Bibliographic Metadata
- TitleWindelband an Kuno Fischer, Straßburg, 25.12.1902, 3 S., hs. (lat. Schrift), UB Heidelberg, digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/heidhs2618-51_10/0001
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Windelband an Kuno Fischer, Straßburg, 25.12.1902, 3 S., hs. (lat. Schrift), UB Heidelberg, digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/heidhs2618-51_10/0001
Strassburg iE 25 Dec[ember] 1902
Hochverehrter Herr Wirklicher Geheimrat,
Ew. Excellenz bitte ich das beiliegende Exemplar der zweiten Auflage meiner Praeludien[1] nun als einen bescheidnen Weihnachts- und Neujahrsgruss freundlichst aufzunehmen. So spät ist es damit geworden, ganz gegen meinen Wunsch und Willen. Zuerst hatte der Buchbinder, dem ich sonst vertraute, ein Exemplar nicht so hergestellt, wie es mir für Sie würdig zu sein schien, – und dann kam über mich wie über mein ganzes Haus eine schwere Influenza-Infection (noch einmal wieder[2] ein böser Hauch des Strassburger Klimaʼs), von der ich erst gestern zum ersten Male wieder aufgestanden bin, um mich des von den Kindern geschmückten Weihnachtsbaums – umgekehrte Welt! – zu erfreuen, – freilich noch matt und taten|unlustig, wie man es nach einer solchen Durchrüttelung der ganzen leiblichen Existenz zu sein pflegt.
Mit meinen Gedanken lebe ich ja natürlich schon in Heidelberg, und ich bin deshalb sehr erwartungsvoll, wie die Veraenderungen in der philologischen und der historischen Professur[3] schliesslich ausfallen werden. Dass mein hiesiges Katheder an Clemens Bäumker fallen soll, werden Sie erfahren haben. Ich tröste mich damit, dass von allen „Katholischen Philosophen“, die in Deutschland aufzutreiben sind, er noch immer der einzige ist, den man als einen Mann der Wissenschaft ansehen darf. Wir leben eben in der Welt der kleinsten Uebel, – darauf läuft doch selbst der Leibnizʼsche Optimismus[4] hinaus. |
Lassen Ew. Excellenz mich hoffen, dass für Sie und Ihre hochverehrte Frau Gemahlin[5] die unvermeidlichen Uebel dieses Winters so gering wie möglich gewesen sein und bleiben mögen! und dass Sie beide mit rüstiger Gesundheit in das neue Jahr eintreten, das mir das Glück bringen wird, an Ihre Seite zu treten: und erlauben Sie mir, dass ich diesen Wunsch auch im Namen meiner Frau und Tochter ausspreche, welche sich, obwol bisher noch persönlich unbekannt, Ihrer Excellenz und Ihnen selbst ganz ergebenst empfehlen lassen. Damit verbleibe ich in der alten, treuen Verehrung Ew. Excellenz ergebenster
W Windelband
Kommentar der Herausgeber
3↑Veraenderungen in der philologischen und der historischen Professur ] vgl. zum Kontext der Berufung Windelbands auch Horst Gundlach: Wilhelm Windelband und die Psychologie. Heidelberg: University Publishing 2017, S. 177–184.4↑Leibnizʼsche Optimismus ] Anspielung Gottfried Wilhelm Leibniz: Theodizee (Gott habe die beste aller möglichen Welten geschaffen).5↑Frau Gemahlin ] Kuno Fischers 2. Ehefrau Christiane Louise Fischer (1832–1903), geb. Kirchhoff (NDB).▲