Bibliographic Metadata
- TitleWindelband an Alfred Dove, Heidelberg, 25.10.1911, 3 S., hs. (lat. Schrift), UA Freiburg, C 0140 NL Alfred Dove: 20 Korrespondenz R–Z
- Creator
- Recipient
- Participants
- Place and Date of Creation
- Series
- Physical LocationUniversitätsarchiv Freiburg
- URN
- Social MediaShare
- Archive
- ▼
Windelband an Alfred Dove, Heidelberg, 25.10.1911, 3 S., hs. (lat. Schrift), UA Freiburg, C 0140 NL Alfred Dove: 20 Korrespondenz R–Z
Heidelberg, 25.10.11.
Verehrter Freund,
Herzlichen Dank für Ihre Festschrift[1] zur Erläuterung der schöngefassten Inschrift! ich bin sehr erfreut, so doch auch etwas von der Feier abzubekommen, auf die ich sonst schweren Herzens verzichtet habe. Diese Bronchitis kam mir sehr ungelegen, ich hatte mich riesig auf die Tage gefreut, zu denen ich so zu sagen zu gehören meine, und bei meinen vielen Beziehungen hatte ich mir vieles gerade für diese Begegnungen aufgespart. Es hat nicht sollen sein! Warum ist man nur so vernünftig? hat’s einen Zweck?
Ihr Festgruss[2] hat mich sehr interessiert. Er ist echt freiburgisch empfunden: die Freude am eignen Wachstum gemessen an Heidelberg. Dass Sie uns hier durch den Mangel an Modernität charakterisieren, ist so unrichtig nicht. Von der flotten und | kecken Stadtpolitik, die Ihrer Universität zugute kommt, fehlt hier leider jede Spur. In Bezug auf die Sportattractionen kann mit dem Kollegen Feldberg[3] hier keiner wetteifern. Und auch im akademischen Treiben hat man wohl hier einige Jahrzehnte lang auf den Lorbeeren geschlummert. Diesen Eindruck hatte ich sofort, als ich herkam, und er hat sich durch schmerzliche Erfahrungen bestätigt. Sie haben ganz Recht, an Fixigkeit und Modernität ist uns Freiburg dauernd über. Aber an Einem Punkte, Verehrtester, sind wir Ihnen voraus: das ist die Frauenbewegung[4]! Oder sind sie etwa auch so weit, dass sich eine Frau nicht gut sehen lassen kann, wenn sie nicht Pathe für mindestens drei uneheliche Kinder ist?! In dieser Moder|nität haben wir immer das Allerneuste. Wollen Sie das nicht auch für Freiburg haben[5]? Wir geben’s gern!
Im Ernst aber, ich bin mit den aufrichtigsten und selbstlosesten Gefühlen der Freude und des Glückwünschens bei Ihrem Feste. Freiburg ist mir ja so etwas wie die Jugendliebe aus des Lebens schönster Zeit: so sehr der Gang der Dinge mich von ihr getrieben, ihr Glück bleibt meine Freude!
Meiner Frau tut es besonders leid, des gehofften Wiedersehens mit der Ihrigen[6] verlustig zu gehen, wir grüssen Sie beide herzlichst!
Treulich der Ihrige
W Windelband
Kommentar der Herausgeber
1↑Festschrift ] vgl. a/D. [= Alfred Dove]: MCMVI–MCMXI. Aedem a patre studiis dedicatam erexit Fridericus II. In: Festblatt zur Einweihung des Neuen Kollegien-Hauses der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Sonderausgabe der Akademischen Mitteilungen [Umschlagtitel: Alberto-Ludoviciana. Erinnerungen aus der Studienzeit alter und junger Semester – diese in Nr. 2 u. 3 vom 25. u. 28.10.1911]. Unter der verantwortlichen Leitung des Privatdozenten Dr. Veit Valentin hg. v. Hans Speyer. Freiburg i. B.: Speyer & Kaerner 1911, Nr. 1 v. 21.10.1911, S. 2–3.2↑Ihr Festgruss ] vgl. für den Wortlaut den Kommentar zu Dove an Windelband vom 6.11.1911 – dort sind die von Windelband hervorgehobenen Stellen von Dove als ironisch gemeint bezeichnet.4↑Frauenbewegung ] Seitenhieb auf u. a. Marianne Webers soziale Initiativen, vgl. den Kommentar zu Windelband an Max Weber vom 12.12.1910.5↑für Freiburg haben ] vgl. die im selben spöttischen Ton von einem unbekannten Autor verfaßten: Begrüssungsworte gerichtet an Ihre Königliche Hoheit die Grossherzogin bei Überreichung zweier Blumensträuße durch je drei kleine Professoren-Töchter am 3. Juli 1906. In: Feier der Grundsteinlegung des neuen Universitätsgebäudes. Freiburg im Breisgau am 3. Juli 1906. Freiburg i. B.: C. A. Wagner 1906, S. 1 (Auszug): In strenger Männer ernstem Kreis, | Da müssen kleine Mädchen schweigen. | Ganz schüchtern nahen wir und leis, | Der lieben Fürstin uns zu neigen. | […] Das Wichtigste ist heutzutage | Beim Studium die Frauenfrage! | Die Frauenemancipation | Verdrängt noch ganz den Musensohn. | Und wird die Aula fertig stehn, | Wird man nur Musentöchter sehn. | Wir drei als Schwestern Studio | Sind dann im Festpräsidio. | Und mit dem Strauß als Festjungfrau’n | Wird man dann unsre Brüder schau’n. | So kommt’s, hoff’ ich mit Zuversicht; | Der Vater meint „Vielleicht auch nicht!“▲