Bibliographic Metadata
- TitleWindelband an Franz Böhm, Heidelberg, 27.10.1909, 2 S., hs. (lat. Schrift), Generallandesarchiv Karlsruhe, Abt. 52 Nr. 673
- Creator
- Recipient
- Participants
- Place and Date of Creation
- Series
- Physical LocationGenerallandesarchiv Karlsruhe
- URN
- Social MediaShare
- Archive
- ▼
Windelband an Franz Böhm, Heidelberg, 27.10.1909[1], 2 S., hs. (lat. Schrift), Generallandesarchiv Karlsruhe, Abt. 52 Nr. 673
Heidelberg, 27.10.09[a]
Hochgeehrter Herr Geheimerat,
Gestatten Sie mir Ihre gütige Aufmerksamkeit auf eine etwas ungewöhnliche, aber wie mir scheint, durchaus beachtenswerte Angelegenheit zu richten.
Mein Assistent[2], Herr Dr. Ruge, ein eifriger und betriebsamer, etwas eigenartiger, aber theoretisch und praktisch veranlagter Mann, begründet eben eine internationale Bibliographie für Philosophie[3], wie sie auf dem Kongress[4] allgemein als Desideratum anerkannt wurde. Er hat recht erfreuliche Beziehungen dafür im ganzen Auslande gewonnen, und ich halte das Unternehmen für gut und dauernd fundiert.
Nun hat er den Gedanken aufgeworfen, die gesamte dabei einlaufende Literatur, die ihm als Redacteur zusteht, unsrem Seminar zuzuweisen. Dieses würde dadurch | hinsichtlich der Anschaffungen der neu erscheinenden Literatur völlig entlastet und könnte seine Mittel für die Ausfüllung der noch recht grossen Lücken in der älteren wertvollen Literatur verwenden. Es bekäme dadurch eine nach allen Richtungen einzig dastehende Vollständigkeit, – einen Reichtum, der mit der Zeit fast räumliche Probleme schaffen müsste, die aber keineswegs unlösbar sind. Dies kann ich also als Seminardirector nur lebhaft begrüssen.
Als Entgelt für diese Leistung denkt sich weiterhin Herr Ruge eine Renumeration seiner Assistentenstellung, die nicht mehr im Sinne der „Senioren“ in den Seminarien unserer Fakultät (jährlich etwa 100 Mk), sondern in der Weise der Assistenten an Laboratorien und Kliniken, finanziell ihnen analog, ihm einen entsprechenden Existenzzuschuss gewähre, der tatsächlich unter dem Verkaufswerte der von ihm zur Verfügung zu stellenden Bücher bleiben würde. Er müsste dann ausdrücklich als Assistent geführt werden und als solcher honoriert sein.
Ueber die budgetmässigen Möglichkeiten einer solchen Vereinbarung, die im Interesse des Seminars in der Tat sehr erwünscht wäre, bin ich nicht ganz klar. Herr Ruge hat deshalb den Wunsch ausgesprochen, Ihnen die Sache persönlich vorzutragen, und ich habe ihm zugesagt, Sie um freundliche Aufnahme zu bitten, wenn er in diesen Tagen sich erlaubt, Ihnen seine Aufwartung zu machen[5].
Genehmigen Sie, hochgeehrter Herr Geheimrat, auch bei dieser Gelegenheit den Ausdruck der vorzüglichen Hochachtung, mit der ich bin
Ew. Hochwohlgeboren ergebenster
W Windelband
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Windelband an Franz Böhm, Heidelberg, 27.10.1909 ] Erstabdruck in: Klaus Christian Köhnke: Sinn für Institutionen. Mitteilungen aus Wilhelm Windelbands Heidelberger Zeit (1902–1915). In: Hubert Treiber, Karol Sauerland (Hg.): Heidelberg im Schnittpunkt intellektueller Kreise. Opladen 1995, S. 44–45.2↑Assistent ] die Bezeichnung Assistent ist offenbar schon seit mindestens 1905 von Ruge geführt worden, wie aus dem Briefwechsel zwischen Siebeck und Windelband hervorgeht. Eine Legitimation dazu lag aber offensichtlich noch nicht vor. Vielmehr konnte Ruge sich allenfalls als Senior bezeichnen, d. h. als studentischen Seminarmitarbeiter (in höherem Semester), dem dafür eine kleine Aufwandsentschädigung zustand (vgl. Köhnke: Sinn für Institutionen. Mitteilungen aus Wilhelm Windelbands Heidelberger Zeit (1902–1915). In: Hubert Treiber, Karol Sauerland (Hg.): Heidelberg im Schnittpunkt intellektueller Kreise. Opladen 1995, S. 66).3↑internationale Bibliographie für Philosophie ] Die Philosophie der Gegenwart. Eine internationale Jahresübersicht. Hg. v. Arnold Ruge. Erscheinungsverlauf: Bd. 1 („Doppelband“) Literatur 1908 u. 1909, Heidelberg 1910. Bd. 2 Literatur 1910, Heidelberg 1912. Bd. 3 Literatur 1911, Heidelberg 1913. Bd. 4 Literatur 1912, Heidelberg 1914 (vgl. den Anzeigentext in dass., S. 325: Als ein besonderer Vorzug dieses Werkes aber ist es anzusehen, daß unter jedem wissenschaftlich bedeutenden Werke Inhaltsangabe des Herausgebers oder Selbstanzeige des Verfassers, ferner die erschienenen Rezensionen sich befinden). Bd. 5 Literatur 1913, Heidelberg 1915.4↑Kongress ] dem 3. Internationalen für Philosophie in Heidelberg, vgl. zu Ruges Projekt Windelband an Heinrich Rickert vom 15.5.1909.▲