Titelaufnahme
- TitelWindelband an Victor Ehrenberg, Leipzig, 13.12.1872, 2 S., hs. (dt. Schrift), Staatsbibliothek zu Berlin, Haus Potsdamer Straße, NL Ehrenberg acc. Darmst. 1924.138
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- StandortStaatsbibliothek zu Berlin, Haus Potsdamer Straße
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Windelband an Victor Ehrenberg, Leipzig, 13.12.1872, 2 S., hs. (dt. Schrift), Staatsbibliothek zu Berlin, Haus Potsdamer Straße, NL Ehrenberg acc. Darmst. 1924.138
Leipzig. 13.12.72
Lieber Freund!
Ihren so freundlich theilnehmenden Zeilen[1] hätt’ ich schon längst geantwortet, wenn nicht das geringe Maaß dessen, was mir zu schreiben noch immer räthlich war, vollkommen von durchaus nothwendiger Correspondenz in Anspruch genommen gewesen wäre. Mußt’ ich doch hin und her schreiben, da alle Welt mir rieth, mich den grausamen Plänen zu unterwerfen, welche die Aerzte mit mir nun einmal vorhaben. Und so hat denn auch schließlich deren Logik über die Wünsche meines Herzens triumphirt: in acht Tagen werde ich unterwegs sein, um den Rest des Winters in Italien[2] zuzubringen! Eine Tante[3] wird mich begleiten, da nach solchen ärztlichen Befehlen meine Familie sich von der Vorstellung meiner als eines gewiß schwer Kranken[4] und sehr Schwachen nicht losmachen kann. Das ist die Welt, von der Fichte behauptete, daß sie nur ein Ausfluß der Freiheit[5] sei!
Jellinek machte mir Hoffnung, daß Sie in ein paar Tagen hier sein und ich somit noch die Freude haben würde, Sie wiederzusehen. Das wäre herrlich: denn ich würde mich gern persönlich davon über|zeugen, daß Sie mir in der Genesung ein gut Stück vorauf sind! Sollte das nicht eintreffen, so sind diese Zeilen bestimmt, Ihnen ein herzliches, inniges Lebewohl zu sagen und Sie zu bitten, daß nicht letheische Fluthen[6] während so langer Zeit Ihre Freundschaft für mich hinwegspülen mögen!
Für die freundliche Büchersendung[7] besten Dank! ich kann nun leider doch keinen Gebrauch mehr davon machen.
Leben Sie wohl, leben Sie täglich wöhler und genießen Sie das Recht, in der Heimat bleiben zu dürfen! Mit bestem Gruße Ihr
W Windelband
Kommentar der Herausgeber
1↑freundlich theilnehmenden Zeilen ] vgl. Ehrenberg an Jellinek aus Braunschweig vom 2.12.1872: Du lieber Mensch, ich bin Dir recht, recht, dankbar, daß Du mir so ausführlich Nachrichten giebst, wäre nur die eine böse nicht darunter! Ich habe an Windelband gleich ein paar Worte geschrieben und lege sie ein; Du bist wohl so gut, sie ihm zu überbringen (Christian Keller: Victor Ehrenberg und Georg Jellinek Briefwechsel 1872–1911. Frankfurt a. M.: Klostermann 2005, S. 168).2↑in Italien ] vgl. Ehrenberg an Jellinek aus Braunschweig vom 15.12.1872: Von Windelband hatte ich heute Brief; ich begreife doch nicht, wie die Ärzte ihm in dieser Jahreszeit eine so weite Reise gestatten können, mir wurde es streng verboten. Jedenfalls hoffe ich, den Freund dort noch zu sehen (Christian Keller: Victor Ehrenberg und Georg Jellinek Briefwechsel 1872–1911. Frankfurt a. M.: Klostermann 2005, S. 171).4↑schwer Kranken ] vgl. Jellinek an Ehrenberg aus Leipzig vom 1.12.1872: Vor vierzehn Tagen ungefähr wurde Windelband plötzlich krank. Ein heftiges Fieber, oft von Delirien begleitet, hatte ihn ergriffen. Anfangs glaubte man, daß es ein Nervenfieber wäre, bald aber stellte sich heraus, daß es die Folge einer Brustfellentzündung sei, die mit ungewöhnlicher Stärke auftrat. Er wurde alsbald ins Spital transportirt, wo er die beste und gründlichste Pflege hat. Seit einigen Tagen geht es ihm entschieden besser. An seine Vorlesungen darf er natürlich diesen Winter nicht mehr denken, und so kannst Du immerhin noch sein erster Famulus werden. Bardeleben meinte, es wäre für ihn sehr gut, wenn er einige Zeit in einem südlichen Klima zubrächte. So wäre es denn auch möglich, daß Euch ein leider nicht glücklicher Zufall wieder zusammenführte. Während seiner Krankheit hat er sich immer nach Dir erkundigt, einmal sogar in stärkstem Fieber. (Christian Keller: Victor Ehrenberg und Georg Jellinek Briefwechsel 1872–1911. Frankfurt a. M.: Klostermann 2005, S. 165–166).5↑Fichte … Freiheit ] Anspielung auf Johann Gottlieb Fichtes Vorlesungen über die Tatsachen des Bewußtseins (1810/11).7↑freundliche Büchersendung ] vgl. Jellinek an Ehrenberg aus Leipzig vom 1.12.1872: Er wollte Dir längst schreiben und Dich um die Rücksendung des Kuno Fischer, den er nothwendig braucht, ersuchen (Christian Keller: Victor Ehrenberg und Georg Jellinek Briefwechsel 1872–1911. Frankfurt a. M.: Klostermann 2005, S. 165–166). Gemeinte Werke Kuno Fischers nicht ermittelt.▲
