Bibliographic Metadata
- TitleVaihinger an Ernst Dümmler, Halle, 14.1.1893, 5 S., hs., Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, NL Dümmler
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- Physical LocationBerlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, NL Dümmler
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Vaihinger an Ernst Dümmler, Halle, 14.1.1893, 5 S., hs., Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, NL Dümmler
Halle a/S. den 14.I.1893.
Hochzuverehrender Herr Geheimer Regirungsrath!
Die Rathschläge, die Sie, verehrter Herr Geh. Reg. Rath in Ihrem gütigen Briefe[1] vom 15.XII. v[origen] J[ahres] zu geben die Freundlichkeit hatten, haben insofern schon Frucht getragen, als denn in der That Uphues, der in der ganzen Angelegenheit sehr treu zu mir gestanden hat, ein Gesuch um Gehalt[2] an den Minister abgesendet hat. Derselbe hat auch unterdessen von Althoff eine private Aufforderung erhalten, dieses sein Gesuch zu erneuern, und mit Empfehlungen von | hier aus versehen zu lassen. Aus anderer sehr guter Quelle hat derselbe im Zusammenhang damit auch erfahren, daß auch Althoff nicht damit einverstanden ist, daß nur Husserl allein von dem Tod des alten Erdmann Gewinn ziehen soll, daß auch Uphues bei dieser Gelegenheit zu festem Gehalt gelangen soll. Daß dies die eigentliche Hauptfrage, die Besetzung des Ordinariates selbst, fördern werde, glaube ich eigentlich nicht mehr; die Sache wird[a] wohl auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Dazu haben auch die unrichtigen, absichtlich übertriebenen Nachrichten beigetragen, welche über meine finanzielle Stellung durch Conrad[3] an den Minister gebracht worden sind: als ob ich in Hülle und Fülle lebte[4]. Nun haben wir zwar dank dem kleinen Vermögen meiner Frau | keine Nahrungssorgen, aber eine Aufbesserung meines blos 2500 Mark betragenden Gehaltes könnte ich sehr wohl brauchen, insbesondre um für die Vollendung des Kantcommentars mir die nöthigen vielen deutschen und ausländischen Bücher anschaffen zu können, und eventuell einmal in Berlin oder Königsberg einige Wochen auf den dortigen Bibliotheken arbeiten zu können. Ich beabsichtige deshalb auch, jetzt um Gehaltserhöhung einzukommen; dadurch hoffe ich auch den, meiner Beförderung schädlichen Mythus von meiner glänzenden Lage zu zerstören.
Uphues ist mit Recht sehr empört darüber, daß B. Erdmann[b] hier die Sache dahin drehen will, daß statt der Besoldung des Ordinariates ein neuer Extraordinarius ernannt wird, der festen Gehalt bekommen soll, während er selbst noch keinen hat; es ist Erdmanns | ausgesprochene Meinung, die 3 Extraordinarien könnten sich gegenseitig aufreiben, wenn nur das Ordinariat unbesetzt bleibe. Sind 3 Extraordinarien da, dann ist natürlich eine Besetzung des Ordinariats erst recht nicht mehr nothwendig. Dem Kollegen Husserl wäre ja an sich eine Beförderung sehr zu gönnen, obgleich er als österreichischer Unterthan[5], der noch im österreichischen Militärverband ist, weniger gegründeten Anspruch auf Gehalt hat, als Uphues, ein preußischer Unterthan und älterer Mann. Aber daß er allein von der ganzen Sache Vortheil haben soll, finden wir unbillig; darum will Uphues um Gehalt, ich selbst um Gehaltserhöhung einkommen.
Ihre uns mehrfach bewiesene außerordentlich gütige Theilnahme ermutigte mich, Ihnen diese Mittheilungen zu machen; hat doch Ihr gütiger Rathschlag uns diesen Weg gezeigt. Für jeden ferneren Wink und jede Hilfe herzlich dankbar Ihr aufrichtig ergebenster
H. Vaihinger. |
P. S.
Das Verhalten von Zeller in der ganzen Sache ist uns räthselhaft[c]. Zeller hat mich früher sehr begünstigt[6], hat sich über den ersten Band meines Kantcommentars sehr lobend ausgesprochen[7]; ich habe im October[8] demselben, wie auch Dilthey den II. Band meines Commentars von der Verlagshandlung übersenden lassen; Zeller hat mir bis jetzt nicht darauf gedankt, obgleich ich nicht annehmen kann, daß er den Band nicht erhalten haben sollte. Zu Neujahr habe ich ihm geschrieben[9]. Da er mit B. Erdmann hier sehr eng liirt ist, so mag er wohl sich mir gegenüber zurückhalten. Daß er aber für die Zusendung des II Bands nicht einmal rein formell gedankt hat, hat mir sehr weh gethan.
D[er] O[bige].
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
5↑österreichischer Unterthan ] Husserl war gebürtiger Österreicher (aus Proßnitz/Prostějov, Mähren).6↑mich früher sehr begünstigt ] vgl. Vaihinger an Dümmler vom 27.12.1892 sowie den Briefwechsel Vaihingers mit Eduard Zeller.▲