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- TitleVaihinger an Eduard Zeller, Straßburg, 11.2.1884, 7 S., hs., Universitätsbibliothek Tübingen, http://idb.ub.uni-tuebingen.de/opendigi/Md747-782
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Vaihinger an Eduard Zeller, Straßburg, 11.2.1884, 7 S., hs., Universitätsbibliothek Tübingen, http://idb.ub.uni-tuebingen.de/opendigi/Md747-782
Straßburg 11. Febr[uar] 1884.
Hochzuverehrender Herr GeheimeRath, verehrtester Herr Professor![a]
Genehmigen Ew. Hochwohlgeboren den Ausdruck des herzlichsten und tiefsten Dankes für die gütige und wohlwollende Art und Weise, in der Sie sich meiner Angelegenheit annehmen. Die mir gütigst gemachten Mittheilungen[1] sind nun freilich sehr unangenehmer Natur für mich; ich hatte doch diesmal gedacht, nach so vielen Stürmen und Enttäuschungen endlich in einen ruhigen Hafen einlaufen zu dürfen.
Besonders bedauerlich ist dabei das Mißverständniß des Herrn Geh[eimen] Rath Althoff, daß ich hier in günstiger Situation mich befinde und einen Gehalt von 2000 M. beziehe. Ich habe, erstaunt über diese Mittheilung, soeben mit dem Herrn Curator Ledderhose hier Rücksprache genommen, der dieser Tage in Berlin war, und wie er mir soeben mittheilte, | mit Herrn Geh[eimen] Rath Althoff auch über meinen Fall gesprochen hat. Herr Ledderhose war um so mehr erstaunt hierüber, als er Herrn A[lthoff] genau mitgetheilt habe, daß ich keinen festen Gehalt habe; und das ich Remunerationen bis zu 1500 M. pro Jahr beziehe und daß diese Remuneration aus dem Privatdozentenfonds bezahlt werden. Herr L[edderhose] kann sich das Mißverständniß des Herrn Geh[eimen] Rath A[lthoff] nur so erklären, daß Letzterer meinen Fall mit dem Fall eines anderen hiesigen Extraordinarius verwechselt, welcher allerdings 2000 M. Gehalt bezieht. Ich erlaube mir noch zum Überfluß zwei Beilagen[b] mitzusenden, (um deren gelegentliche Retournierung ich Ew. Hochwohlgeboren ergebenst ersuche) aus dem diese Facta documentarisch hervorgehen; daß diese Remunerationen dazu noch aus dem Privatdozentenfonds | fließen, ist mir schon lange bekannt und auch heute von Herrn Ledderhose ausdrücklich bestätigt worden; er fügte noch hinzu, daß eben aus diesem Grunde diese Summe von 1500 Mark nicht überschritten werden könne, weil diese Summe auch in Preußen das Maximum dessen sei, was dem Einzelnen aus diesem Fonds gereicht werden könne.
Meine Stellung ist somit hier so ungünstig wie möglich. Daß sie eines Mannes in meinem Alter[2] unwürdig ist, davon will ich gar nicht reden.
Ich bemerke dazu noch, daß nach der ausdrücklichen Versicherung des Herrn Curators diese meine Stellung auch in den folgenden nächsten Jahren nicht zu ändern ist; daß ich also allen Grund habe, eine baldige Änderung meiner Verhältnisse zu wünschen. |
Daß die theologische Facultät in Kiel[3] gegen meine philosophische Richtung Einwände macht[4], ist mir deshalb erstaunlich, weil die theolog[ische] Facultät in Basel[5], wo ich von vor einem Jahre vorgeschlagen war, sich mir gegenüber freundlich stellte; und doch ist die Baseler Fakultät nicht freisinniger als die Kieler. Ich glaube versichern zu dürfen, daß, was das persönliche Verhältnis betrifft, der meinerseits auszuübende kollegiale Takt[c] jedem unliebsamen Mißverständniß vorbeugen dürfte, und was die sachliche Stellung betrifft, so schließt schon meine allgemeine, staatliche und politische Überzeugung es ein, daß ich es für falsch halten würde, den Mitgliedern und Studenten der theologischen Facultät durch unnöthige Angriffe als feindselige Haltung Anstoß zu geben. Ich habe auch hier mit Professoren und Studierenden der Theologie freundschaftlichen Verkehr und habe es, meiner | ganzen Natur nach, nie schwer gefunden, auf der Basis gegenseitiger Achtung und discreter Reserve auf freundlichem Fuße mit den Theologen zu leben. In dieser Hinsicht glaube ich also die Bedenken gegen mich für nicht gegründet halten zu dürfen, und bezweifle, ob irgend ein Anderer von denjenigen, welche in Betracht kommen mögen, mehr Garantien für ein tactvolles Verhalten bietet. Auch ist ja meine systematische Stellung im Wesentlichen mit der von Herrn Professor B. Erdmann identisch. –
Ich will mit diesen beiden Berichtigungen – meine hiesige pecuniäre Stellung und die Bedenken der Theologen betreffend – nicht den höheren Rücksichten und Gesichtspunkten der Regirung meine persönlichen Wünsche gegenüberstellen; es ist überhaupt in meinem Interesse jene beiden | Punkte in das richtige Licht zu rücken. Es ist mir sehr erfreulich und sehr tröstlich, daß an maaßgebender Stelle überhaupt meiner mit Wohlwollen gedacht wird und daß bei den Combinationen für die Zukunft auch meine Person in einer mich sehr ehrenden Weise berücksichtigt wird. Ich kann für dieses Zeichen gütigen Wohlwollens nicht dankbar genug sein. Aber ob ich es so leicht wieder so günstig treffen werde, daß mich eine Facultät primo loco einstimmig vorschlägt? Ob bei einer eventuellen Vacanz nicht andere Personen, andere Rücksichten, die sich jetzt noch gar nicht vorsehen lassen, geltend gemacht werden können? Ob nicht | gerade die Vakanz in Halle[6] selbst Gelegenheit bietet, jetzt zu gleicher Zeit alle Wünsche und alle Ansprüche zu befriedigen? ich meine – Wünsche von meiner Seite, Ansprüche von anderer Seite.
Möchten Sie, hochzuverehrender Herr Geheime Rath, Gelegenheit nehmen, diese Gesichtspunkte nach Ihrem eigenen Ermessen geltend zu machen; und genehmigen Sie den Ausdruck meines tiefsten Dankes für den erneuten Beweis Ihres gütigen Wohlwollens und Ihrer theilnehmenden Fürsorge für mich.
In dankbarster Verehrung Ew. Hochwohlgeboren ganz ergebenster
H. Vaihinger.
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
2↑meinem Alter ] Vaihinger war zum Zeitpunkt der Abfassung des vorliegenden Schreibens 31 Jahre alt.▲