Bibliographic Metadata
- TitleVaihinger an Hans Prager, Halle, 5.10.1914, 1 S., Ts. mit eU und vereinzelten hs. Korrekturen, Wienbibliothek im Rathaus, Wien, H.I.N.-131824
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- Physical LocationWienbibliothek im Rathaus, Wien, H.I.N.-131824
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Vaihinger an Hans Prager, Halle, 5.10.1914, 1 S., Ts. mit eU und vereinzelten hs. Korrekturen, Wienbibliothek im Rathaus, Wien, H.I.N.-131824
Halle a. S. Reichardtstr. 15
5.10.14.
Herrn Dr. Prager
Wien.
Sehr geehrter Herr Doktor!
Verbindlichsten Dank für Ihre freundliche Karte[1], die mich sehr erfreut hat, da sie mir meldet, dass es Ihnen gut geht, insbesondere freue ich mich, dass Sie sich wieder so weit wohl befinden, dass Sie wieder an wissenschaftliche Arbeit denken können.
Auch mir geht es natürlich so wie Ihnen: Philosophische Arbeit ist unter den jetzigen Umständen nicht recht möglich, doch gibt es ja für mich noch allerlei zu tun, dazu gehört die Korrespondenz mit meinen Freunden und so freue ich mich[a], auch Ihnen schreiben zu können.
Der Krieg, der so vieles zerstört, hat auch mir persönlich einen überaus grossen Schaden gebracht: eine französische Übersetzung meines Buches[2] war schon in Angriff genommen, der Vertrag mit der Firma Felix Alcan in Paris schon geschlossen. Der Übersetzer, der nebenbei bemerkt ein geborener Österreicher ist, (ein Dr. Mens, der aber seit vielen Jahren in Paris lebt) ist jetzt gar nicht mehr in Paris, sondern in Christiania. Eine französische Übersetzung kann auf Jahre hinaus schwer erscheinen. Auch Übersetzungen ins Russische und ins Englische waren in Aussicht genommen und sind natürlich jetzt ebenso unmöglich. Eine amerikanische Übersetzung soll in die Wege geleitet werden und vielleicht auch eine italienische. Aber das ist natürlich alles behindert, solange der Krieg dauert.
Es sind natürlich viele Mitglieder der Kantgesellschaft in den Krieg gezogen. Eine Versendung der Publikationen an diese Mitglieder, sowie an die Ausländer in denen mit uns Krieg führenden Staaten ist natürlich unmöglich. Etwa 50 Mitglieder haben für das Jahr 1914 noch nicht bezahlt und diese Beiträge sind nicht mehr zu bekommen, so haben wir schon für das Jahr 1914 einen Ausfall von 1000 M und wir werden im folgenden Jahre einen noch viel grösseren Ausfall haben, aber wir hoffen doch, durch die schwere Zeit hindurch zu kommen.
Es wird Sie interessieren, zu erfahren, dass am Mittwoch 14. ds.[b] Prof. Hermann Cohen, früher in Marburg, jetzt in Berlin, daselbst einen Vortrag in der K[ant] G[esellschaft] halten wird: „Über das Eigentümliche des deutschen Geistes[c]“. Der Vortrag wird dann im Druck[3] erscheinen.
Mir persönlich geht es erträglich, doch hat mein Augenleiden immer mehr zugenommen; in meiner Familie geht es soweit gut. Mein einziger Sohn[4] ist leider zurückgestellt, hoffentlich kann er sich später doch noch an dem Kampfe beteiligen. Sollten Sie doch noch einberufen werden[5], so wünsche ich Ihnen insofern dazu Glück, als das ein Zeichen dafür wäre,[d] dass Ihre Gesundheitsverhältnisse jetzt günstigere sind. Möge uns dann allen ein frohes Wiedersehen beschieden sein. Dieser Wunsch erstreckt sich insbesondere auch noch auf Herrn Dr. Ewald. Sein Jahresbericht pro 1913[6] ist zum Glück noch vor dem Kriege bei uns eingelaufen[e] und wird noch in diesem Winter gedruckt. Die Korrekturen wird er freilich nicht selbst lesen können.
Mit besten Grüssen und Wünschen Ihr treu ergebener
Vaihinger
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
2↑Übersetzung meines Buches ] vgl. die annotierte Bibliographie in Bohr/Hartung: Forschungsgrundlagen Hans Vaihinger zu Übersetzungen von: Die Philosophie des Als Ob (1911).3↑im Druck ] vgl. Cohen: Über das Eigentümliche des deutschen Geistes. Berlin: Reuther & Reichard 1914 (Philosophische Vorträge. Veröffentlicht von der Kantgesellschaft, Nr. 8).6↑Jahresbericht pro 1913 ] vgl. Oskar Ewald: Die deutsche Philosophie im Jahre 1913. In: Kant-Studien 20 (1915), S. 29–64.▲