Titelaufnahme
- TitelIsometrische Maximalkraft des M. quadriceps femoris bei erwachsenen Patienten mit schwerer Hämophilie : Forschungsergebnisse einer multizentrischen Querschnittstudie / vorgelegt von Dipl.-Sportwiss. Alexander Stäuber (geb. Brunner)
- Verfasser
- Körperschaft
- Erschienen
- AusgabeElektronische Ressource
- Umfang1 Online-Ressource (195 Blätter)
- HochschulschriftBergische Universität Wuppertal, Dissertation, 2016
- SpracheDeutsch
- DokumenttypDissertation
- URN
- Das Dokument ist frei verfügbar
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- Nachweis
- Archiv
- IIIF
Deutsch
Das Krankheitsbild der schweren Hämophilie ist durch eine verstärkte Blutungsneigung charakterisiert. Eine besonders häufige Komplikation stellen hierbei intraartikuläre Blutungen in die Knie- und Sprunggelenke dar. Rezidivierende Blutungen induzieren einen chronisch gelenkdestruktiven Prozess, der als hämophile Arthropathie bezeichnet wird und mit negativen Konsequenzen für den Muskelstatus assoziiert ist. Speziell zu diesem Aspekt wird in der wissenschaftlichen Literatur von einer signifikant geringeren Muskelkraft der Kniegelenkextensoren und qualitativen Defiziten im Bereich der Muskelaktivierung bei hämophilen Patienten im Erwachsenenalter berichtet. Im Rahmen des HämArthro-Projektes, einer von 2009-2012 durchgeführten multizentrischen Querschnittstudie zur Untersuchung des Einflusses unterschiedlicher Substitutionstherapieregime auf den Gelenk- und Muskelstatus bei Patienten mit schwerer Hämophlie, bestand die Möglichkeit, weitere vielfältige Fragestellungen insbesondere im Bereich muskulärer Kraftqualitäten zu analysieren. FRAGESTELLUNGEN: Die wesentlichen Untersuchungsziele dieser Forschungsarbeit waren in vier Schwerpunktbereiche untergliedert. Ein Ziel bestand darin zu untersuchen, inwieweit sich die isometrische Maximalkraft der Kniegelenkextensoren (M. quadriceps femoris) zwischen Patienten und gerinnungsgesunden Kontrollpersonen in unterschiedlichen Altersabschnitten im Erwachsenenalter unterscheidet. In einem weiteren Schwerpunktbereich sollte untersucht werden, ob das Ausmaß von Seitendifferenzen der Muskelkraft zwischen hämophilen Patienten und nicht-hämophilen Kontrollen in verschiedenen Altersabschnitten divergiert und mit welcher Prävalenz abnormale Seitendifferenzen bei hämophilen Patienten zu verzeichnen sind. Ein weiterer Fokus lag auf der Fragestellung, ob zwischen Patienten und Kontrollpersonen qualitative Unterschiede in der Muskelaktivierung während einer maximal willentlichen isometrischen Muskelkontraktion existieren. Ein vierter Schwerpunkt umfasste die wissenschaftliche Darstellung der Hauptfragestellung des HämArthro-Projektes, ob hämophile Patienten mit einer prophylaktischen Dauersubstitution über einen besseren Kraftstatus verfügen als Patienten mit einer On-Demand-Behandlung. PROBANDEN UND METHODEN: Für die vorliegenden Fragestellungen konnten auf die kraft- und gelenkspezifischen Untersuchungsdaten von insgesamt N=198 Patienten mit schwerer Hämophilie A und B (Faktor VIII/IX-Restaktivität <0,01 I.E./ml) zurückgegriffen werden. Die Datenerhebung erfolgte im Rahmen des HämArthro-Projektes an 18 bundesweit verteilten Untersuchungsstandorten. Den Patienten gegenübergestellt werden konnten die Daten von N=85 am Lehrstuhl für Sportmedizin der Bergischen Universität Wuppertal untersuchten nicht-hämophilen Kontrollpersonen. In beiden Untersuchungsgruppen wurde die maximale isometrische Muskelkraft des M. quadriceps femoris mit Hilfe eines apparativen Messsystems im Rahmen eines standardisierten Testprotokolls erhoben. Darüber hinaus durchlief jeder Studienteilnehmer eine orthopädische Gelenkuntersuchung, wobei die Gelenksituation mittels des hämophiliespezifischen WFH Scores klassifiziert wurde. Für die Alterssubgruppenanalyse wurde das Studienkollektiv gemäß seines Alters in vier Altersabschnitte unterteilt (A=20-29 Jahre, B=30-39 Jahre, C=40-49 Jahre, D=50-59 Jahre). Zur Untersuchung des Einflusses unterschiedlicher Substitutionstherapieregime auf den Einfluss des Muskelstatus konnten umfangreiche Substitutionsunterlagen verarbeitet werden, die eine Vergleichsanalyse von Patientengruppen mit einer 1-5jährigen Prophylaxe- und On-Demand-Behandlung ermöglichten. ERGEBNISSE: Patienten mit schwerer Hämophilie wiesen im Gesamtgruppenvergleich eine 22-24% geringere Muskelkraft auf als gesunde Kontrollpersonen. Die Alterssubgruppenanalyse ergab, dass ein mit ansteigendem Alter stetig inkrementaler Anstieg der Muskelkraftdifferenz zwischen hämophilen Patienten und Kontrollpersonen vorlag. So wurden bei den jüngsten Patienten (20-29 Jahre) um 10-13% geringere Kraftwerte verglichen mit gleichaltrigen Kontrollen festgestellt, wohingegen bei den ältesten Patienten (D: 50-59 Jahre) um 53-61% geringere Kraftwerte zu verzeichnen waren. Ein ähnliches Szenario zeigte sich auch für die Inter-Extremitäten-Differenz der Muskelkraft des M. quadriceps femoris. So war diese bei hämophilen Patienten durch einen höheren Ausprägungsgrad und eine deutliche Zunahme im Altersverlauf gekennzeichnet. Die Prävalenz von abnormalen Seitendifferenzen der Muskelkraft (Seitendifferenz >20%) lag bei hämophilen Patienten im Gesamtkollektiv bei 33%. Die relative Häufigkeit dieser abnormalen Seitendifferenzen nahm bei hämophilen Patienten mit ansteigendem Alter deutlich zu. Sie betrug im jungen Erwachsenenalter (A: 20-29 Jahre) 13% und konnte im späteren Erwachsenenalter (D: 50-59 Jahre) bereits bei jedem zweiten Patienten nachgewiesen werden. Neben den quantitativen Unterschieden der Muskelkraft konnten bei hämophilen Patienten auch qualitative Unterschiede im neuromuskulären Ansteuerungsverhalten in Form von höheren Kraftfluktuationen diagnostiziert werden. Hierbei stellten sich sowohl der Gelenkzustand als auch der Kraftstatus als besondere Einflussfaktoren für deren Ausprägungsgrad heraus. Hinsichtlich des Einflusses unterschiedlicher Substitutionstherapieregime (Prophylaxe vs. On-Demand) auf die Maximalkraft lagen für die jeweiligen Gruppeneinteilungsvarianten (Typ B vs. Typ C) inhomogene Ergebnisse vor. So wurden bei hämophilen Patienten gemäß der statistischen Analyse der konservativ eingeteilten Therapieregimegruppen (Typ B) weder für den Zeitraum 1 Jahr retrograd noch für den Zeitraum 5 Jahre retrograd signifikante Gruppenunterschiede festgestellt. Unter zusätzlicher Berücksichtigung der mittels Substitutionsfragebogen eingeteilten Therapieregimegruppen (Typ C) konnte jedoch bei Patienten mit On-Demand-Behandlung eine signifikant geringere relative isometrische Maximalkraft des M. quadriceps femoris als bei Patienten mit prophylaktischer Dauerbehandlung nachgewiesen werden. FAZIT UND AUSBLICK: Aufgrund des mit dem Forschungsprojekt „HämArthro“ verbundenen Zugangs zu einer Vielzahl hämophiler Patienten mit ausschließlich schwerer Verlaufsform A und B war es möglich, einen repräsentativen Überblick über den Muskelkraftstatus von in der Bundesrepublik Deutschland lebenden erwachsenen Patienten mit schwerer Hämophilie abzubilden. Hierbei konnten deutliche Defizite des Muskelstatus der Kniegelenkextensoren bei hämophilen Patienten im Erwachsenenalter verglichen mit nicht-hämophilen Individuen herausgestellt werden. Besonders die neu gewonnenen Erkenntnisse in Bezug auf die bei hämophilen Patienten detektierte höhere Inter-Extremitäten-Differenz der Muskelkraft, sollten aufgrund der potentiellen Verbindung mit asymmetrischen Gelenkbelastungen während gewichtstragender Alltagsaktivitäten und der damit verbundenen erhöhten mechanischen Stresssituation auf der mehrbelasteten Seite, Anlass für weiterführende Untersuchungen sein. So könnte z.B. in einem nächsten Schritt überprüft werden, ob die angesprochenen Belastungsasymmetrien bei hämophilen Patienten tatsächlich nachweisbar sind und mit Inter-Extremitäten-Differenzen der Muskelkraft korrespondieren. Zudem sollte untersucht werden, ob diese kraft- und belastungsspezifische Inter-Extremitäten-Differenz mit einem erhöhten Gelenkschädigungs-, bzw. Blutungsrisiko verbunden ist. Resultierend aus den Forschungsergebnissen in Bezug auf Kraftfluktuationen während einer maximal willentlichen isometrischen Muskelkontraktion ergibt sich für zukünftige Untersuchungen die Fragestellung, ob diese bei hämophilen Patienten durch ein gezieltes Krafttraining verringert werden können. Darüber hinaus wären weitere wissenschaftliche Untersuchungen sinnvoll, die der Fragestellung nachgehen, ob sich erhöhte Kraftfluktuationswerte, als Ausdruck einer defizitären Muskelaktivierung, bei hämophilen Patienten auch im Zuge anderer Muskelkontraktionsarten und -intensitäten nachweisen lassen, die sich im Bereich alltagsmotorischer Bewegungshandlungen widerspiegeln. Aufgrund der nicht eindeutigen Untersuchungsergebnisse zum Einfluss unterschiedlicher Substitutionstherapieregime auf den Muskelkraftstatus bei erwachsenen hämophilen Patienten sind weitere Studien nötig. Die im Kontext dieser Forschungsarbeit gewonnenen Erkenntnisse in Bezug auf den Muskelkraftstatus unterstreicht die besondere Bedeutung sowohl von präventiven als auch von rehabilitativen sport- und bewegungstherapeutischen Trainingsprogrammen im umfassenden Behandlungskonzept für erwachsene Patienten mit schwerer Hämophilie.
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