Bibliographic Metadata
- TitleWindelband an Paul Siebeck, Heidelberg, 31.7.1905, Text nach einer Transkription von Klaus Christian Köhnke, Umfang und Besonderheiten nicht bekannt, Staatsbibliothek zu Berlin, Haus Potsdamer Straße, NL 488
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- Physical LocationStaatsbibliothek zu Berlin, Haus Potsdamer Straße
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Windelband an Paul Siebeck, Heidelberg, 31.7.1905, Text nach einer Transkription von Klaus Christian Köhnke[1], Umfang und Besonderheiten nicht bekannt, Staatsbibliothek zu Berlin, Haus Potsdamer Straße, NL 488
Heidelberg 31.7.05
Hochverehrter Herr Doctor,
Ihre werte Anfrage[2] überrascht mich einigermassen. Zwar wusste ich, dass Herr R[uge] eine Schrift über den deutschen Studenten plant, die wesentlich eine Gegenschrift gegen die bekannten Vorlesungen Theobald Ziegler’s[3] sein soll: ich habe ihn zur grössten Vorsicht und Zurückhaltung ermahnt, weil er heftige, leidenschaftliche und stark subjektiv gefärbte Ansichten hat, die z. T. auch seinen persönlichen, etwas trüben Lebenserfahrungen entstammen. Nun haben vielleicht diese meine Aeusserungen ihn fühlen lassen, dass ich mit der Sache nichts zu tun haben möchte, und so verstehe ich es, dass er mir Nichts vom Fortgang seiner Absicht, Ihnen deren Verlag anzubieten gesagt hat.
Nun kann ich nur raten, das Manuskript sehr genau zu prüfen: von seinem Inhalte weiss oder ahne ich nicht ein Wort mehr, als ich eben schreibe. Wegen der Darstellung aber kann ich auch nur auf eine zur Vorsicht empfehlende Erfahrung hinweisen. Herr Ruge[a] hat vor einigen Wochen in dem hiesigen Winter’schen Verlag einen Neudruck von Fichte’s Rede über die akademische Freiheit[4] herausgegeben und dazu eine kleine Einleitung geschrieben. Den Entwurf dazu legte er mir vor; ich riet ihm manche Leidenschaftlichkeiten und einige Irrtümer, die darin vorkamen, zu streichen und empfahl eine weitgehende Umgestaltung. Diese hat er denn versucht, mir aber nicht mehr vorgelegt; ich war, als ich sie zu lesen bekam, nicht sehr zufrieden damit, und ich möchte anheimgeben, sich dieses specimen[5] zur Bildung Ihres Urteils anzusehen.
Was Ruges[b] Dissertation[6] anlangt, so hat das wohl noch einige Zeit; ich habe noch Nichts davon gesehen, und dafür können Sie ja nicht gut Ihre Entscheidung von meinem zukünftigen Urteil abhängig machen, während Sie mich aller Dinge verbinden würden, wenn Sie in Bezug auf die Schrift über den Studenten mich vollständig aus dem Spiele lassen wollten.
Inzwischen sind Sie hoffentlich von Ihrer nächsten Sorge um Ihren Sohn[7] durch eine glücklich verlaufene Operation befreit worden und können auf seine schnelle Erholung rechnen: ich wünsche dazu von Herzen das Beste und bleibe mit den aufrichtigsten Empfehlungen und Grüssen von Haus zu Haus Ihr getreulich ergebner
Windelband
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Transkription von Klaus Christian Köhnke ] Kollation derzeit nicht möglich. Der Transkription liegt die Datei Manuskript: Windelband Briefe | herauszugeben von K. C. Köhnke | Ausdruck vom 1.3.2012 zugrunde, die den Herausgebern zur Verfügung steht. Ein Ausdruck dieser Datei befindet sich in öffentlichem Besitz (Universität Leipzig, Nachlass Klaus Christian Köhnke NL 330/3/1/2). Die Signatur des Originals ist mit Stichtag 14.5.2018 noch nicht bekannt. Laut telefonischer Auskunft von Roland Klein, Referat für Nachlässe und Autographen der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz vom 21.11. und 2.12.2016 ist die Erfassung des Nachlasses 488 (Verlagsarchiv Mohr-Siebeck) noch nicht abgeschlossen.3↑Vorlesungen Theobald Ziegler’s ] vgl. Theobald Ziegler: Der deutsche Student am Ende des 19. Jahrhunderts. Vorlesungen gehalten im Wintersemester 1894/95 an der Kaiser-Wilhelm-Universität Strassburg. Stuttgart: Goeschen 1895.4↑Neudruck von Fichte’s Rede über die akademische Freiheit ] vgl. Johann Gottlieb Fichte: Über die einzig mögliche Störung der Akademischen Freiheit. Als ein Beitrag zu den Zeitfragen mit einer Einleitung hg. v. Arnold Ruge. Heidelberg: C. Winter 1905.7↑Ihren Sohn ] Paul Siebeck hatte vier Söhne: Oskar (1880–1936), Richard (1883–1965), Robert (1885–1914), Werner (1891–1934). Welcher von diesen gemeint ist, ist nicht ermittelt (NDB).▲