Bibliographic Metadata
- TitleTraugott Konstantin Oesterreich an Vaihinger, Tübingen, 21.11.1917, 4 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXIII, 1 f
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- Physical LocationStaats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXIII, 1 f
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Traugott Konstantin Oesterreich an Vaihinger, Tübingen, 21.11.1917, 4 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXIII, 1 f
Tübingen 21.XI.17.
Hochverehrter Herr Geheimrat!
Für die überaus gütige Bewilligung einer neuen Note aus dem Kriegsunterstützungsfonds der Kantgesellschaft[1] erlaube ich mir Ihnen meinen herzlichen Dank zu sagen. Und auch dafür danke ich Ihnen sehr, daß Sie mich nach Marburg empfohlen[2] haben. Daß bei meinem Vortrag in Berlin[3] mehrere Zuhörer sich über meine Stimme beklagt haben, ist mir natürlich sehr fatal. Als allgemeiner Vorwurf ist es sicherlich unberechtigt, wenn meine Stimme als zu leise bezeichnet wird. Es ist das erste Mal, daß ich eine derartige Klage gehört habe, und auch damals, wo ich freilich stark erkältet war, ist die Meinung | offenbar nicht einstimmig gewesen. Es wurde mir schon damals von einem Herrn, der auch in dem Vortrag gewesen war und der ziemlich weit hinten saß, erklärt, er begreife garnicht[a], daß[b] über Schwerverständlichkeit von einer Seite geklagt worden sei.
Auch in der jetzigen Kriegszeit kommen stets meine Kollegs zustande. Was mir am meisten Freude macht, ist, daß gerade die Begabteren und philosophisch Interessierten zu mir kommen. Ich habe im vorigen Semester sogar über ein so abseits gelegenes Thema wie Plotin Übungen mit reiferen, z. T. schon in ihrer akademischen Bildung abgeschlossenen Teilnehmern zustande gebracht. Einer der Teilnehmer | macht augenblicklich seine Doktorarbeit bei mir. Auch darf ich vielleicht erwähnen, daß mir seiner Zeit Herr Dr. Endriss[c][4] nach bestandenem Doktorexamen [der ein Semester in Tübingen studiert und bei mir gehört hatte][d] einen freilich etwas enthusiastischen Brief schrieb, indem[e] er erklärte, er würde sich mich auch als Dozenten zum Vorbild nehmen. Das wäre wohl kaum möglich, wenn ich wirklich so unerträglich wäre.
Der Vorfall mit Berlin zeigt allerdings, daß man vor einem unbekannten größeren Kreis nicht sprechen soll, wenn man irgendwie indisponiert ist.
Mit nochmaligem aufrichtigem | Dank in unverbrüchlicher Verehrung Ihr sehr ergebener
K Oesterreich
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Kriegsunterstützungsfonds der Kantgesellschaft ] vgl. zu Entstehung, Ausstattung und Vergabe dieses Fonds Vaihinger / Liebert, Arthur / Meyer, Gottfried: Bericht über die Fonds der Kantgesellschaft. In: Kant-Studien 25 (1920), S. 78–83, hier S. 81–83; vgl. zu einer durchgeführten Zahlung an Oesterreich und dem Vorschlag einer weiteren Zahlung Vaihinger an Gottfried Meyer vom 17.12.1915.2↑nach Marburg empfohlen ] etwaiges Empfehlungsschreiben Vaihingers nicht ermittelt. Es geht womöglich um die Nachfolge für Georg Misch, der seit 1911 ao. Prof. in Marburg war und 1916 einen Ruf nach Göttingen erhalten hatte (angetreten 1919); sein Nachfolger wurde 1918 Max Wundt (BEdPh).3↑Vortrag in Berlin ] nicht ermittelt, sofern nicht der Vortrag gemeint ist, den Oesterreich am 14.4.1915 im Rahmen der Berliner Kant-Abende der Kantgesellschaft gehalten hatte, vgl. dazu die gedruckte Fassung: Oesterreich: Die religiöse Erfahrung als philosophisches Problem (= Philosophische Vorträge veröffentlicht von der Kant-Gesellschaft. Unter Mitwirkung von Ernst Cassirer und Max Frischeisen-Köhler hg. v. Arthur Liebert). Berlin: Reuther & Reichard 1915; die Übersicht in Kantstudien 20 (1915), S. 346; sowie den kurzen Bericht zu den Teilnehmern der Diskussion nach dem Vortrag in: Kantgesellschaft (Hg.): III. Bericht über die Vorträge der Kantgesellschaft (Vortrag 16–26). Beilage zu den Kantstudien, Bd. XX, 1915, Heft 2–3 [mit eigener Seitenzählung], S. 22. Digitalisat: https://archive.org/details/kantstudienphilo20kantuoft/ [Beilage nach S. 346] (16.5.2024). Im Rahmen der Berliner Kant-Abende ist kein weiterer Vortrag Oesterreichs im entsprechenden Zeitraum nachgewiesen, vgl. die Übersichten bzw. Berichte in Kantstudien 18 (1913), S. 334, Kantstudien 19 (1914), S. 299–302, Kantstudien 21 ([1916]/1917), S. 474 sowie Kantstudien 22 ([1917]/1918), S. 505–506.4↑Herr Dr. Endriss ] Gemeinter nicht ermittelt. Das Personal-Verzeichnis der königlich württembergischen Eberhard-Karls-Universität Tübingen verzeichnet unter den Studierenden vom Wintersemester 1909/1910 bis zum Wintersemester 1911/1912 sowie für das Sommersemester 1913 Karl Endreß, Immatrikuliert für Medizin, Näheres nicht ermittelt; ab dem Wintersemester 1916/1917 werden die Namen der Studierenden nicht mehr verzeichnet; womöglich ist Karl Ferdinand Endriß (1894–1941), Philosoph u. Pädagoge, gemeint, für den jedoch kein Studium in Tübingen ermittelt ist, vgl. Reiff, W.: Karl Emil Endriß. In: Lebensbilder aus Schwaben und Franken. Bd. 11, hg. v. Max Miller u. Robert Uhland. Stuttgart: Kohlhammer 1969, S. 392–408, hier S. 404, sowie https://d-nb.info/gnd/116495871 (14.5.2024).▲