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- TitleNr. 2, Heft mit Fadenheftung und Umschlag aus blauem Papier, mit eigenhändigem Titel Hauptprobleme der Philosophie. | Freiburg i B. Winter 1878/9. | W Windelband, auf dem Umschlag Bleistiftnotiz von anderer Hd. Fock 6, Umfang: 46 S., davon beschrieben: 14, Textbeginn auf Bl. 1r, hs. (dt. Schrift), schwarze Tinte, Maße: 20,4 x 16,4 cm, Universitätsbibliothek der Tohoku Universität Sendai (Japan): II, A 2–2 WW 1, 2
- ParticipantsAnaximander ; Aristoteles ; Baruch de Spinoza ; Charles Darwin ; David Hume ; Demokrit ; Georg Wilhelm Friedrich Hegel ; George Berkeley ; Giordano Bruno ; Gottfried Wilhelm Leibniz ; Heraklit ; Immanuel Kant ; Johann Friedrich Herbart ; Johann Gottfried Gruber ; Johann Gottlieb Fichte ; Johann Samuel Ersch ; John Locke ; Parmenides ; Platon ; Roger Bacon ; Rudolf Haym ; Thales
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- Physical LocationUniversitätsbibliothek der Tohoku Universität Sendai (Japan)
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Nr. 2, Heft mit Fadenheftung und Umschlag aus blauem Papier, mit eigenhändigem Titel Hauptprobleme der Philosophie. | Freiburg i B. Winter 1878/9. | W Windelband, auf dem Umschlag Bleistiftnotiz von anderer Hd. Fock 6, Umfang: 46 S., davon beschrieben: 14, Textbeginn auf Bl. 1r, hs. (dt. Schrift), schwarze Tinte, Maße: 20,4 x 16,4 cm, Universitätsbibliothek der Tohoku Universität Sendai (Japan): II, A 2–2 WW 1, 2
Hauptprobleme der Philosophie.
Freiburg i B. Winter 1878/9.
W Windelband. |[a]
Erste Vorlesung![b]
Die Ph[ilosophie] menschlich näher zu bringen.
Die Ungewißheit der Vorstellungen über die Ph[ilosophie]. Nihil tam absurdeat[1].[c]
Die Geschichte der menschlichen Irrthümer.
Merkwürdig nur, daß soviele bedeutende Männer sich damit beschäftigt haben, diese Geschichte zu machen.
Wenig Studien nöthig, um zu bemerken, daß nicht nur dieselben Probleme, sondern auch dieselben Grundrichtungen der Lösung sich immer wiederholen.
Das kann nicht zufällig sein.
Es beweist zum mindesten, daß es in der Natur der menschlichen Vorstellungsthätigkeit, gewisse constante[d] Veranlassungen zum philos[ophischen] Denken und gewisse Nöthigungen, dasselbe zu vollziehen, giebt. Sollten diese nicht begreiflich sein?
Wenn irgend, psychologisch[e]. Und das ist die Aufgabe: zu zeigen, welche psychologische Nothwendigkeit das philos[ophische] Denken hervortreibt. Das ist das wahre „menschlich näher bringen.“
Ich werde dies mit theilweiser Benutzung des historischen Materials thun. Je mehr Puncte der Linie bekannt, um so besser ihre Gleichung zu finden. Namentlich die Griechen.[f]
Eben so, daß ich Nichts voraussetze.
Nur wissenschaftlichen Sinn. Es gilt die nothwendige Verknüpfung zu zeigen, in welcher sich die übrigen wissenschaftlichen Bedürfnisse mit dem philos[ophischen] Denken befinden; jedem von Ihnen den Weg zu zeigen, der ihn in die Philos[ophie] zu gehen nöthigt. So werde ich gelegentlich bei Ihren gewohnten Beschäftigungen anknüpfen und hoffe, daß Keiner leer ausgehen wird.
Allmälige Einführung in die Hauptprobleme und deren Lösungsversuche.
Wovon dabei ausgehen? Von etwas Allgemeinem und zwar nicht bloß wissenschaftlichen, sondern dem natürlichen Geiste als solchen Innewohnenden.
Was will man von der Philosophie? Was ist sie?
Unendlich viele Begriffsbestimmungen. Jede Geschichte, jede Enzyklopädie (Ersch und Gruber, Haym[2]).
Möglich, daß die wissenschaftliche Ph[ilosophie] ganz andre Gesichtspuncte in den Vordergrund rückt. Die Erhaltung der Energie – und die Brauchbarkeit des Telephons. Das Weber’sche Gesetz – und die Zertheilung des electrischen Lichtes. Der Begriff des Rechts – die Frage der Schwurgerichte[3][g].
Was verlangt der Laie von der Ph[ilosophie]? Was interessirt ihn an ihr?
Weltanschauung – im Gewande der Wissenschaft. Letztere Mittel, erstere zu beweisen, fest zu haben. Das philos[ophische] Streben wurzelt in dem Bedürfniß nach Weltanschauung – dem metaphysischen Bedürfniß.
Einleitendes Capitel; vom metaphysischen Bedürfniß![h]
Worterklärung.
Metaphysik = πρώτη φιλοσοφία: δεῖ γὰρ ταύτην[i] τῶν πρώτων ἀρχῶν καὶ αἰτιῶν εἶναι ϑεωρητικήν[4]. Weltanschauungswissenschaft.
Indessen hat man sich gewöhnt, nicht nur das wissenschaftliche resp. in der Form der Wissenschaft auftretende, sondern jedes andre Denken, welches zur Weltanschauung strebt und allgemeine Ergebnisse über den Zusammenhang[j] der Dinge sucht, als met[aphysisch] zu bezeichnen.
Bedürfniß nach einem Wissen vom Wesen der Welt und dem Zusammenhange aller Dinge, das Bedürfniß nach Erkenntniß der Welt als Ganzer.
Dies met[aphysische] Bed[ürnis] ist zunächst Thatsache.[k]
Zunächst kindliche Hypothesen jedes Menschen. Was man nicht weiß, davon „macht man sich |[l] keine Vorstellung.“
Die Unendlichkeit des Raums. Entstehen. Vergehen. Tod. Die Metaphys[ik] der Kinderstube.
Im ganzen Volke religiöse Bedeutungen.
Keine Religion ohne wenigstens den Versuch einer Weltanschauung.
Zusammenhang[m] der ganzen[n] Welt. Ursprung. Kräfte und deren Wirkungsart. Bestimmung und Ende.
Die Met[aphysik] der Mythologie.
Die Verwandlung der Religion in das Kirchenleben giebt dem eine festere Gestalt, eine bestimmte Summe von Lehrsätzen über Weltschöpfung etc.
Die Met[aphysik] des Dogma’s.
Wer sich also nicht selbst eine W[eltanschauung] bildet, der findet sie in der Myth[ologie] vor, die Kirche bringt sie ihm entgegen.
So wachsen wir alle in eine M[etaphysik] hinein, die sich tief in unsre Vorstellungswelt eingräbt. Aber der Geist des Individuums geht seine eignen Wege, je eigenartiger er ist. Der Dichter schafft seine eigne Welt, die er in der Phantasie ausmalt, in den Werken darstellt.
Die großen Dichter: Homer, Dante, Goethe.
Die Met[aphysik] der Poesie.
Die Mittel, mit denen sich hier das met[aphysische] Bedürfniß stillt, sind dem zufälligen Lauf des Vorstellungslebens entnommen: Dichtung, Allegorie, Analogie, Vermuthung und dreiste Behauptung.
Der gleiche Drang aber bemächtigt sich auch der Wissenschaft und ihrer methodisch gewonnenen Kenntnisse und um so mehr, als die ganze Art des wissenschaftlichen Lebens auf Allgemeinheit und Vollständigkeit angelegt ist.
Das wahrhafte Begreifen des Kleinsten fließt nur aus dem Allgemeinen.
Das ist die Met[aphysik] als Wissenschaft oder die Philos[ophie.]
Diese Thatsachen sind da. Wie begreifen sie sich?
Wie kommt der Begriff der Welt zu Stande?
Schon hier im Anfang zeigt sich die Ph[ilosophie] von den übrigen Wissenschaften verschieden.
Das Weltganze ist kein Gegenstand der Erfahrung, wie alle anderen Gegenstände, die sonst unsern Wissensdrang entzünden.
Dieser Begriff erst ein Product des psychischen Lebens: Suchen wir seine Factoren, so scheint er zunächst durch Addition entstanden.
Was wir Welt nennen, zeigt[o] die Summe aller uns bekannten Dinge.
Welt Conglomerat aller unsrer Vorstellungen – Congl[omerat] aller Dinge – alle Vorstellungen in Einen Topf geworfen: mundus[p].
Locke’s[q] Beispiel der Verknüpfungsfähigkeit der sprechenden Vernunft.
Die „Welt“ eines Menschen – die moralische, die intellectuelle Welt. „Das ist Deine Welt!“ Faust.[5]
Allein bei diesem „Inbegriff des Erlebten“ bleibt es nicht.
Die unendliche Erweiterbarkeit des erfahrbaren Seins,[r] der Versuch, sie abzuschließen, in dem Begriffe der Totalität des Seienden.
Wie kommt der Begriff zu Stande?
Am Auszählen der beschränkten empirischen Kreise. Alle Ausnahmslos. Nemo non, nihil non[s][6].
Beziehung auf etwas über die Erfahrung Hinausgehendes. |[t]
Aber was darüber hinausgeht, ist die Phantasie.
Aus ihr allein stammt der Begriff der Unendlichkeit: doch ist die Sache späterer Untersuchung. Universum, das All, Weltall, „das heißt eine Welt.“[7]
Bruno: „dell’ infinite universi e dei mondi.“[8][u]
Aber wie soll das Unerfahrbare erkannt werden? Hier sehen wir vorläufig, wie es gekommen ist, daß die Ph[ilosophie] immer nach einer eignen Erkenntnißart gesucht hat, weil sie einen ganz eigenartigen Erkenntnißgegenstand hat: beides jenseits der Erfahrung.
Wie rechnet die Mathematik den Werth unendlicher Reihen?
Der Fortschritt alles Wissens besteht in der Einsicht in den Zusammenhang des Einzelnen. In immer größeren Dimensionen ordnen sich die Gegenstände der Erfahrung allgemeineren Beziehungen und Zusammenhängen unter.
Voraussichtig, ist das Weltall kein Conglomerat von Dingen, sondern ein geordnetes, einheitliches, zusammenhängendes Ganzes.[v]
Verstandesbegriff. Kosmos[w]. ὁ καλούμενος ὑπὸ τῶν σοφιστῶν κόσμος[9] – τά πάντα[10], τὸ ὕλη[11], ἡ τῶν πάντων φύσις[12], τάξις[13]. Die Welt als Einheit.
Faust’s Macrocosmos[x].
Man will die Welt als Kosmos[y] begreifen – das ist der Sinn der Weltanschauung.
Die Einheit der vielen Dinge!
Die Dinge sind uns als verschieden bekannt – wie können sie Eins sein?
Erstes Kapitel. Das Problem der Welteinheit. [z]|[aa]
Zweites Kapitel. Das Problem der Substantialität.[ab]
Ursprünglichste Vereinheitlichungsformen; aber überhaupt erste Vorstellungsform.[ac] Die Vorstellungsform der Objectivirung als[ad] Uebergang der Empfindung in die Wahrnehmung. Wir empfinden nicht grün, sondern wir sehen „das Grüne“.
Licht, Funke, Flamme,[ae] Schatten, Farbenspiel der Augen, Täuschungen; Fluß.
Wir würden die Welt als aus Substanzen bestehend denken müssen, auch wenn sie es nicht wäre.
Vereinigung der Eigenschaften. Eine Art von Zusammenkrystallisiren.
Dinge denkbar nur durch ihre Eigenschaften.[af] Ding selbst niemals wahrgenommen; Es ist fort, wenn seine Eigenschaften fort sind. Berkeley.[ag] Dinge unterscheidbar nur durch ihre Eigenschaften.
Welche Eigenschaften krystallisiren nun zusammen?
Kriterium der räumlichen Continuität. Die Blindgeborenen, Roß und Reiter. Stein, Pflanze, Thier. Berg? Polyp? Das wird schon schwierig.
Ich zerbreche die Kreide. Da sind ja zwei Dinge statt eines! U. s. f. Ich lasse den electrischen Strom durch das Wasser gehen – da sind ja zwei ganz andere Dinge daraus geworden?
Jedesmal richtige Begriffsbildung und doch dieselbe[ah] Wirklichkeit als sehr verschiedene Dinge! Also auch unsre Dingvorstellungen sind Collectivbegriffe.
Wir können die Dinghaftigkeit nicht in der Erfahrung aufrechterhalten. Kein Ding hält vor unserer Erfahrung Stand.
Und zwar einmal: sie zertheilen sich fortwährend und lassen sich immer theilbar denken: Raum.
Und zweitens sie ändern fortwährend ihre Eigenschaften: Zeit.
Was machen wir, um ihn aufrecht zu erhalten? Denn das müssen wir. Wir suchen ihn hinter die Erfahrung zu verlegen.
Aus einer Auffassungsweise wird er eine Erklärungsweise. An Stelle der Dinge, die wir wahrnehmen können, sind Dinge getreten, welche wir niemals wahrnehmen können.
In ersterer, mechanischer Hinsicht Atome, Dinge, aus denen nicht wieder mehr andre Dinge treten können.
In zweiter, chemischer Hinsicht Elemente, Dinge, welche sich nicht ändern können. Gleichgiltigkeit gegen Größe, Gestaltetes[ai]. Ein sehr abstracter Begriff der Substanz. Niemand wird das „Gold“ für ein Ding halten im gewöhnlichen Sinne. Und doch liegt die Gefahr nahe: die „Materie“ als Ding, die „Welt“ als Ding.[aj]
Atom und Element sind also die ersten Versuche, den Begriff der Substanz, welcher jenseits aller[ak] Erfahrungsauffassung und Gründe liegt und doch in der Erfahrung nicht realisirbar ist, jenseits der Erfahrung behufs deren Erklärung aufrecht zu erhalten.
Allein wodurch wird dabei der Substanzbegriff innerlich constituirt? Doch immer nur durch erfahrungsmäßig gewonnene Qualitäten oder daraus durch Hilfe des Unendlichkeitsbegriffs gebildete. –[al]
So scheint es, als sei theils psychischer Vorgang[am], theils bewußte Abstraction der eigentliche Ursprung[an] der |[ao] Substanzialität des Begriffs.[ap]
Ist die Substanz nur die Addition von Vorstellungen, so hat Hume[aq] recht, daß der Begriff eine Illusion ausmacht, daß er nur die Projection unserer einheitlichen Vorstellungsthätigkeit ist. Wir sehen mehr voraus. Wir befragen[ar] die Substanz als metaphysische[as] Realität, sie ist aber weder die Eigenschaft, noch die Summe der Eigenschaften, sondern der Träger derselben.
Sie erscheint begrifflich als abtrennbar.
Die Eigenschaften wie angehängt, erkennbar; sie selbst nicht, nur durch[at] das Ding „an sich“. Projection unserer Kategorie der Substantialität: Hypostasierung der Einheitsfunction, daher inhaltslos.
Versuch Locke’s[au], Kant’s[av], Herbart’s[aw].
Allein die Merkmale zeigen sich sehr verschiedenwerthig in der Anwendung. Die Substantialität von sehr verschiedener Haltbarkeit.[ax] Theile ich z. B. in lauter gleichartige Dinge, so zeigt sich, daß es eine constante Vereinigung von Merkmalen giebt. Dieselbe innere Verbundenheit[ay] kehrt in unserer Erfahrung stets wieder. Verknüpft mit anderen Merkmalen.
Die constanten Merkmalcomplexe.
In doppelter Hinsicht: einmal als chemische Stoffe. Verlust des eigentlichen Dingbegriffes zu Gunsten eines wissenschaftlichen Allgemeinbegriffes. Ebenso bei zoologischen, mineralogischen, botanischen Klassenbezeichnungen.
Aber noch ganz anders. Wechsel an einer metaphysischen Idealität. Substanz damit ein Vorstellungswechsel beharrender Merkmalcomplexe. Die Bewegung der Kugel.
Daher derselbe Merkmalcomplex auf zwei Dinge – hin[az] auf ein Ding gedeutet.
Was veranlaßt uns dazu?
Identität nicht wahrnehmbar: Hinzugedacht. Tauschbar. Die von Zeit zu Zeit erscheinende Kugel[14]. Personendoppelgänger. Zeitliche Continuität.
Unterschied der constanten und der wechselnden Eigenschaften. Wesentliche und unwesentliche Merkmale.
Dazu ein anderes: Manche Eigenschaften lassen sich sofort als nur bei gewissen Verhältnissen auftretend erkennen[ba]. Beziehungseigenschaften und Eigenschaften an sich. Secundäre und primäre Qualitäten.
Ist dieser Unterschied zu halten?[bb]
Zwei Versuche:
Das innere Wesen der Dinge – und ihre äußere Erscheinung. Raum[bc]
Das eigentliche Sein der Dinge – und ihre Veränderungen. Zeit[bd] |[be]
Drittes Capitel. Das Problem der Veränderung.[bf]
Das Admirari[15][bg] entsteht immer an der V[eränderung], am Entstehen, Vergehen, mit einem Wort am Geschehen. Doch setzt dies adm[bh][irari] den Begriff des Seins voraus. Das Sein ist zunächst räumlich-zeitliche Continuität.[bi] Aber sehr verschieden nach den Dingen und der Auffassung. Die Erfahrung zeigt Constantes; die Ueberlegung läßt es nicht bestehen.
Baco[bj]’sche Betrachtung.
Wenn man deshalb etwas Seiendes denken will, so ist es[bk] Nichts in der Erfahrung. Das „wahrhaft Seiende“ das Unerfahrbare. Plato[bl]’s ὄντως όν[16]. Der Fortschritt von Thales[bm] und Anaximander[bn]. Der Begriff der Materie, der qualitätslosen.
Zeit – Sein und Werden. Doppelte Realität.
Relation. Fixstern – Himmel[bo]. – „Unter dem Monde“[17]
Baco[bp]’sche Betrachtung.
Was Sein – was Werden jedesmal rein empirisch.
Sein keine Erklärung bedingt[bq], aber Werden: empirische Entscheidung[br]. Trägheitsgesetz. –
Veränderung Thatsache: Werden ursprünglich. Heraclit[bs].
Sein nicht empirisch – begriffliche Nothwendigkeit. Parmenides[bt].
Widerstreit[bu]: Spinoza[bv], Hegel[bw].[bx]
Doppelwelt: Plato[by].
Woraus Sein zu erklären? Aber pluralistisch nothwendig.
Sein aus Werden zu erklären: Fichte[bz], Hegel[ca].
Phänomenologische Richtung: Sein und Werden Reflexionsbegriffe – das Allgemeine und das Besondere. [cb]|[cc]
Realität des Einzelnen – Realität des Allgemeinen.
Was ist das Einzelne? Die Frage des Individuums – arbiträrer Organismus. Was ist das Allgemeine? Möglichkeit einer abstracten Zusammenfassung – orbitale[cd] […] – [ce][…]. – Lösungen alle im Platonismus angelegt und Aristotelismus.
1) Negative Lösungen:
a) Leugnung der Realität des Einzelnen: Erscheinung und Wesen. Plato (halbnegativ abgeschwächt Realität des Einzelnen). Was nur Wesen – die höchste Idee, die Gottheit, d[as] Gute. Die letzte Abstraction des inhaltlosen Seins – das ἕν[18] der Neuplatoniker. Ebenso im Mittelalter, ebenso Spinoza[cf]: Ausdehnung und Denken – Substanz = Nichts. Das Hegel’sche Sein.
Deshalb auch kein Inhalt abzuleiten, denn die Umkehrung des Abstractionsverhältnisses. Die Determination nur durch Erfahrung gegeben. Pseudodeduction, Bilder; das ausstrahlende Licht. Daher Raum und Zeit als principia individuationis[cg][19].
b) Leugnung der Realität des Allgemeinen. Das Individuum ist das Atom. Aber jede Annahme eines sich gleich bleibenden Charakters des Atoms und einer sich gleich bleibenden Beziehung zu dem andern Atom ist Begriff, Allgemeines. Dieses muß also hineingelegt werden. Jedes Atom = Alles: Leibniz[ch], Monadologie.[ci]
2) Positive Lösungen.
a) rein räumliches Bild Ganzes und Theile μέϑεξις[20], aber falsch – das Ganze gilt nicht für die Theile – Einsicht des Unterschieds logischer und räumlicher Allgemeinheit. Dann folgt Unangemessenheit des Individuums zur Gattung. Als zeitlicher Proceß. Hegel[cj].
b) Verhältniß der Causalität, und zwar
α) Ideen Ursachen der Erscheinungen. Nomokratischer Gesichtspunct: identisch bei Platon und Demokrit. Denn ohne dieselben kein Atomismus. Reale Nothwendigkeit. Das Princip der „Specification“ bei Kant. Aus den Gesetzen das Einzelne nicht als solches abzuleiten. Daher monistischer Trieb.
β) dynamische Auffassung: Das Allgemeine als der Lebenstrieb des Einzelnen. Das Atom mit seinen Kräften (Spannkraft, latente Kraft etc.[ck]). Der organische Bildungstrieb. Idiotypische Auffassung (Leben), Arist[otelismus] = Darwinismus (logisches Determinationsschema der Deszendenzlehre). Das Allgemeine als Product des Einzelnen, so wie es impl[iziert] war – Teleologie.
3) Limitative Lösung. Allgemeines und Einzelnes nur verschiedene Auffassungsweisen desselben Inhalts, keines ohne das andere, keines aus dem Andern abzuleiten. |[cl]
Viertes Cap[itel.] Problem des Raums[cm]
Was ist der Raum, in dem die Dinge sich bewegen?
Zunächst, diese Vorstellung ist nicht ursprünglich, nicht erfahren, sondern erdacht zur Erklärung. Wir erfahren nur einzelne Räume und Raumverhältnisse; Formen als Grenzen und Entfernungen. Begrenzung und Localisation sämtlicher Empfindungen. Wirklich nur, was irgendwo im Raum gedacht werden kann.
Aber nicht unser ganzes Gesichtsfeld ist ausgefüllt; seine verschiedenen Theile können aber ausgefüllt werden.
Der empirische Raum.
Dieser aber selbst nur gegeben durch Grenzen. Folglich muß die Raumvorstellung über ihn hinausgehen. Die Unfähigkeit, eine Grenze des Raums zu denken, ist die Ursache der Vorstellung vom unendlichen Raum. Den müssen wir also auf alle Fälle denken. Eben damit verliert er die Fähigkeit, die Bewegung zu erklären.[cn]
Kommentar zum Textbefund
a↑W Windelband. | ] gegenüber auf der Umschlaginnenseite Inventarstempel; Bl. 1v Besitzstempel der Tohoku und ergänzender Text zur Einfügung auf Bl. 2r, Bl. 3r oben links ein weiterer Stempel über 6 Zeilen des Textes, Fortsetzung des Textes Bl. 2rf↑Ich … Griechen. ] gegenüber auf Bl. 1v geschrieben: Welche Probleme! Nur durch vergleichende Induction und dann Erklärung. Hier umgekehrte Darstellungk↑Dies … Thatsache ] gegenüber auf Bl. 1v geschrieben: Ueberall das Bedürfniß, über das unmittelbar Gegebene hinauszugehen und das Ganze zu verstehen.aa↑Welteinheit. | ] Bl. 4v–6r leer, Bl. 6v Text zur Einfügung auf Bl. 7r, Bl. 7r Fortsetzung des Textesac↑Ursprünglichste … Vorstellungsform. ] gegenüber auf Bl. 6v geschrieben: Unterschied von Substanz und Substantiviren. Collectivbegriffe. Landschaft, Wald. Abstracta. Gattungen. Substantivirungen von Eigenschaften: „das Böse ist geblieben.“ Zunächst eminente Gegenstände der Wahrnehmung.af↑Dinge … Eigenschaften. ] gegenüber auf Bl. 6v geschrieben: Ding Zusammengehörigkeit von Eigenschaften.ag↑Berkeley. ] mit Einfügungszeichen auf Bl. 6v geschrieben, davor nach gestrichenem Einfügungszeichen gestrichen: Gleichen oft jener Einheit als Träger, als metaphysische Realität gedacht.aj↑Gleichgiltigkeit … Ding. ] mit Einfügungszeichen auf Bl. 6v geschrieben, daneben geschrieben: Synthese in der modernen chemischen Theorie: hypothetisch. Wasserstoff?al↑gebildete. – ] danach gestrichen: Allein diese Betrachtungen dringen schließlich doch nicht in die Tiefe desam↑psychischer Vorgang ] Lesung unsicher, kann auch psychische Auffassung Vorgang heißen; Wörter stark verschriebenap↑Begriffs. ] danach folgt noch, nach dem Punkt geschrieben (Lesung unsicher): , und derselbe somit aus Subjecten [kann auch subjective heißen], danach ein unleserliches Wort.as↑Wir befragen die Substanz als metaphysische ] statt gestrichen: Wir wagen die Substanz der menschlax↑Allein … Haltbarkeit. ] gegenüber auf Bl. 7v geschrieben: Allein es kommt zur Addition die Vorstellung des inneren Zusammenhanges der Zusammengehängtheit hinzu.bi↑Continuität. ] danach gestrichen: Sein und Werden Wechselbegriffe, die nicht ohne einander gedacht werden können. Leben ist das Wesen des menschlichen Geistes; sein Element die Zeit.ci↑b) … Monadologie. ] gegenüber auf Bl. 9v geschrieben: Denken reale Function. Wie verhält sich das Denken zum übrigen Sein?; darüber am Kopf der S. Vermerke über den Verlauf der Vorlesung: 1) Metaphysisches Bedürfniß 2 Nov[ember] 2) Welteinheit 9 [November] 3) Substanz 16 [November] 4) Causalität 23 [November] 5) Sein und Werden 30 [November] 6) Begriff 7 Dec[ember] 7) [Begriff] 14 [Dezember] 8) Sein und Denken 11 Jan[uar] 9) Seele 18 [Januar] 10) [Seele] 25 [Januar] 11) Freiheit 1 Febr[uar] 12) Zweckmäßigkeit 8 [Februar] 13) Gute 15 [Februar] 14) Schöne 22 [Februar]; darunter: Allgemeingiltigkeit. Gegensatz zum Ereignis. 1) Göttliche Einpflanzung – göttliche Welt. 2) Menschliche Natur. Natürliche Austheilungsfähigkeit [Lesung unsicher]. moral sense. Sympathie. 3) Theoretische Formen, aus dem [ein Wort unleserlich] abzuleiten. Wahr und falsch sachgemäß. Größte Urtheil. Urtheil der Gesellschaft. 4) Verhältniß von Gesellschaft zum Individuum. [ein Wort unleserlich] Natürliche Gebundenheit.cn↑erklären. ] danach eine dreiviertel S. frei gelassen; Bl. 11v–23r leer, auf Bl. 23v Plan der Vorlesung für das WS 1882/83: Str[aßburg] 82/3. 1) Met[aphysisches] Bedürfn[is] 28 Oct[ober] 2) Welteinheit – 4 Nov[ember] 3) Substanz – 11 [November] 4) Raum und Erscheinung – 18 [November] 5) Werden und Zeit – 25 [November] 6) Causalität. – 2 Dec[ember] 7) Begriff. – 9 Dec[ember] 8) Sein und Denken – 16 [December]; Ende des Textes.Kommentar der Herausgeber
1↑Nihil tam absurdeat ] vgl. Cicero, De divinatione 2, 58: Nihil tam absurde dici potest quod non dicatur ab aliquo philosophorum (nichts ist so absurd, daß es von keinem Philosophen behauptet werden könnte).2↑Ersch und Gruber, Haym ] gemeint ist das Werk: Ersch/Gruber: Allgemeine Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste, 1818–89, hier 24. Teil 1848 (Philosophie–Phokylides). Anspielung auf Rudolf Haym nicht näher aufgelöst.3↑Frage der Schwurgerichte ] im Zuge der Reichsgründung von 1871 eingeführt, 1877 im Gerichtsverfassungsgesetz geregelt. An den Landgerichten für Tötungsdelikte und andere schwere Delikte zuständig, u. a. Presserechtsachen. Getrennte Befindung (bis 1924) über Strafe und Prozeßführung (Richter) und über Schuld und mildernde Umstände (Geschworene), vgl. Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1866–1918 Bd. 2. Machtstaat vor der Demokratie. München: Beck 1992, S. 184–185 u. 188–190.4↑πρώτη … ϑεωρητικήν ] vgl. Aristoteles: Metaphysik 982b8 (erste Wissenschaft: diejenige, die die ersten Anfänge und Gründe betrachtet).8↑Bruno … mondi.“ ] vgl. Giordano Bruno: De l’infinito, universo et mondi (über das Unendliche, das Universum und die Welten), 1584.9↑ὁ καλούμενος ὑπὸ τῶν σοφιστῶν κόσμος ] vgl. Xenophon: Memorabilia 1,1,11 (dasjenige, was von den Sophisten „Kosmos“ genannt wird).14↑von Zeit zu Zeit erscheinende Kugel ] Anspielung (auf eine Demonstration im Hörsaal?) nicht aufgelöst17↑„Unter dem Monde“ ] gemeint (nach der spätantiken Ausdrucksweise und Vorstellung): Welt unter dem Monde, nicht als Zitat nachgewiesen19↑principia individuationis ] lat. Prinzipien, die die Individualität (Unteilbarkeit) und Verschiedenartigkeit des Seienden bedingen▲