Bibliographic Metadata
- TitleWindelband an Paul Siebeck, Straßburg, 18.4.1889, Text nach einer Transkription von Klaus Christian Köhnke, Umfang und Besonderheiten nicht bekannt, Staatsbibliothek zu Berlin, Haus Potsdamer Straße, NL 488
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- Physical LocationStaatsbibliothek zu Berlin, Haus Potsdamer Straße
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Windelband an Paul Siebeck, Straßburg, 18.4.1889, Text nach einer Transkription von Klaus Christian Köhnke[1], Umfang und Besonderheiten nicht bekannt, Staatsbibliothek zu Berlin, Haus Potsdamer Straße, NL 488
Strassburg i/E. 18.4.89
Sehr verehrter Herr Siebeck,
Fürchten Sie nicht, daß ich Ihnen alle meine Doctoren aufhängen will, wenn ich Ihnen heut schon wieder mit einem ähnlichen Antrage komme, wie in Betreff Rickert’s[2]! Wenn aber eine Arbeit vorliegt, die mir wirklichen Werth zu haben scheint, so kommt es mir wie eine Art von Verpflichtung vor, das Meinige dazu zu thun, daß sie unter gute Flagge geräth.
Es handelt sich in diesem Falle um eine Arbeit von Wilh. Enoch[3] „Der Begriff der Wahrnehmung. Eine psychologische Studie“. Im Rickert-Format etwa gute 4 Bogen. Feinsinnige Analyse, wirklich reife, sehr langsam ausgereifte Gedankenarbeit. Verfasser seit fünf Jahren in still grüblerischer Weise hier bei mir darüber thätig. Eine Sache, an der m. E. kein Psychologe wird vorübergehen können.
Doctor-Arbeit. Wünsche analog dem Fall Rickert.
Meine Anfrage ist natürlich ganz unvorgreiflich. Ich bitte ausdrücklich, Ihre Entscheidung nicht durch persönliche Rücksicht auf mich zu bestimmen. Wenn es Ihnen paßt, so würde ich mich sehr freuen, wenn nicht, so weiß ich ja, daß Sie genug in Anspruch genommen sind. Dem Mann und der Arbeit wünschte ich es.
Mit Natorp’s Einleitung[4] berührt sich die Dissertation an einigen Punkten, ohne dadurch ihre Selbständigkeit einzubüßen (sie ist ihrer Anlage nach älter), oder damit in starken Widerspruch zu treten. Beide sind sachlich sehr gut neben einander möglich; in gewissem Sinn ist auch Enoch’s Arbeit eine Einarbeitung in die Psychologie.
Sollten Sie also nicht a limine[5] abgeneigt sein, so schreiben Sie mir gütigst, ob ich den Herrn anweisen darf, Ihnen das Manuskript zu schicken, – was Sie ja noch nicht binden würde.
Wollte der gütige Himmel, auch mein Manuskript[6] wäre so weit! Es stecken verteufelte „Tücken“ in diesem „Objekt“. Aber die Hauptsache liegt jetzt seit Wochen klar und fest geordnet vor mir, und so wird denn wohl das Fleisch und Blut um dies Gerippe so schnell wachsen können, wie ich es voraussetzte. Ich hoffe es wenigstens.
Mit hochachtungsvollem Gruße Ihr treulich ergebner
Windelband.
Kommentar der Herausgeber
1↑Transkription von Klaus Christian Köhnke ] Kollation derzeit nicht möglich. Der Transkription liegt die Datei Manuskript: Windelband Briefe | herauszugeben von K. C. Köhnke | Ausdruck vom 1.3.2012 zugrunde, die den Herausgebern zur Verfügung steht. Ein Ausdruck dieser Datei befindet sich in öffentlichem Besitz (Universität Leipzig, Nachlass Klaus Christian Köhnke NL 330/3/1/2). Die Signatur des Originals ist mit Stichtag 14.5.2018 noch nicht bekannt. Laut telefonischer Auskunft von Roland Klein, Referat für Nachlässe und Autographen der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz vom 21.11. und 2.12.2016 ist die Erfassung des Nachlasses 488 (Verlagsarchiv Mohr-Siebeck) noch nicht abgeschlossen.3↑Arbeit von Wilh. Enoch ] die Dissertation von Wilhelm Enoch aus Hannover erschien Ende 1889 mit eingedruckter Jahreszahl 1890 bei H. Carly in Hamburg u. d. T.: Der Begriff der Wahrnehmung. Eine Studie zur Psychologie und Erkenntnistheorie. Das Widmungsexemplar mit hs. Widmung an Windelband befindet sich im Besitz der Universitätsbibliothek Köln (Signatur P7/288): Seinem hochverehrten Lehrer | Herrn | Professor Dr W. Windelband | in dankbarer Ergebenheit | überreicht | vom Verfasser. | Strassburg October 1889.4↑Natorp’s Einleitung ] vgl. Natorp: Einleitung in die Psychologie nach kritischer Methode. Freiburg i. B.: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1888.▲