Bibliographic Metadata
- TitleVaihinger an Hans Lindau, Halle, 26.4.1909, 5 S., hs. (andere Hd., mit eU), Briefkopf KANTGESELLSCHAFT. | GESCHÄFTSFÜHRER: PROF. DR. H. VAIHINGER | Halle a. S., d. … 190 | Reichardtstr. 15., Deutsches Literaturarchiv Marbach, A:Lindau, Paul 59.613/1–12
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- Physical LocationDeutsches Literaturarchiv Marbach, A:Lindau, Paul 59.613/1–12
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Vaihinger an Hans Lindau, Halle, 26.4.1909, 5 S., hs. (andere Hd., mit eU), Briefkopf KANTGESELLSCHAFT. | GESCHÄFTSFÜHRER: PROF. DR. H. VAIHINGER | Halle a. S., d. … 190 | Reichardtstr. 15., Deutsches Literaturarchiv Marbach, A:Lindau, Paul 59.613/1–12
26.4.1909
Hochgeehrter Herr Dr.!
Es tut mir außerordentlich leid, Ihnen mitteilen zu müssen, daß gerade Ihre Arbeit keinen Preis davongetragen hat; wie Sie ja wohl auch schon aus den Zeitungen entnommen haben. Wenn nicht 7 Arbeiten eingelaufen wären, darunter 3 welche prämiert worden sind, so hätte sicher Ihre Arbeit auch einen Preis davongetragen, denn sie wurde unmittelbar nach diesen drei genannt und die Preisrichter haben von derselben sehr viel Lobendes zu sagen gewußt. Freilich betrachteten sie die Arbeit mehr als eine literatur-historische denn als eine philosophische im enge|ren Sinne des Wortes. Sie werden das Nähere ja in dem Bericht des Preisgerichts[1] finden, welchen ich Ihnen in einiger Zeit[2] zugänglich machen werde und der auch in den „Kantstudien“ gedruckt werden wird, (natürlich bei den nichtprämierten ohne Nennung des Namens)[a]. Ich hatte absolut keine Ahnung davon, daß Sie der Bearbeiter seien. Wir hatten öfters davon gesprochen, wer wohl der Verfasser sein möge. Ich selbst habe die Arbeit ja nicht gelesen, aber ich habe doch aus der Inhaltsangabe gemerkt, daß dieselbe mit sehr viel Geist abgefaßt ist.
Lassen Sie sich also durch dieses Resultat nicht entmutigen sondern arbeiten Sie ruhig weiter, indem Sie die in dem Urteil erwähnten Mängel und | Lücken Ihrer Arbeit nachträglich vielleicht noch entfernen können, denn es wäre nach dem Bericht zu schließen in der Tat sehr bedauerlich, wenn Ihre ganze Arbeit vergeblich gemacht wäre. Sie dürfen vielmehr eben auf Grund dieses Berichts durchaus den Entschluß fassen, die Arbeit zu publizieren[3].
Es hat mir sehr leid getan, daß Sie nicht am Tage der General-Versammlung[4] hierher kommen konnten. Hoffentlich finden Sie ein anderes Mal eine Veranlassung dazu. Wie wäre es, wenn Sie selbst persönlich hierher kämen und Ihr Manuskript abholten? Es würde mich sehr freuen Ihre persönliche Bekanntschaft zu machen, nachdem ich aus Ihrem Briefe mir ein Bild von Ihnen gemacht habe. | Bitte überlegen Sie sich dies einmal oder vielmehr überlegen Sie es sich nicht lange sondern kommen Sie. Vielleicht können Sie gerade zum nächsten Donnerstag den 29. hierher kommen, da habe ich Mittags um 1½ eine kleine Gesellschaft, lauter junge Herrn und junge Gelehrte, eingeladen, darunter auch den Herrn Otto Lempp, der den ersten Accessitpreis davongetragen hat. In der Hoffnung, daß Sie meine Einladung annehmen werden, zeichne ich mit verbindlichem Gruß Ihr ganz ergebener
H. Vaihinger[b]
P. S. Sie können ganz bequem in einem Tage hin und zurück von Berlin. Wenn Sie hier auf dem Bahnhof ankommen, fahren Sie am bequemsten mit der | Elektrischen Bahn „Cröllwitz“ bis zur La Fontaine Strasse (Wettiner Platz) in dessen unmittelbarer Nähe auch die Reichardtstraße sich befindet.
V.
Da Sie in Einem Tag hin und zurück kommen können, werden Sie vielleicht auch Ihren Herrn Vater[5] auf so kurze Zeit verlassen können, (mit dem ich im Jahre[c] 1876 als unbekannter junger Mann eine kurze persönliche Berührung gehabt habe) dessen[d] literarisches Talent ich stets bewundert habe.
V.[e]
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Bericht des Preisgerichts ] vgl. das Gutachten über Arbeit Nr. 4 im Bericht der Preisrichterkommission (Paul Menzer, Paul Natorp, Theobald Ziegler) über die 2. Preisaufgabe der Kantgesellschaft (Walter Simon-Preisaufgabe), Thema: Das Problem der Theodicee in der Philosophie und Litteratur des 18. Jahrhunderts, mit besonderer Rücksicht auf Kant und Schiller. In: Kant-Studien 14 (1909), S. 315–316.3↑die Arbeit zu publizieren ] vgl. Hans Lindau: Die Theodicee im 18. Jahrhundert. Entwicklungsstufen des Problems vom theoretischen Dogma zum praktischen Idealismus. Leipzig: Engelmann 1911.5↑Herrn Vater ] der Schriftsteller und Theaterintendant Paul Lindau (1839–1919), vgl. https://deposit.dnb.de/dea/Lindau/lindau-biografie.pdf (22.11.2022).▲