Bibliographic Metadata
- TitleVaihinger an Hans Prager, Halle, 12.9./16.9.1913, 7 S., hs. (andere Hd., mit eU und eigenhändigem Postskriptum), Briefkopf GEH. REG.-RAT | PROF. DR. H. VAIHINGER. | Halle a. S., d. … 19 | Reichardtstr. 15., Wienbibliothek im Rathaus, Wien, H.I.N.-131821
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- Physical LocationWienbibliothek im Rathaus, Wien, H.I.N.-131821
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Vaihinger an Hans Prager, Halle, 12.9./16.9.1913, 7 S., hs. (andere Hd., mit eU und eigenhändigem Postskriptum), Briefkopf GEH.[a] REG.-RAT | PROF. DR. H. VAIHINGER. | Halle a. S., d. … 19 | Reichardtstr. 15., Wienbibliothek im Rathaus, Wien, H.I.N.-131821
Sehr geehrter Herr Doktor!
Als ich am 26. August[1] an Sie schrieb, gab ich meiner Hoffnung Ausdruck, Sie würden zum aesthetischen Kongreß nach Berlin kommen, und dabei Halle passieren. Leider war das nicht der Fall, ebenso hatte auch leider Jerusalem seine geplante Reise aufgegeben. Wo mögen Sie nun gegenwärtig weilen? Hoffentlich erreicht diese Sendung Sie, vielleicht irgendwo in Italien.
Heute sende ich Ihnen eine von meinem Verleger herausgegebene Übersicht der Urteile über mein Buch[2], in welcher Sie ja auch schon mehrfach figurieren. Es konnte leider nur eine Ihrer Besprechungen mit Ihrem Namen signiert werden, da die Verlagsbuchhandlung | meinte, daß die Wiederkehr desselben Namens in dem Prospekt nicht angängig sei.
Zu den beiden Schriften, welche am Schluß des Prospektes aufgeführt sind, ist nun unterdessen eine neue gekommen: „Die[d] Wahrheit, ein erkenntnistheoretischer Versuch mit besonderer Rücksicht auf Husserl, Rickert u. Vaihinger’s Philosophie des Als Ob“ von Dr. Adolf Lapp[3].[e] Von dieser Schrift ist auch ein Rezensions-Exemplar an die Zeitschrift für Philosophie gegangen, und der Verfasser hat der Redaktion mitgeteilt, daß er wünscht, von Ihnen besprochen zu werden[4], da Sie ja auch meine „Philosophie des Als Ob“ in derselben Zeitschrift besprochen haben[5]. Es würde mich freuen, wenn die Redaktion auf diesen Wunsch des Verfassers eingeht und würde mich freuen, wenn Sie, falls die Redaktion sich wirklich an Sie wendet, diesen Antrag annehmen.
Der Verfasser steht im wesentlichen auf dem Standpunkt meiner Philosophie des Als Ob, | aus der er schließlich freilich Konsequenzen zieht, die ich wohl nicht alle unterschreiben könnte. Doch kann ich das selbst kaum beurteilen, da mein Augenleiden mich daran hindert, die Schrift so zu studieren, wie ich es möchte. Die Kritik, welche der Verfasser an Rickert u. Husserl übt, ist natürlich ebenfalls vom Standpunkt meiner Philosophie aus gemacht und scheint mir besonders beachtenswert zu sein, soweit ich das beurteilen kann.
Falls Sie die Besprechung übernehmen, so wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie dem Verfasser, den ich auch persönlich kenne und dem ich auch persönlich nahe stehe, trotz Ihrer prinzipiellen Gegnerschaft mit Wohlwollen entgegenkommen würden. Er ist ein junger aufstrebender Schriftsteller, welcher verdient, daß man diesen seinen Erstlingsversuch mit Nachsicht aufnimmt. Er wird sich gewiß gerne | belehren lassen, wenn die Belehrung nur in wohlwollender Weise erfolgt; und so möchte ich Sie bitten, das Büchlein in einer derartigen Weise in die literarische Welt einzuführen, daß der Verfasser ermutigt wird, sich weiter mit Philosophie zu beschäftigen. Er verdient das um so mehr, als er tapfer und mutig sich durch das Leben schlägt, da er als Literat ganz auf eigenen Füßen stehen muß.
Ich benütze die Gelegenheit, um Sie schon jetzt zur Generalversammlung der Kantgesellschaft einzuladen. Wir feiern bei dieser Gelegenheit das 10 jährige Bestehen der Gesellschaft. Als Festredner sprechen: Prof. Bauch-Jena über den „Begriff des Naturgesetzes“ und Prof. Krueger-Halle über den „Begriff des Wertes“. Diese beiden Vorträge ergänzen sich in der glücklichsten | Weise[f], denn sie behandeln die beiden Grundprobleme der Philosophie der Gegenwart. Auch die Vortragenden selbst werden sich sachlich gegenseitig ergänzen, insofern der eine der Neukantischen Richtung angehört, der andere der psychologischen aber doch immerhin an Kant orientierten Richtung. Wir erwarten bei dieser Gelegenheit mit Sicherheit ca. 100 Teilnehmer aus den verschiedensten Gegenden Deutschlands sowie aus des Auslandes[g], so daß auch diesmal wieder reiche Gelegenheit gegeben sein wird zur Anknüpfung wissenschaftlich und persönlich wertvoller Beziehungen.
Ich würde mich sehr freuen, Sie bei | dieser Gelegenheit wiederzusehen und schließe mit herzlichen Grüßen und Wünschen als Ihr ergebener
Vaihinger
P. S.[h]
Von dem Prospekt sende ich mehrere Exemplare, da Sie vielleicht Lust und Gelegenheit haben, ein Exemplar Diesem oder Jenem Interessenten zu geben.
Es wird mich sehr interessieren, zu erfahren, wie es Ihnen ergeht, und was Sie treiben. | Es wird Sie noch interessieren zu erfahren, daß ein gewisser Trebitsch[6], den Sie in der Zeitschrift für Philosophie mit Recht stark mitgenommen haben, den Kantstudien eine stark unverschämte Entgegnung eingesendet hat, die wir natürlich nicht aufgenommen haben.
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
4↑von Ihnen besprochen zu werden ] Rezension nicht nachgewiesen. Prager war regelmäßiger Rezensent in: Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik.6↑Trebitsch ] gemeint ist vermutlich Arthur Trebitsch (1880–1927), Laienphilosoph und antisemitischer Schriftsteller (https://www.biographien.ac.at/oebl/oebl_T/Trebitsch_Arthur_1880_1927.xml (17.9.2024)).▲