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- TitleFranz Böhm an Windelband, Karlsruhe, 27.3.1909, 8 S., hs., Briefkopf: Ministerium | der | Justiz, des Kultus und des Unterrichts | Karlsruhe, den … 190, UA Heidelberg, HAW 1
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Franz Böhm an Windelband, Karlsruhe, 27.3.1909, 8 S., hs., Briefkopf: Ministerium | der | Justiz, des Kultus und des Unterrichts | Karlsruhe, den … 190, UA Heidelberg, HAW 1
27. März 1909.
Hochverehrter Herr Prorektor[1]!
Die Ministerialakten über den Plan der Gründung einer gelehrten Gesellschaft in Heidelberg sind sehr dürftig und lückenhaft. Die Angelegenheit ist im wesentlichen mündlich verhandelt worden. In Gesprächen des Großherzogs mit Heidelberger Professoren während der Jubiläumstage 1886[2] ist der Gedanke erstmals ernstlich erörtert worden. Herr Geheimrat Professor Dr. Kühne[3] war der Vorkämpfer; er hat dem Großherzog den Plan unterbreitet, eine | wissenschaftliche Gesellschaft nach dem Vorbilde der wissenschaftlichen Societät in Göttingen zu gründen. Herr Staatsminister Dr. Nokk hat darüber im Auftrage des Großherzogs Erkundigungen eingezogen und besonders noch Herrn Geheimrat Professor Fischer um seine Ansicht gefragt. Die Antwort desselben vom 6 November 1887 hat dem Projekte ein rasches Ende bereitet. Nach einigen freundlichen Worten über die Allerhöchste Anregung schreibt er:
„Um nun die Wirksamkeit und das Ansehen der Universität durch die Gründung einer wissenschaftlichen | Zeitschrift und Gesellschaft und auf diesem Wege die großgestimmten Absichten Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs zu erfüllen: dazu ist, da es sich doch um ein gedeihliches Zusammenwirken handelt, vonseiten der Universität vor allem das bereitwilligste Entgegenkommen, das Bedürfniß zur Vereinigung der wissenschaftlichen Interessen und Arbeiten und ein guter akademischer Gemeingeist notwendig.
Euere Excellenz wissen, wie getheilt die wissenschaftliche Arbeit unserer Tage ist und sein muß, wie es der heutige Zustand der Wissenschaften mit sich gebracht hat, daß ihre Fragen und | Fächer sich immer mehr und mehr specificieren. Die Mittheilung der gelehrten Forschung geschieht in Fachjournalen[a], neben welchen eine Universitätszeitschrift zwar recht wohl existieren und sich auch nützlich erweisen aber keine glänzende Wirksamkeit entfalten kann. Die Heidelberger Jahrbücher[4] haben ihre Zeit gehabt und sind untergegangen, die Göttinger gelehrten Nachrichten[5] haben auch aufgehört eine Berühmtheit zu sein, sie fristen ein ehrwürdiges aber kein leuchtendes Dasein. Es ist die Frage, ob die Gründung etwa neuer Heidelberger Jahrbücher durch ihren Erfolge | den Aufwand der Kosten und Mühen lohnen wird.
Ich setze die Tüchtigkeit und die Eintracht der akademischen Kräfte für das neue Unternehmen voraus, das ohne diese Grundbedingungen nicht auszuführen wäre; ich bin bei meinem ganz zurückgezogenen, auf meine lehramtliche und schriftstellerische Tätigkeit eingeschränkten Leben nicht wohl im Stande zu beurteilen, wie sich der hiesige akademische Gemeingeist einer solchen Aufgabe gegenüber verhalten wird. Frühere Erfahrungen | lehren mich manche Schwierigkeiten befürchten.
Es giebt Hemmungen, die in den Schicksalen liegen, mit welchen nach dem Sprichwort die Götter vergebens kämpfen. Solche Hemmungen haben die neueren Zeitverhältnisse auch uns gebracht: ich meine die kleineren nicht preußischen Universitäten. Umso energischer müssen sich die Lehrkräfte[b] aufraffen, um der Unzucht der Verhältnisse Widerstand zu leisten. Als die Universität Berlin gegründet wurde, sagte der damalige Kultusminister W[ilhelm] v[on] Humboldt: „Für die Universität ist es genug, | wenn jede Wissenschaft vom besten Professor vorgetragen wird.“[6] Und die Geschichte unsere Universität unter der vorigen Regierung der Zähringer[7] bezeugt die Richtigkeit dieses Wortes.“
Diese kalte Dusche und der Mangel an Geld haben damals dem schönen Plane ein rasches Ende bereitet. Hoffen wir, daß der neue Plan, gegründet auf eine sichere finanzielle Grundlage und getragen von dem erfreulicherweise zur Zeit vorhandenen akademischen Gemeingeiste, recht bald schöne Wirklichkeit wird. Ich sehe mit Spannung Ihren weiteren | Nachrichten entgegen.
In bekannter Verehrung Eurer Magnifizenz ergebenster
Böhm
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Prorektor ] Windelbands Amt im akademischen Jahr 1909/10. Das Schreiben Böhms steht im Kontext der Heidelberger Planungen, eine Akademie der Wissenschaften zu gründen.3↑Kühne ] Wilhelm Kühne (1837–1900), Mediziner und Physiologe, 1868 o. Prof. für Physiologie in Amsterdam, 1871 in Heidelberg (NDB).6↑„Für … wird.“ ] Wilhelm von Humboldt in einem Schreiben an Johann Gottlieb Fichte, vgl. z. B. Kuno Fischer: Fichtes Leben, Werke und Lehre. 3., durchgearbeitete Aufl. Heidelberg: C.Winter 1900 (Geschichte der neuern Philosophie Bd. 6), S. 204.▲