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- TitleHermann Bahr an Vaihinger, Salzburg, 17.8.1916, 2 S., hs., Briefkopf als Stempel HERMANN BAHR | SALZBURG | SCHLOSS ARENBERG, Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 2 e, Nr. 2
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- Physical LocationStaats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 2 e, Nr. 2
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Hermann Bahr an Vaihinger, Salzburg, 17.8.1916, 2 S., hs., Briefkopf als Stempel HERMANN BAHR | SALZBURG | SCHLOSS ARENBERG, Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 2 e, Nr. 2
17.8.16
Sehr verehrter Herr Geheimrat!
Empfangen Sie meinen allerherzlichsten Dank für die große Freude, die mir Ihr so gütiger Brief[1] bereitet hat! Daß Sie meinen Roman[2] und dem Malerbüchl[a][3], deren Zusendung mir ein Zeichen meiner Empfindung, wie tief ich Ihnen für „Als Ob“, diese befreiende, wegweisende, Leben bringende Tat, verpflichtet[b] bin, sein sollte, daß Sie diesen beiden Dankesboten die Ehre erweisen, sinnend bei Ihnen zu verweilen, beglückt und rührt mich. Hoffentlich haben sie Ihnen von Seite zu Seite immer wieder gesagt, wie unendlich stark Ihr Werk auf mich gewirkt hat: in einer Zeit, wo ich daran war, ins „ewig Leere“ zu stürzen, bin ich[c] auf den sanften Fittigen einer vermeintlichen „Täuschung“ zur Wahrheit emporgehoben worden. Denn eine mir „notwendige“, mich befruchtende, Kraft und Sicherheit spendende „Täuschung“ ist doch keine, ist doch jedenfalls wahrer als eine lähmende, mich ins Nichts wegwerfende, tödtliche „Wahrheit“ – oder ich verstehe meine Muttersprache nicht mehr! Was wäre denn wahr als was sich bewährt und mich bewahrt?
Herzlichen Dank auch für die würdige Abrechnung[4] mit dem wunderlichen Kläffer[5], dem Kant, | Katholizismus und Naturwissenschaften gleich verdächtig sind. Auf die verheißene Feldausgabe[6] Ihres Nietzsche freue ich mich sehr.
Und nun lassen Sie mich von Herzen den innigen Wunsch aussprechen, daß Ihren Augen Genesung werde, so daß Sie, sehr verehrter Herr Geheimrat, sich bald wieder mit ganzer Kraft und frisch auflebender Zuversicht Ihrer so großen, vor allem dem kommenden Geschlechte den Pfad zur Tat ebnenden Arbeit widmen können.
In aufrichtiger Bewunderung und Verehrung.
Ihr dankbar ergebener
Hermann Bahr
Kommentar zum Textbefund
a↑Malerbüchl ] Lesung unsicher; vgl. Hermann Bahr: Expressionismus. München: Delphin-Verlag 1916. Darin kein Bezug auf Vaihinger.Kommentar der Herausgeber
2↑meinen Roman ] meint Bahr: Himmelfahrt. Berlin: S. Fischer 1916; vgl. Vaihinger an Bahr vom 1.6.1916.3↑Malerbüchl ] vermutlich gemeint Bahr: Expressionismus. Mit 19 Tafeln in Kupferdruck. München: Delphin 1916 (ein Exemplar befand sich in Vaihingers Besitz, vgl. https://chssl.lib.hit-u.ac.jp/images/2020/02/Catalog_Hitotsubashi_Soda.pdf (18.9.2024), Sp. 572). Vgl. Vaihinger an Bahr vom 2.8.1916.4↑Abrechnung ] vgl. Vaihinger: Die Philosophie des Als Ob und das Kantische System gegenüber einem Erneuerer des Atheismusstreites. In: Kant-Studien 21 ([1916]/1917), S. 1–25. Dass. in: H. V. (Hg.), mit Bruno Bauch: Kant-Studien Bd. XXI. Heft 1. Fest-Heft zu Rudolf Euckens 70. Geburtstag. Redaktionsschluss am 15. Dezember 1915. Ausgegeben am 5. Januar 1916. Berlin: Reuther & Reichard 1916, S. 1–25. Sonderdruck u. d. T.: Der Atheismusstreit gegen die Philosophie des Als Ob und das Kantische System. Berlin: Reuther & Reichard 1916.5↑Kläffer ] Lesung unsicher; gemeint ist jedenfalls Hugo Bund bzw. dessen: Kant als Philosoph des Katholizismus. Berlin: Carl Hause 1913.6↑Feldausgabe ] vgl. Vaihinger: Nietzsche als Philosoph. 4., vom Verf. neu durchgesehene Aufl., Feldausgabe, erstes bis zehntes Tausend. Berlin: Reuther & Reichard 1916.▲