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- TitleVaihinger an Armin Theophil Wegner, Halle, 8.5.1920, 2 S., Ts. mit eU, Briefkopf PROF. DR. HANS VAHINGER | GEH. REG.-RAT. | Halle a. S., den … 19… | Reichardtstr. 15., Deutsches Literaturarchiv Marbach, A:Wegner, Armin Theophil
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- Physical LocationDeutsches Literaturarchiv Marbach, A:Wegner, Armin Theophil
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Vaihinger an Armin Theophil Wegner, Halle, 8.5.1920, 2 S., Ts. mit eU, Briefkopf PROF. DR. HANS VAHINGER | GEH. REG.-RAT. | Halle a. S., den … 19… | Reichardtstr. 15., Deutsches Literaturarchiv Marbach, A:Wegner, Armin Theophil
8. Mai 1920.
Herrn Dr. Jur. Armin T. Wegner, Wernigerode.
Sehr geehrter Herr Doktor!
In dankbarer Erinnerung an die schönen Gaben Ihres literarischen Abends[1] möchte ich mir gestatten, Ihnen anbei eine kleine Schrift[2] von mir zu übersenden. Wenn ich die Widmung des kleinen Buches „dem Dichter“ mache, so muss ich aber ausdrücklich bemerken, dass ich den Politiker davon ausnehme: denn Ihre politischen Anschauungen[3], die Sie[a] ja sehr deutlich zum Ausdruck gebracht haben, muss ich prinzipiell und ganz entscheiden ablehnen, ohne jedoch Veranlassung zu nehmen, hierauf näher einzugehen.
Ich weiss nicht, inwieweit Sie noch Ihre juristischen Studien fortsetzen, doch werden Sie auf jeden Fall noch juristische Interessen haben und so darf ich Sie vielleicht darauf hinweisen, dass ich in der „Philosophie des Als Ob“ deren Prospekt auch der kleinen Nietzsche-Schrift beigefügt ist, die juristischen Fiktionen untersucht und mit dem fiktiven Verfahren in anderen Wissenschaften verglichen habe, derart, dass ich das fiktive Denken überhaupt zur Grundlage einer allgemeinen Weltanschauung machen konnte. Dementsprechend bringen die sich daran anschliessenden „Annalen der Philosophie“ auf juristische Beiträge, wie deren Programm ergibt, das beiliegt. Aber die Zeitschrift bringt auch literarische Beiträge, so im 1. Heft des 2. Bandes einen Artikel[4] über den biologischen Wert der Illusion nach den Dichtungen von Thomas Mann. Überhaupt wird in der „Philosophie des Als Ob“ die Bedeutung der ästhetischen Illusion oder der bewussten Selbst|täuschung bei jedem künstlerischen Schaffen und Geniessen ausführlich gewürdigt. Der Tübinger Kunsthistoriker Konrad Lange hat dies Gebiet in Übereinstimmung mit der Philosophie des Als Ob in seinem Werk über „Das Wesen der Kunst“[5] in dieser Hinsicht speziell dargestellt. Die Kunst und speziell die Dichtkunst[b] einerseits und die Philosophie andererseits haben ja stets in Deutschland in fruchtbarer Wechselwirkung gestanden.
Mit vorzüglicher Hochachtung
vaihinger.
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
2↑kleine Schrift ] vgl. Vaihinger: Nietzsche als Philosoph. 4., vom Verfasser neu durchgesehene Aufl., Feldausgabe, erstes bis zehntes Tausend. Berlin: Reuther & Reichard 1916; liegt nicht bei.3↑politischen Anschauungen ] Wegner war Pazifist, Antimilitarist und Kriegsdienstgegner. Er engagierte sich 1919 für die Gründung des Bundes der Kriegsdienstgegner.4↑einen Artikel ] vgl. Max Huettner: Der biologische Wert der Illusion, das Stoffproblem Thomas Manns. In: Annalen der Philosophie. Mit besonderer Rücksicht auf die Probleme der Als Ob-Betrachtung 2 (1921), S. 86–99.5↑„Das Wesen der Kunst“ ] vgl. Konrad Lange: Das Wesen der Kunst. Grundzüge einer illusionistischen Kunstlehre. Berlin: Grote 1901; 2. Aufl. 1907.▲