Bibliographic Metadata
- TitleAlma von Hartmann an Vaihinger, Berlin, 18.4.1919, 3 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXII, 2 f, Nr. 5
- Creator
- Recipient
- Participants
- Place and Date of Creation
- Series
- Physical LocationStaats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXII, 2 f, Nr. 5
- URN
- Social MediaShare
- Archive
- ▼
Alma von Hartmann an Vaihinger, Berlin, 18.4.1919, 3 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXII, 2 f, Nr. 5
Berlin S. d. 18. April 1919
Hasenheide 67
Hochverehrter Herr Professor.
Dr. Liebert hatte mich schon von dem Ergebniß des Preisausschreibens[1] unterrichtet. Der Ausfall war mir überraschend. Eine Dame und ein katholischer Priester als Preisträger! Wenn ich mir denke, daß mein Gatte sich zeitlebens ablehnend verhalten hat gegen die allzu stark betonten Bildungsbestrebungen der Frauen, und den Kampf gegen den Katholizismus auf den Gebieten der Ethik und Politik mit allen ihm zu Gebote stehenden Kräften geführt hat, berührt es fast wie eine Ironie, daß grade eine Frau und ein katholischer Priester sich soweit in die Hartmannsche Gedankenwelt vertieft haben, daß sie im Preisausschreiben den Sieg davon getragen haben. Sowohl der Dame wie dem Priester ist es verwehrt, für Hartmann einzutreten, ersterer, weil ihr die | von Ihrem[a] Geschlecht gezogenen Grenzen das verwehren, letzterem, weil der Bann seiner Kirche ihn überall einengt; Sie können also ermessen, daß mir das Ergebniß des Preisausschreibens eine Enttäuschung bereitete. Das, was ich gewünscht hatte, ist nicht eingetroffen, daß nämlich eine größere Anzahl rein wissenschaftlicher Arbeit hingegebener junger Männer sich an dem Wettbewerb beteiligen und dadurch für das Hartmannsche Lebenswerk gewonnen werden sollten.
Meine Dankesschuld für die drei Herren, die sich der Mühen der Preisrichterschaft unterzogen haben, bleibt durch das Ergebniß selbstverständlich unvermindert.
Ebenso selbstverständlich ist es, daß ich die einmal ausgesetzte Summe[2] nicht zum Teil wieder zurücknehme, sondern sie der Gesellschaft zur Verfügung stelle. Obgleich es mir auch hier als eine ganz eigentümliche Führung erscheint, daß ich in einem Jahr zweimal[3] veran|laßt werde, beträchtliche Summen für Druckkosten anderer Autoren auszugeben, während mir der Neudruck des „Sittlichen Bewußtseins“[4], das schon seit ungefähr sechs Jahren im Buchhandel vergriffen ist, eben wegen der hohen Druckkosten nicht vergönnt wird. Da ich nicht zu den Kriegsgewinnern, sondern sehr stark zu den Kriegsverlierern gehöre, ist mein früher nicht unbeträchtliches Vermögen durch Zuwendungen an meine Kinder so zusammengeschmolzen, daß ich nicht weiß, ob ich noch in der Lage sein werde, einen selbständigen Haushalt führen zu können, wenn meine Tochter[5] sich wieder von mir trennt. An eine Übernahme der etwa zwölftausend M. betragenden Druckkosten des „Sittlichen Bewußtseins“ darf ich also nicht denken, so sehr mir grade dieses Werk am Herzen liegt.
Mit verbindlichstem Gruß und Dank Ihre ergebene
Alma v. Hartmann.
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Ergebniß des Preisausschreibens ] vgl. Alma von Hartmann an Vaihinger vom 2.4.1912 sowie die Ausschreibung der 6. Preisaufgabe der Kantgesellschaft: Eduard von Hartmanns „Kategorienlehre“ und ihre Bedeutung für die Philosophie der Gegenwart. In: Kant-Studien 17 (1912), S. 334–336. Preise wurden vergeben an Martha Ulrich, Nervenärztin aus Berlin (2. Preis: 1000 Mark) und Johannes Hessen, katholischer Theologe aus Lette bei Münster (3. Preis: 500 Mark; ein erster Preis wurde nicht vergeben), vgl. den Bericht in: Kant-Studien 24 (1919/1920), S. 182–195, mit Viten.4↑Neudruck des „Sittlichen Bewußtseins“ ] vgl. Eduard von Hartmann: Phänomenologie des sittlichen Bewußtseins. Eine Entwicklung seiner mannigfaltigen Gestalten in ihrem inneren Zusammenhange. 3. Aufl. Berlin: Wegweiser-Verlag 1922 (2. Aufl. 1886).▲