Bibliographic Metadata
- TitleAdolf Dyroff an Vaihinger, Bonn, 14.4.1925, 3 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 6 r
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- Physical LocationStaats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 6 r
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Adolf Dyroff an Vaihinger, Bonn, 14.4.1925, 3 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 6 r
Bonn, 14.IV 1925
Hochverehrter Herr Geheimrat!
In den „Münchener Neuesten Nachrichten“ lese ich Ihren Artikel[1] „Kants Aktivismus“. Ich darf mich wohl dafür melden, dass ich den Ausdruck „Philosophie der Tat“ bereits 1901 oder 1902 in einer Freiburger Vorlesung[a][2] gebrauchte und dass ich mir bewusst bin, ihn ganz aus mir aus meinem damaligen Gedankengang heraus gebildet zu haben. Es lag nahe, dass ich mich meinen Hörern gegenüber | dafür auf Goethes Faustworte bezog. Ich erinnere mich noch, dass die Hörer, als ich eine solche Philosophie verlangte und andeutete (freilich in anderm Sinne, als Sie das Wort nehmen), lebhaft trampelten. Sonach hatte ich eine Ader in ihren Herzen getroffen. Litterarisch habe ich es[b] zum ersten Mal in meiner kleinen „Selbstdarstellung“[3] gebraucht, ohne Kenntnis von Wesselskys[c] Werk. Sie haben also ganz Recht; es ist wirklich schwer, den Ausdruck auf einen ersten Urheber zurückzuführen. Wesselsky[d] konnte natürlich nichts von meinen Kollegäusserungen wissen.
Ich freue mich, auf diese Wege Weise[e] mich Ihnen wieder in Erinnerung bringen[4] zu | können. Dass die Bemühungen um Kowaleski[5] nicht von Erfolg gekrönt waren, habe ich immer schmerzlich bedauert.
In ausgezeichneter Verehrung Ihr ganz ergebener
Adolf Dyroff
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Ihren Artikel ] vgl. Vaihiger: Kants „Aktivismus“. Seine Philosophie der Tat. In: Münchner Neueste Nachrichten, Nr. 111 vom 23.4.1925, S. 2 (https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb00133542_00619_u001?page=2,3 (26.9.2024)), mit Bezug auf Anton Wesselsky: Forberg und Kant. Studien zur Geschichte der Philosophie des Als Ob im Hinblick auf eine Philosophie der Tat. Leipzig/Wien: Deuticke 1913; ders.: Philosophie der Tat. Grundriß einer autonomistischen Rechenschaft und Ethik. (Unter besonderer Berücksichtigung der Philosophie des Als Ob). In: Annalen der Philosophie. Mit besonderer Rücksicht auf die Probleme der Als Ob-Betrachtung 1 (1919), S. 382–423 sowie dem in Vorbereitung befindlichen Wesselsky: Philosophie der Tat. Versuch einer Weltanschauung von heroischer Autonomie (unter besonderer Berücksichtigung der Philosophie des Als Ob). Berlin, Leipzig: Paetel 1927 (Bausteine zu einer Philosophie des „Als-Ob“ Bd. 12). Vaihingers Artikel schließt mit den Worten: Trotz dieser Vorgänger kann und muß immer noch Dr. Anton Wesselski [recte: Wesselsky] in Wien als der eigentliche Schöpfer des Ausdrucks „Philosophie der Tat“ anerkannt werden, und sachlich kann er sich dabei auf einen berühmten Vorgänger berufen, der zwar nicht den Titel „Professor“ hatte, weil er mehr war als ein Professor, er war ein Confessor, ein Bekenner dessen, was er in sich erlebte. So sprach er das Wort: „Es ist nicht genug zu wissen, man muß auch tun“, und bekanntlich läßt er seinen Faust nach dem Osterspaziergang beim Studium des Neuen Testaments über die Anfangsworte des Johannes-Evangeliums stutzen und stolpern „Im Anfang war das Wort“ und läßt seinen Faust dafür die Worte setzen „Im Anfang war die Tat“, und was er dazu und darüber sagt, ist nicht mehr und nicht weniger, als eine tiefgründige „Philosophie der Tat“.3↑in meiner kleinen „Selbstdarstellung“ ] vgl. Dyroff: [Selbstdarstellung]. In: Raymund Schmidt (Hg.): Die Philosophie der Gegenwart in Selbstdarstellungen Bd. 5. Leipzig: Felix Meiner 1924, S. 129–163, hier 147.5↑Bemühungen um Kowaleski ] Vaihinger hat sich 1922 u. 1923 (1931/1932 und zuletzt 1933) mit Gutachten an das Preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung für die Berufung von Arnold Kowalewski an die Universität Königsberg eingesetzt, zunächst als Nachfolger für Narziß Ach, (vgl. Vaihinger an Dyroff von vor 16.10.1922), dann zur Erteilung eines persönliches Ordinariates. Der Bruder Gerhard Kowaleski und Adolf Dyroff standen im Briefkontakt über die Berufungsaussichten. Arnold Kowalewski (1873–1945), hatte 1897 in Greifswald promoviert, setzte danach seine Studien in Leipzig bei Wundt fort, um 1899 in Königsberg zu habilitieren. Aufgrund seines Vermögens zunächst nicht auf eine Anstellung angewiesen, nahm Kowalewski erst 1906/1907 Lehrstuhlvertretungen in Breslau und 1907/1908 in Königsberg wahr. 1908 an der Universität Königsberg zum Titular-Professor ernannt, seit 1920 mit Lehrauftrag für Religionsphilosophie; 1921 Ernennung zum nichtbeamteten ao. Prof., 1934 mit Lehrauftrag für ostpreußische Geistesgeschichte. Vgl. Christian Tilitzki: Die deutsche Universitätsphilosophie in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. Berlin: Akademie Verlag 2002, S. 67; ders. (Hg.): Protokollbuch der Philosophischen Fakultät der Albertus-Universität zu Königsberg i. P. Osnabrück: fibre 2014, S. 154 (Sitzung vom 6.2.1923) u. S. 163–164 (Sitzung vom 17.7.1923); ders.: Zur Königsberger Kant-Tradition im 20. Jahrhundert. In: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands 50 (2004), S. 191–287, hier S. 212–221 und S. 238–241 (mit Aktenzitaten).▲