Bibliographic Metadata
- TitleWindelband an Paul Siebeck, Heidelberg, 2.2.1912, Text nach einer Transkription von Klaus Christian Köhnke, Umfang und Besonderheiten nicht bekannt, Staatsbibliothek zu Berlin, Haus Potsdamer Straße, NL 488
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- Physical LocationStaatsbibliothek zu Berlin, Haus Potsdamer Straße
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Windelband an Paul Siebeck, Heidelberg, 2.2.1912, Text nach einer Transkription von Klaus Christian Köhnke[1], Umfang und Besonderheiten nicht bekannt, Staatsbibliothek zu Berlin, Haus Potsdamer Straße, NL 488
Heidelberg, 2. Febr[uar] 1912
Hochgeehrter Herr Doctor,
Die Mitteilung von Ihrer Anweisung der Honorarhälfte[2] (2250 M) für die 6. Auflage meines Lehrbuchs ist mir vorgestern zugegangen, und ich bitte um Entschuldigung dafür, dass ich, da ich gestern den Tag über sehr beschäftigt war, Ihnen erst heute den Empfang durch die einliegende Karte dankbar bestätige. Es sind nun schon weitere drei Hefte druckfertig, sodass nur für das letzte Kapitel (VII) noch die definitive Durchsicht aussteht; aber, da der Satz noch nicht begonnen hat, so werde ich Ihnen erst den ganzen Rest, ich denke aber in nächster Woche zuschicken. Wegen des Wechsels der Druckerei[3] mache ich mir weiter keine Sorgen. Mit der Ihrigen arbeite ich immer sehr gut; aber wenn das diesmal nicht gehen sollte, so werden Sie schon sonst dafür zu sorgen wissen.
Mein Dank gilt auch der freundlichen Zusendung[4] des Logosheftes II,3[5] und des Einbanddeckels: und das ermutigt mich zu einer Bitte: das zweite[a] Heft des zweiten Bandes[6] habe ich nämlich – offenbar gegen Ihre Absicht – nicht erhalten. ich habe es nicht zu reklamieren gewagt, bekam auch einen grossen Teil in Separatabzügen[7], möchte es nun aber doch zum Binden des ganzen Bandes haben. Die letzten Hefte, besonders auch das letzte, haben mir sehr gefallen, und ich freue mich zu hören, dass der Logos gut geht und dass Sie finden, er werde sich so weiter führen lassen. ich habe die besten Hoffnungen für den Fortgang und denke gelegentlich auch wieder selbst darin aufzutreten[8].
Inzwischen hat ja nun auch der Satz der „Encyklopädie“[9] begonnen und ich begrüsse die mir von der „Philosophie im deutschen Geistesleben des 19. Jahrh[underts]“[10] wohlbekannten Typen, die wieder eine vortreffliche Austattung erwarten lassen. Diese Freude wurde gestern Abend etwas getrübt, als ich Dr. Ruge nach dem Fortgang des Satzes fragte und dabei erfuhr, Ihnen seien Zweifel gekommen, es werde erwogen, die andern Beiträge auch ins Deutsche zu übersetzen, zunächst eine nur deutsche Ausgabe zu machen und für die andern Sprachen auch ganze Ausgaben[11] in Aussicht zu nehmen. Als Grund gab Dr. Ruge an, Sie seien auf die Bedenken[12], die der Vertrieb eines mehrsprachigen Buches erwecke, durch „Autoritäten“ aufmerksam gemacht worden. Nun weiß ich nicht, was das für Autoritäten sind: da nun aber einmal mein Name mit der Encyklopädie verbunden ist, so bitte ich Ihnen auch meine Auffassung vortragen zu dürfen. Dies Bedenken ist kein Novum, bei der Begründung des Unternehmens haben es doch alle Beteiligten erwägen müssen, und wenn damals Sie und ich auf Ruge’s Gedanken eingegangen sind, so vertrauten wir einerseits auf die Zugkraft der zu beteiligenden Autoren, andrerseits auf die Eigenart des Gedankens, der ja etwas durchaus Neues, was noch keiner vorgemacht hat, und etwas charakteristisch Internationales – und international ist Trumpf – in eindrucksvoller Weise zu bieten verspricht. Darin hat sich m. E. nichts geändert, und ich bin noch heute der Meinung, dass gerade das (vielleicht nicht allzugrosse) Publicum, das fünf oder sechs Behandlungen der Principien der Logik aufzunehmen vermag, an der Viersprachigkeit keinen Anstoss nehmen wird. Darum, meine ich, sollten wir dabei bleiben. Wenn jetzt die vier Autoren erst um ihre Zustimmung zu dem neuen Plan angegangen werden sollen, wenn dann Uebersetzer gesucht werden, die ihnen genehm sind, wenn diese ihr (nicht leichtes) Werk leisten sollen und die Autoren wieder es prüfen müssen, – wobei immer zu bedenken ist, dass jede Korrespondenz mit Herrn Royce (U. S. A.) mindestens drei Wochen in Anspruch nimmt, – ja, dann können wir sicher darauf rechnen, dass der erste Band vor nächsten Winter auf keinen Fall erscheinen kann. Und was schwerer wiegt, bei jeder Phase dieser umständlichen Verhandlungen laufen Sie Gefahr, dass der eine oder der andre der Mitarbeiter sich zurückzieht, wozu er ja völlig Recht hätte. Die Herren sind schon jetzt wegen der Verzögerung ungehalten, die leider ich durch meinen Gesundheitszustand verschuldet habe, und jeder kann seinen Aufsatz jeden Augenblick irgendwo anders zum Abdruck bringen. Besonders fürchte ich für Herrn Croce, der, wie ich genau weiss, sehr ärgerlich darüber ist, dass Dr. Ruge neben ihm noch den Herrn Enriques aufgefordert hat, mit dem er in heftiger Fehde liegt: Croce wäre daraufhin am liebsten gleich zurückgetreten und ist nur aus Rücksicht auf mich dabei geblieben. Jedenfalls ist eine solche Umänderung des Plans mitten in der Ausführung das beste Mittel, die ganze Sache zu Falle zu bringen. Gewiss wird Dr. Ruge bei der Fortsetzung, für die folgenden Bände[13] auf manchen Widerstand und manche Ablehnung stossen, die z. T. vielleicht auch auf persönlichen Abneigungen beruht: um so froher sollten wir sein, dass der erste Band glatt zusammen ist und nur noch gedruckt zu werden braucht, wie es verabredet, stipuliert[14] und von Ihnen schon auf dem Logostitel angezeigt[15] ist. Es wäre doch blamabel, wenn das im letzten Moment ungeändert werden müsste, namentlich auch vor dem Ausland. Deshalb kann ich nur raten und bitten, werden Sie nicht irre an der Sache, lassen Sie nicht von Aussenstehenden hereinreden und führen Sie die Sache aus! Es scheint mir, dass wir in jeder Richtung engagiert sind, wir können nicht zurück, also – vorwärts!
Mit hochachtungsvollem Grusse wie stets der Ihrige
W Windelband
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Transkription von Klaus Christian Köhnke ] Kollation derzeit nicht möglich. Der Transkription liegt die Datei Manuskript: Windelband Briefe | herauszugeben von K. C. Köhnke | Ausdruck vom 1.3.2012 zugrunde, die den Herausgebern zur Verfügung steht. Ein Ausdruck dieser Datei befindet sich in öffentlichem Besitz (Universität Leipzig, Nachlass Klaus Christian Köhnke NL 330/3/1/2). Die Signatur des Originals ist mit Stichtag 14.5.2018 noch nicht bekannt. Laut telefonischer Auskunft von Roland Klein, Referat für Nachlässe und Autographen der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz vom 21.11. und 2.12.2016 ist die Erfassung des Nachlasses 488 (Verlagsarchiv Mohr-Siebeck) noch nicht abgeschlossen.5↑Logosheftes II,3 ] vgl. Logos 2(1912), Heft 3, Inhalt: Eugen Kühnemann: Herder, Kant, Goethe; Broder Christianesen: Das ästhetische Urphänomen; Leopold Ziegler: Ueber einige Begriffe der „Philosophie der reinen Erfahrung“; Herman Nohl: Die Deutsche Bewegung und die idealistischen Systeme; Arnold Ruge: System und Geschichte der Philosophie.6↑zweite Heft des zweiten Bandes ] vgl. Logos 2 (1912), Heft 2, Inhalt: Heinrich Rickert: Lebenswerte und Kulturwerte; Karl Vossler: Das Verhältnis von Sprachgeschichte und Literaturgeschichte; Wjatscheslaw Iwanow: L. Tolstoj und die Kultur; Jonas Cohn: Hans von Marées; Gustav Radbruch: Ueber den Begriff der Kultur; Wassilij Sesemann: Das Rationale und das Irrationale im System der Philosophie; Georg Mehlis: Formen der Mystik.8↑darin aufzutreten ] Windelband hat im Logos nichts außer: Kulturphilosophie und transzendentaler Idealismus. In: Logos. Internationale Zeitschrift für Philosophie der Kultur 1 (1910), Heft 2, S. 186–196, veröffentlicht.9↑„Encyklopädie“ ] das Projekt Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften. Hg. v. W. Windelband u. A. Ruge. Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1912.11↑Beiträge … Ausgaben ] dieser Plan wurde entgegen Windelbands nachdrücklichen Wunsch (vgl. Windelband an Siebeck vom 6.2.1912) umgesetzt. Die Beiträge für den deutschen Band 1912 wurden übersetzt.12↑Bedenken ] vgl. Ruge an Siebeck vom 1.2.1912, daß er persönlich mit Windelband über den Plan Siebecks und Ruges gesprochen habe, anstatt die Enzyklopädie in einem fünfsprachigen Band erscheinen zu lassen, jeweils Bände in fünf Sprachen herauszugeben; sowie vom 7.2.1912: er habe am 6.2. nochmals mit Windelband telefonisch darüber gesprochen (zitiert nach Nachlaß Köhnke, UB Leipzig NL 330/3/1/4: Klaus Christian Köhnke/Rüdiger Kramme: Abschlußbericht Logos, Teil 2 (Archiv-Katalog) 1916–33; Stichtag 16.11.1993).13↑folgenden Bände ] das Ruge/Windelbandsche Projekt einer Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften ist nicht über den ersten Band hinausgekommen.15↑auf dem Logostitel angezeigt ] vgl. die Anzeige nach S. 120 in Logos 3 (1912), 1. Heft: Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften. In Verbindung mit Wilhelm Windelband herausgegeben von Dr. Arnold Ruge in Heidelberg. Erster Band: Logik. Erscheint in zwei Hälften. Inhalt: Wilhelm Windelband: Die Prinzipien der Logik. Josiah Royce, Die Prinzipien der Logik. Louis Couturat, Die Prinzipien der Logik. Benedetto Croce: Die Aufgabe der Logik. Frederigo Enriques, Die Probleme der Logik. N. Losskij: Die Umgestaltung des Bewusstseinsbegriffes in der modernen Erkenntnistheorie und ihre Bedeutung für die Logik. Ein ausführlicher Prospekt ist diesem Hefte beigefügt. Vom Prospekt ist kein Exemplar ermittelt.▲