Bibliographic Metadata
- TitleVaihinger an Eduard Zeller, Wernigerode, 19.5.1889, 3 S., hs., Universitätsbibliothek Tübingen, http://idb.ub.uni-tuebingen.de/opendigi/Md747-782
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Vaihinger an Eduard Zeller, Wernigerode, 19.5.1889, 3 S., hs., Universitätsbibliothek Tübingen, http://idb.ub.uni-tuebingen.de/opendigi/Md747-782
Wern[igerode] 19.V.89.[a]
Hochzuverehrender Herr Geheimer Reg[ierungs]Rath und Professor![b]
Heute hier in Wernigerode bei Verwandten meiner Braut[1] zu Besuch, benutze ich eine freie Stunde, um Ihnen, sowie Ihrer verehrten Frau Gemahlin[2] für die gütige Aufnahme zu danken, welche Sie heute vor 8 Tagen uns zu Theil werden ließen. Da ich damals keine Gelegenheit hatte, mit Ihnen, hochzuverehrender Herr Geheimer Reg[ierungs] Rath, über die Kieler Angelegenheit[3] eingehend sprechen zu können, so möchte ich nach den mir zugekommenen Informationen über die Motive der in Kiel gemachten Vorschläge nur folgende kurze Mittheilung machen: die Kieler gehen | von einer scharfen Scheidung von Systematikern und Historikern[4] in der Philosophie aus. Da ich nun im Jahre 1884 daselbst als Nachfolger Benno Erdmanns[5] vorgeschlagen war für die systematische Professur, wollten sie mich jetzt für die historische Professur nicht vorschlagen. Auch gingen sie ferner von der Voraussetzung aus, der Historiker der Philosophie müßte nothwendig auf dem Gebiet der griechischen Philosophie literarisch sich bethätigt haben. Aus diesen beiden Gründen ist in Kiel von mir abgesehen worden. Mir und auch Anderen erscheinen diese beiden Gründe keineswegs stichhaltig. Wie dem auch sei, ich bedauere schmerzlich, daß mir Kiel zum zweiten Male entgehen soll, wenn ich ja gewiss gerne die dortige | Professur einem der Vorgeschlagenen (Peipers[6], Natorp, Deussen) von Herzen gönne. Aber die eigene Arbeitskraft wird durch solche Mißerfolge doch schließlich beeinträchtigt und das so sehr gesunde Klima gerade jener Universität wäre mir und meiner Kantarbeit, deren Fortsetzung[7] ich ernstlich beabsichtige und bewerkstellige, sehr zu Statten gekommen.
Entschuldigen Sie, verehrter Herr Geheimer Regierungsrath, die Freiheit, die ich mir hiermit genommen habe: ich fühlte das Bedürfnis, meinen Gefühlen diesen Ausdruck zu geben; genehmigen Sie zugleich den Ausdruck tiefster Verehrung, mit der ich zeichne als Ew. Hochwohlgeboren ganz ergebenster
H. Vaihinger.
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Verwandten meiner Braut ] vgl. Vaihinger an Althoff vom 19.5.1889 sowie Vaihingers Selbstauskunft in Hermann Degener (Hg.): Wer ist’s. 6. Ausgabe Berlin: Degener 1912, S. 1663–1664: Verh[eiratet]: 89 m[it] Elisabeth Schweigger, T[ochter] d[es] Hofbuchhändlers Ernst Schw[eigger] in Berlin.3↑Kieler Angelegenheit ] August Krohn (vgl. Vaihinger an Zeller vom 3.3.1884) war am 27.2.1889 in Wiesbaden gestorben. An seiner Stelle wurde Paul Deussen (1845–1919) berufen. Paul Natorp (1854–1924) nutzte die Platzierung auf der Liste für Nachverhandlungen des Gehaltes für seine prekäre Marburger Stellung ohne reguläres Extraordinariat (BEdPh; Helmut Holzhey: Cohen und Natorp Bd. 1. Basel/Stuttgart: Schwabe 1986, S. 11–12; Ulrich Sieg: Aufstieg und Niedergang des Marburger Neukantianismus. Die Geschichte einer philosophischen Schulgemeinschaft. Würzburg: Königshausen & Neumann 1994, S. 171–172).4↑scharfen Scheidung von Systematikern und Historikern ] vgl. Benno Erdmann an Vaihinger vom 21.4.18836↑Peipers ] gemeint ist vermutlich David Peipers (1832–1912), zuletzt Professor der Philosophie in Göttingen (NDB).7↑Kantarbeit, deren Fortsetzung ] gemeint ist Vaihingers zweibändiger Commentar zu Kants Kritik der reinen Vernunft (1881/1882 und 1892). Mehr nicht erschienen.▲