Bibliographic Metadata
- TitleWindelband an Heinrich Rickert, Heidelberg, 22.7.1904, 3 S., hs. (lat. Schrift), UB Heidelberg, http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/heidhs2740IIIA-224_49
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Windelband an Heinrich Rickert, Heidelberg, 22.7.1904, 3 S., hs. (lat. Schrift), UB Heidelberg, http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/heidhs2740IIIA-224_49
Heidelberg, 22.7.04
Lieber Herr College,
Ihren Beitrag[1] habe ich eben sogleich auf der Bank eingezahlt: er ist über Durchschnitt, also vollkommen zweckentsprechend. Wir haben nun schon 10 000 M. zusammen, – darunter allerdings einige ganz grosse Posten –, und ich bin völlig befriedigt. Der fünfjährige Preis[2] kann so bereits 1500 M. betragen; je mehr er noch wüchse, um so gesteigerter wäre nachher die Verantwortung.
Von der Festschrift[3] erscheint jetzt (das erste Exemplar soll heut Abend fertig sein und über Nacht gebunden werden) der erste Band, enthaltend Liebmannʼs Widmungsdichtungen; Wundt Psychologie[4]; Bauch Ethik; Troeltsch Religionsphilosophie; Logik ich. Der zweite Band soll Ende des Jahres kommen: Sie, | Lask mit der Rechtsphil[osophie], Groos mit Aesthetik; dazu noch Jemand über Geschichte der Philosophie, am liebsten nicht ich, sondern vielleicht Kühnemann. Wissen Sie denn Niemand für Naturphilosophie? Wundt, Lasswitz, Külpe, Hartmann, König[5] haben abgelehnt, an Ostwald zu gehen widerriet Wundt, weil jener dasselbe Thema in gleichem Umfang für die Teubnerʼsche Kultur der Gegenwart[6] behandelt. Sollte man wirklich zu Reinke[7] greifen müssen?
Dass Jon[as] Cohn sich nach Genf anschliesst[8], freut mich sehr; er will sogar erfreulicher Weise sprechen[9]. ich hoffe, dass ich dort nicht allzu viel von meiner Erholung wieder einbüsse, die ich vorher, als etwas nach diesem | gehetzten Semester[10] sehr Nötiges, im Wallis suchen werde. Auf dem Rückwege überschlage ich vielleicht einen Zug, um mich nach Ihrem Befinden[11] zu erkundigen, das ich hoffentlich recht günstig finden werde!
Lask bedaure ich einigermassen, dass man ihm dies Büttelamt[12] aufgeladen hat. Er konnte bei seinem Wesen nicht anders, als dann ganz seine Meinung sagen, hat aber doch eine möglichst ruhige Form gesucht. Sachlich ist es freilich peinlich scharf geraten. Dass aber der Zorn auf Sie übertragen[13] werden sollte, wäre doch entschieden lächerlich.
Mit den herzlichsten Grüssen und Ferienwünschen von Haus zu Haus wie stets der Ihrige
W Windelband
Kommentar der Herausgeber
1↑Beitrag ] vgl. in UA Heidelberg, RA 5214 (Kuno Fischer-Preis-Stiftung 1904–1914) die Zeichnungslisten zum Kapital der Kuno-Fischer-Preisstiftung. Windelband selbst zeichnete mit 50 Mark, Wilhelm Dilthey z. B. 20 Mark, Heinrich Rickert (Rükert) 30 Mark. Der Kontostand bei der Oberrheinischen Bank Filiale Heidelberg betrug am 30.9.1904: 10575,40 Mark.3↑Festschrift ] vgl. Die Philosophie im Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Festschrift für Kuno Fischer unter Mitwirkung v. B. Bauch, K. Groos, E. Lask, O. Liebmann, H. Rickert, E. Troeltsch, W. Wundt hg. v. W. Windelband. 1. Bd. Heidelberg: C. Winter 1904. Das Exemplar der UB Leipzig enthält den Broschurtitel, darauf der eingedruckte Vermerk: Der zweite Band dieses Werkes wird Anfang 1905 erscheinen und folgenden Inhalt haben: Aesthetik von Karl Groos. Geschichtsphilosophie von Heinrich Rickert. Rechtsphilosophie von Emil Lask. Geschichte der Philosophie von Windelband. Andere Beiträge vorbehalten. Auf dem Broschurtitel des 2. Bandes u. a. der Vermerk: Der erste Band dieses Werks erschien zu Kuno Fischer’s 80. Geburtstag am 23. Juli 1904. […] Die beiden Bände sind auch in einem Halbfranzband geb. zum Preis von 12 Mk. zu beziehen. Die endgültige Gestalt der Festschrift war erst mit der 2. Aufl. (in 1 Bd.) erreicht: Die Philosophie im Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Festschrift für Kuno Fischer unter Mitwirkung v. O. Liebmann, W. Wundt, Th. Lipps, B. Bauch, E. Lask, H. Rickert, E. Troeltsch, K. Groos hg. v. W. Windelband. 2., verbesserte u. um das Kapitel Naturphilosophie [von Theodor Lipps] erweiterte Aufl. Heidelberg: C. Winter 1907.4↑Wundt Psychologie ] vgl. zur Einwerbung des Beitrags Otto Winter (Carl Winter’s Universitätsbuchhandlung Heidelberg) an Wilhelm Wundt vom 15.2.1904: Im Juli dieses Jahres feiert Herr Geh. Rat Kuno Fischer seinen 80. Geburtstag. Mit Herrn Geh. Rat Windelband habe ich den Plan gefasst eine Festschrift zu veröffentlichen. Um diese zu einem wertvollen Werk zu gestalten haben wir das Thema zu Grunde gelegt: Die Philosophie im Beginn des 20. Jahrhundert[s]. Es sollte über den gegenwärtigen Stand, über die hauptsächlich zu behandelnden Probleme, über die Richtungen ihrer Lösung, über das etwaige Mass dessen was als Besitzstand für die Weiterarbeit angesehen werden darf, kurz berichtet werden. Wir haben 8–9 Kapitel vorgesehen: Logik u. Erkenntnistheorie (diese wird Herr Windelband übernehmen), Psychologie, Naturphilosophie, Ethik, Rechtsphilosophie, Geschichtsphilosophie, Aesthetik, Geschichte der Philosophie. Winter lädt Wundt für einen Beitrag zu Psychologie ein, im Umfang von 2–3 Bogen zu einem Bogenhonorar von 100 Mark, abzuliefern bis 1.6.1904 (UA Leipzig, NA Wundt/III/1601-1700/1677/29-32; https://histbest.ub.uni-leipzig.de/content/estate_wundt.xed). In Wundts Nachlaß findet sich außerdem ein Dankschreiben Kuno Fischers an Wundt vom 15.7.1904 für dessen Beitrag.5↑König ] womöglich gemeint: Walter König (geb. 1859), Physiker, 1900–1905 Prof. an der Universität Greifswald, ab 1905 in Gießen (Wer ist’s 1912, S. 831).6↑Teubnerʼsche Kultur der Gegenwart ] vgl. Wilhelm Ostwald: Naturphilosophie. In: Systematische Philosophie. Berlin/Leipzig: B. G. Teubner 1907 (Die Kultur der Gegenwart. Hg. v. Paul Hinneberg, Teil 1, Abt. 6), S. 138–172.7↑Reinke ] Johannes Reinke (1849–1931), Botaniker und Philosoph, Studium in Rostock, Bonn, Berlin und Würzburg. 1873 ao. Prof., 1879 o. Prof. der Botanik und Biologie in Göttingen, 1885 in Kiel (DBE).8↑nach Genf anschliesst ] vgl. Windelband an Heinrich Rickert vom 27.6.1904 sowie Windelband an Jonas Cohn vom 30.6. u. 6.7.19049↑sprechen ] vgl. Jonas Cohn: Anschauung und Begriff. In: Congrès international de Philosophie. IIme session tenue à Genève du 4 au 8 Septembre 1904. Rapports et comptes rendus. Publiés par les soins du Ed. Claparede. Genf: Henry Kündig 1905, S. 401–408 (gehalten am 5.9.1904 in der Sektion Psychologie).10↑gehetzten Semester ] in letzter Minute hatte Windelband z. B. noch zugesagt, anläßlich der vom 1.–13. August 1904 veranstalteten Heidelberger Ferienkurse der Heidelberger und Badischen Lehrervereine (mit zum Stichtag 200 Anmeldungen) für einen erkrankten Kollegen einzuspringen und eine Reihe von 6 Vorlesungen über die moderne Psychologie, ihre hauptsächlichen Probleme und Richtungen zu halten, vgl. die Mitteilung in: Heidelberger Zeitung, Nr. 162 vom 14.7.1904, Erstes Blatt, S. 2 sowie die wörtlich zitierte Stellungnahme Windelbands zum Erfolg der Kurse in Nr. 219 vom 19.9.1904, Erstes Blatt, S. 2: Mehrere der Herren Dozenten der Ferienkurse sind gleich nach Schluß der Kurse abgereist, so daß unsere Anfrage über das Ergebnis der Kurse sie erst jetzt nach ihrer Rückkehr erreicht hat. Herr Geh. Rat Windelband schreibt uns: „Ich bedaure das um so mehr, als ich gerne meiner vollkommenen Befriedigung über die außerordentlich rege und sichtlich verständnisvolle Teilnahme an meinen Vorträgen Ausdruck gegeben hätte“.11↑Ihrem Befinden ] Rickert litt an Spätfolgen einer Blinddarmoperation, vgl. Windelband an Sohie Rickert vom 26.2.1904.12↑Büttelamt ] vgl. den Verriß von Emil Lask: Schmidt, Richard, Dr. Prof. a d. Univ. Freiburg i. B., Die gemeinsamen Grundlagen des politischen Lebens, Allgemeine Staatslehre, I. Band. Leipzig, C. L. Hirschfeld, 1901. (Hand- und Lehrbuch der Staatswissenschaften, begründet von Kuno Frankenstein, fortgesetzt von Max v. Heckel. III. Abteilung: Staats- und Verwaltungslehre.). In: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik (hg. v. Werner Sombart, Max Weber, Edgar Jaffé) 19/Neue Folge 1 (1904), S. 460–478.13↑Zorn auf Sie übertragen ] der Verriß richtete sich gegen einen Freiburger Fakultätskollegen Rickerts.▲