Basel, NL 119:10,1790,4
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Windelband an Paul Häberlin, Heidelberg, 4.10.1913, 4 S., hs. (lat. Schrift), UB Basel, NL 119:10,1790,4
Heidelberg, 4.10.13.
Hochgeehrter Herr Kollege,
Mein herzlicher Dank für Ihre liebenswürdige und ausführliche Beantwortung meiner Frage[1] kommt leider etwas spät. Sommerfrischen, zumal wenn sie glücklich verlaufen, sind ungünstige Zeiten für Briefe; und als ich heimgekehrt mich allmählich wieder acclimatisiert und eingerichtet hatte, meinte ich erst warten zu sollen, bis ich Ihnen über den Stand der psychologisch-paedagogischen Frage[a] etwas mitteilen könnte. Indessen ist das doch nicht möglich. Es scheint noch wenig von der Kollegenschaft hier zu sein; ich, der ich nur zu dem hygienisch nötigen Spaziergang ausgehe oder ausfahre, | habe kaum den einen oder andren Kollegen gesehen. Und ereignet hat sich inzwischen eigentlich garnichts. Die akademische Maschine ist noch nicht wieder im Gang, das wird wohl noch einen Monat dauern.
Inzwischen aber möchte ich Ihnen nun doch für Ihre Darlegungen danken, die mir die Freude gemacht haben, durchweg wesentliche Uebereinstimmung zwischen Ihrer und meiner Auffassung der Sache erkennen zu lassen. Dabei möchte ich bitten, meine Anfrage nicht etwa so aufzufassen, als ob wir an der geplanten Lehrstelle gerade die Gymnasialfrage besonders in den Vordergrund gerückt sehen wollten[b] oder auf die Stellung zu ihr ganz besonderes | Gewicht legten. Das ist jedenfalls bei der Fakultät als Ganzer[c] nicht der Fall; in allen Besprechungen der Sache ist sogar diese Frage nicht eigentlich berührt worden. Nur bei einzelnen Personen ist hier ein brennendes Interesse gerade an dieser Frage zu erwarten, und deshalb freue ich mich, unter Umständen feststellen zu können, dass der Humanismus von Ihnen keine umstürzlerische Gegnerschaft zu befürchten haben würde. In dieser Hinsicht freue ich mich, dass die Mühe, die ich Ihnen verursacht habe, nicht vergebens war und dass Sie mir bestätigt haben, was ich wünschte und erwartete. Im Uebrigen werden wir nun sehen müssen, ob die Differenz zwischen den[d] Voraussetzungen, die uns in der Fakultät gegeben wurden, und den Bedingungen, auf die sich die Regierung wirklich einlassen will, sich wieder verringert oder ausgleicht. Jedenfalls ist es gut, dass wir auf zweifelloser Festlegung bestanden haben,[e] um ganz sicher zu sein, was wir Ihnen als Aussichten[2] zu eröffnen verantworten können.
Hoffentlich haben Sie auch gute Ferien. ich habe mich in Villingen[3] bei günstigem Wetter gründlich erholt, und ebenso meine Frau.[f] So treten wir hoffnungsvoll in den Winter, und ich fange wieder zu arbeiten an; ich denke wenigstens noch etwas von dem herauszubringen, was ich gern noch sagen möchte[4].
Mit hochachtungsvollem Gruss Ihr
W Windelband
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
2↑Aussichten ] vgl. rückblickend Paul Häberlin: Statt einer Autobiographie. Frauenfeld: Huber 1959, S. 37–38: Es kam so weit, daß ich mir ernstlich den Verzicht auf die akademische Laufbahn überlegte, besonders nachdem die Aussicht auf eine Berufung nach Zürich sich zerschlagen hatte. Da schien 1913 eine glückverheißende Wendung einzutreten. Windelband und Max Weber [recte: Alfred Weber] in Heidelberg waren auf einige meiner Arbeiten aufmerksam geworden. Sie betrieben die Errichtung eines Lehrstuhles für Philosophie mit besonderer Berücksichtigung der Psychologie, und setzten meine Wahl dafür in der Fakultät durch. Das schien nun die Erlösung zu sein. Um so schmerzlicher war dann die Enttäuschung. Die Badische Regierung bewilligte den verlangten Nachtrag zum Budget nicht; die Sache mußte um etwa zwei Jahre hinausgeschoben werden. Doch kam wenig später [1914] der Ruf an die Berner Universität, und er brachte nun wirklich die Erlösung.4↑was ich gern noch sagen möchte ] vgl. die ähnliche Wortwahl in Windelband an Siebeck vom 28.8.1913.▲