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- TitleFakultätsvorschlag zur Besetzung der Nachfolge Otto Liebmann an der Universität Straßburg, Straßburg, vor 24.5.1882, zwei verschiedene Schreiber, 2 Überarbeitungsstufen (Tinte/Bleistift), ADBR Strasbourg, 62 AL 3 (Dekanat Georg Gerland 1882/83), Nr. 38, Anlage 1
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- Physical LocationArchives Departementales du Bas-Rhin Strasbourg
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Fakultätsvorschlag zur Besetzung der Nachfolge Otto Liebmann an der Universität Straßburg, Straßburg, vor 24.5.1882[1], zwei verschiedene Schreiber[2], 2 Überarbeitungsstufen (Tinte/Bleistift), ADBR Strasbourg, 62 AL 3 (Dekanat Georg Gerland 1882/83), Nr. 38, Anlage 1
a) Den[a] ordentlichen Professor der Philosophie Dr. Wilhelm Windelband an der Universität Freiburg. Derselbe steht in dem Lebensalter von 36 bis 37 Jahren, ist ein selbständig denkender Schüler Lotze’s, wurde, nachdem er sich zu Anfang der siebziger Jahre in Leipzig habilitirt hatte, 1876 nach Zürich und von dort 1877 nach Freiburg im Breisgau berufen, wo er bis jetzt eine als anregend und ersprießlich allgemein anerkannte[b] Lehrthätigkeit entfaltet. Seinen litterarischen Leistungen nach gehört Windelband unzweifelhaft unter die besten und gediegensten der ihm gleichalterigen[c] philosophischen Autoren[d], indem er eingehende Kenntnisse im Gebiet der exacten Wissenschaften mit historischer Bildung und Gelehrsamkeit vereinigt[3] und ein sehr umfangreiches Wissen mit scharfem und feinem Urtheil beherrscht. Unter seinen zahlreichen wissenschaftlichen Publicationen, deren auch geist- und geschmackvolle Darstellung nachgerühmt werden muß, sind zunächst zwei systematische Abhandlungen – „Die Lehren vom Zufall“ (Berlin, 1870) und „Über die Gewißheit der Erkenntniß“ (Berlin, 1873) – hervorzuheben. Hinzu gesellt sich die größere Anzahl in verschiedenen Zeitschriften publicirter Artikel geschichtlichen, kritischen und systematischen Inhalts. Die umfangreichste unter den bisherigen Publicationen Windelband’s ist eine auf drei starke Bände berechnete: „Geschichte der neueren Philosophie“. Hiervon ist der 1t Band, den Zeitraum von der Renaissance bis auf Kant umfassend, 1878, und der 2te Band, welcher von Kant bis zu Hegel reicht, 1880 erschienen. Beide behandeln ein schon von manchem Gelehrten in verschiedenem Sinne berührtes[e] Gebiet unter Einführung[f] zahlreicher neuer Gesichtspuncte in origineller und gedankenreicher Weise[g]. Der 3te, in der Vor|bereitung begriffene Band wird, auf Grund sehr umfangreicher Quellenstudien des Verfassers, die deutsche, französische und englische Philosophie der Gegenwart behandeln und verspricht Bedeutendes. Zugleich hat Windelband ein systematisches Werk über Logik[4] unter der Feder.[h]
Seine bisherige Lehrthätigkeit sich über sämmtliche systematischen Fächer der Philosophie und über alle Theile der Geschichte der Philosophie erstreckt.[i]
Kommentar zum Textbefund
b↑als anregend und ersprießlich allgemein anerkannte ] Selbstkorrektur des 1. Schreibers, statt gestr.: allgemein anerkanntee↑ein schon von manchem Gelehrten in verschiedenem Sinne berührtes ] Einfügung vom 2. Schreiber statt gestr.: ein von vortrefflichen Vorarbeiten durchackertesh↑Feder. ] danach mit Bleistift gestr.: Indem er mit so fruchtbarer litterarischer Thätigkeit ein höchst ansprechendes Lehrtalent vereinigt, würde die Berufung des Professors Windelband an unserer Universität eine sehr wünschenswerthe und günstige Acquisition in Aussicht stellen.Kommentar der Herausgeber
1↑vor 24.5.1882 ] vgl. in derselben Akte Nr. 33b: Protokoll der Fakultätssitzung vom 23.5.1882 mit Bildung der Berufungskommission für die Nachfolge Liebmanns: Ernst Laas, Otto Liebmann, Emil Heitz, Ernst Martin; Nr. 37b (37a: Einladung): Protokoll der Fakultätssitzung vom 24.5.1882 mit Beschluß der Vorschläge; Nr. 38: die Fakultät übermittelt ihre Vorschläge am 24.5.1882 an den Kurator, dazu die hier abgedruckte Beilage.3↑eingehende … vereinigt ] für Alois Riehl wird weitaus stärker hervorgehoben (Anlage 2, diese in Reinschrift von anderer Hand, vgl. auch die gestr. Passagen des Gutachtens über Windelband!): Nach Allem was vorliegt, scheint sein Hauptinteresse nach der Seite der Erkenntnißtheorie und Ethik zu liegen; in ersterer Beziehung hat er die bewährtesten und abgeklärtesten Prinzipien der modernen Philosophie, insbesondere der kantischen, mit den Methoden und Ergebnissen der positiven Wissenschaften, insbesondere der Naturwissenschaft, in einen fruchtbaren Kontakt gebracht. Das heißt: Ledderhose beruft sich nicht auf das Fakultätsgutachten, das erkennbar Riehl bevorzugt. Vgl. in derselben Akte Nr. 63: Abschrift der Mitteilung des Kurator an den Rektor über die Berufung Windelbands (17.6.1882). Diese Abschrift geht am 20.6.1882 vom Rektor an den Dekan, die Allerhöchste Bestallung erfolgt am 7.6.1882.▲