Bibliographic Metadata
- TitleVaihinger an Friedrich Zarncke, Straßburg, 28.5.1882, 3 S., hs., Universitätsbibliothek Leipzig, Nachlass Zarncke, NL 249/1/V/23
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- Physical LocationUniversitätsbibliothek Leipzig, Nachlass Zarncke, NL 249/1/V/23
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Vaihinger an Friedrich Zarncke, Straßburg, 28.5.1882, 3 S., hs., Universitätsbibliothek Leipzig, Nachlass Zarncke, NL 249/1/V/23
Straßburg
28/ Mai 82
Ew. Hochwohlgeboren
beehre ich mich anbei ganz ergebenst eine weitere Recension zuzusenden; es wäre mir lieb, wenn dieselbe baldmöglichst zum Abdrucke käme. Da in derselben K[uno] Fischer’s neue Auflage seines Kantwerkes berührt wird[1], so bemerke ich, daß meine Auffassung der Fischer’schen Methode ganz in Übereinstimmung steht mit der Werthschätzung, welche dieselbe in den früheren Jahrgängen | des „Lit[erarischen] Centr[alblatts]“ (so viel ich weiß theilweise durch Prantl in München) erfahren hat. Sein maaßloser Angriff auf die „Kantphilologie“[2] wird ohne Zweifel eine ähnliche größere literarische Controverse[3] hervorrufen, wie seinerzeit sein Streit mit Trendelenburg[4] eine solche gewesen ist. Da ich die Akten dieser berüchtigten Controverse sehr genau revidirt habe, weiß ich sicher, was man von Fischer zu halten hat. Er ist übrigens allerdings durch eine theilweise zu[a] schlechte Behandlung seitens der Jüngeren gereizt worden, | während ich für meinen Theil seinen unleugbaren Verdiensten um Kant ganz unbefangen in meinem Commentar[5] habe Gerechtigkeit widerfahren lassen, indem ich ihm zugleich (besonders in der in der nächsten Woche erscheinenden Fortsetzung meines Commentars) die stärksten Donatschnitzer[6] unwiderleglich nachgewiesen habe.
Genehmigen Sie den Ausdruck aufrichtiger Verehrung von Ihrem ergebensten
H. Vaihinger.
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑berührt wird ] vgl. Vaihinger, gezeichnet V.: Kant’s Kritik der reinen Vernunft. Nachträge. Aus Kant’s Nachlass herausg. von Benno Erdmann. Kiel, 1881. Lipsius & Fischer. (59 S. Lex.-8.) M 2. In: Literarisches Centralblatt, Nr. 27 vom 1.7.1882, Sp. 893; sowie Vaihinger an Zarncke vom 17.4.1883.3↑größere literarische Controverse ] der hauptsächlich angegriffene Benno Erdmann äußerte sich lediglich in: Vorwort des Herausgebers zur dritten Auflage. In: Immanuel Kant’s Kritik der reinen Vernunft. Hg. v. Benno Erdmann. 3., mehrfach verbesserte Stereotypausgabe. Hamburg u. Leipzig: Leopold Voss 1884, S. XI–XVI, hier S. XIII, XV–XVI: Die Herstellung eines sicheren Textes ist im Allgemeinen die niedrigste Arbeit der historischen Forschung. Eben deshalb aber bildet sie eine elementare Voraussetzung auch für die Reconstruktion der Entwicklungsgeschichte philosophischer Gedanken. Ob man diese Arbeit eine philologische nennen will, thut nichts zu Sache. Ich will daher gegen den Glauben Kuno Fischers, „freilich braucht man zu einer solchen Arbeit keine Philologie“, nicht streiten […]. Auf eine tiefergehende Würdigung dieser Polemik leiste ich Verzicht. […] Kuno Fischer hat es zweckmäßig gefunden, die citirten Schmähungen fast auf jeder Seite seiner polemischen Ausführungen gegen mich zu variieren. Ich muß hier darauf verzichten dieselben wörtlich wiederzugeben. Aber ich bin bereit, sie niedriger zu hängen. Sie finden sich in seiner „Geschichte der neuern Philosophie, dritter Band, dritte neu bearbeitete Auflage […]. Man hat dafür Sorge getragen, daß diese Invectiven gegen meine Person in litterarischen und provinzialen Zeitschriften, ja sogar in der politischen Tagespresse verbreitet werden. Ich gebe zu, daß ich gegen Angriffe solcher Art ohne Waffen bin. Kiel, am 25. September 1883. B. Erdmann.4↑sein Streit mit Trendelenburg ] zur Fischer-Trendelenburg-Debatte vgl. Vaihinger: Commentar zu Kants Kritik der reinen Vernunft Bd. 2 (1892), S. 290–326 sowie Klaus Christian Köhnke: Entstehung und Aufstieg des Neukantianismus. Die deutsche Universitätsphilosophie zwischen Idealismus und Positivismus. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1986, S. 257–272.5↑in meinem Commentar ] vgl. Vaihinger: Commentar zu Kants Kritik der reinen Vernunft, 1. Bd. 1881/1882 (in 2 Lieferungen erschienen), z. B. S. 378–380 und passim.6↑Donatschnitzer ] benannt nach dem römischen Sprachlehrer Aelius Donatus, vgl. Grimm/Grimm: Wörterbuch der deutschen Sprache: ein verstosz gegen die ersten regeln der lateinischen grammatik; https://www.dwds.de/wb/dwb/donatschnitzer (11.4.2022).▲