Titelaufnahme
- TitelWindelband an Heinrich Rickert, Heidelberg, 22.2.1908, 4 S., hs. (lat. Schrift), Wasserzeichen R. DIEFFENBACHER (geteilter Bogen), UB Heidelberg, http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/heidhs2740IIIA-224_55
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Windelband an Heinrich Rickert, Heidelberg, 22.2.1908, 4 S., hs. (lat. Schrift), Wasserzeichen R. DIEFFENBACHER (geteilter Bogen), UB Heidelberg, http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/heidhs2740IIIA-224_55
Heidelberg, 22.2.08
Verehrter Freund und Kollege,
Endlich ist es soweit, dass ich annehmen darf, unser Fakultätsvorschlag[1] ist, nachdem er den „Engeren“[2] passiert hat, heute nach Karlsruhe abgegangen. ich wollte, Ihrem eignen Wunsche gemäss, Ihnen nicht eher schreiben, als bis hier die Angelegenheit in feste Bahnen gekommen war.
Der principielle Standpunkt unsres Vorschlags ist der, dass eine Doppelbesetzung der Philosophie nur dann erwünscht ist, wenn einerseits die beiden Vertreter nicht so weit auseinanderstehen, dass die einheitliche Wucht der didaktischen Wirkung zersplittert und gestört ist, und wenn andrerseits ein Mass von Eigenart und Selbständigkeit auf beiden Seiten vorhanden ist, dass eine fruchtbare Ergänzung und Wechselwirkung zu erwarten ist. Unter | dieser Voraussetzung haben wir in erster Linie Sie vorgeschlagen und ausdrücklich mit aller Energie betont, dass dies die Kombination sei, die für die Philosophie weitaus die wertvollste, ja eigentlich die allein wertvolle sein würde.
Für den Fall, dass wir Sie nicht bekommen, haben wir dann in zweiter Linie Simmel vorgeschlagen, in dem Sinne, dass bei ihm keine allzu gegensätzliche Wirksamkeit neben der meinigen zu befürchten sei, dass dagegen seine ausgesprochene und in der Gesellschaftsphilosophie führende Persönlichkeit auch einen Gewinn für[a] die Universität darstellen und neben Gothein[3] und Jellinek eine Vollständigkeit erstgradiger Vertretung der gesellschafts|wissenschaftlichen Disciplinen darstellen würde, die eine nirgends annähernd vergleichbare Konstellation bedeutete.
Wenn keiner von Ihnen beiden zu haben ist, so zieht es die Fakultät vor, die Professur zunächst unbesetzt zu lassen und behält sich für den geeigneten Zeitpunkt weitere Anträge vor.
Diese Vorschläge entsprechen, meiner lange erwogenen und nicht leicht abgeschlossenen Ueberzeugung nach, durchaus, aber auch allein der Sachlage. Ob nun die Karlsruher Regierung sich entschliessen wird, den Freiburgern es diesmal anzutun, dass Sie Ihnen die Möglichkeit einer freien Entscheidung gewährt, – das weiss ich nicht. Gross ist meine Hoffnung nicht. Was wir bei Meineke erlebt[4] | haben, bleibt ja z. T. in principieller Hinsicht bestehen, wenn auch in einigen Nebenbeziehungen die jetzige Lage etwas günstiger für uns ist. Was ich denke und so kräftig wie möglich vertrete, wissen Sie: es wäre mir für mich sehr viel lieber, und ich halte es tatsächlich für viel richtiger, wenn wir Sie bekämen. Aber wir müssen abwarten; bisher habe ich immer nur zu hören bekommen, was ein Staat wie Preussen sich leisten könne und müsse, seine Universitäten sich einander Konkurrenz machen zu lassen, das dürfe ein Staat wie Baden mit seinen zwei Universitäten nicht nachmachen[5]. Jedenfalls habe ich getan, was möglich war, um meinen Lieblingswunsch zu erfüllen. Und was auch werde, ich hoffe Sie bleiben der herzlich treuen Gesinnung sicher, mit der ich bin wie stets der Ihrige
W Windelband
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Fakultätsvorschlag ] zur Nachfolge Kuno Fischers bzw. zur Bsetzung des 2. Heidelberger philosophischen Ordinariats vom 1.2.1908, abgedruckt in Bd. 24 der Georg-Simmel-Gesamtausgabe, S. 277–280. Inhaltlich entsprechend der von Windelband im vorliegenden Schreiben gelieferten Skizze.3↑Gothein ] Eberhard Gothein (1853–1923), Kulturhistoriker, Nationalökonom, 1884 Prof. für Nationalökonomie an der Technischen Hochschule Karlsruhe, 1890 in Bonn, 1905 in Heidelberg (NDB).▲
