Bibliographic Metadata
- TitleWindelband an Kuno Fischer, Straßburg, 17.6.1900, 4 S., hs. (dt. Schrift), UB Heidelberg, digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/heidhs2618-51_6/0001
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Windelband an Kuno Fischer, Straßburg, 17.6.1900, 4 S., hs. (dt. Schrift), UB Heidelberg, digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/heidhs2618-51_6/0001
Strassburg iE. 17.6.00.
Hochverehrter Herr Geheimrath,
Euer Excellenz bitte ich mir zu gestatten, daß ich Ihnen für das nächste Heft Ihres „Hegel“[1] meinen ganz besonderen Dank abstatte. ich habe es heut früh erhalten und mir die wahrhaft sonntägliche Freude gemacht, es sogleich als Ganzes in Einem Zuge zu genießen. Ich stehe unter dem mächtigen, ich darf wohl sagen erhebenden Eindruck, den der kollossale historische Inhalt dieses Heftes in der glänzenden und durchsichtigen Klarheit, wozu Sie ihn gestaltet haben, | von Schritt zu Schritt auf mich gemacht hat. Immer von Neuem ist es mir dabei deutlich geworden, daß, was wir von wissenschaftlichem Verständniß der Gesammtentwicklung[a] der sog[enannten] Universalgeschichte bis auf den heutigen Tag haben, in seinen begrifflichen Grundzügen und zugleich in der tiefdringenden Zeichnung des Individuellen wie des Zuständlichen – daß das Alles in Hegel schon beschlossen liegt. Den wunderbaren Reiz seiner Ineinanderwebung des Historischen und des Systematischen, worin der Triumph des philosophischen Entwicklungs|prinzips[b] liegt, haben Sie in Ihrer Analyse zu geradezu sonnenklarer Erscheinung gebracht. Durch die glücklichste Abstreifung des terminologischen Schematismus werden die Grundlinien der sachlich umfassenden Lehre so sicher und deutlich gezeichnet, daß man von dem Hefte in der Stimmung Abschied nimmt, worin man von dem überwältigenden Ausblick auf einen Alpengipfel scheidet. Und dabei mischen Sie in den Sonnenglanz auch die nötigen Schatten: sehr wertvoll war mir zu lesen, daß auch Ihnen Hegelʼs eigenste aesthetische Leistung, seine Lehre | vom Humor nicht fertig und deutlich genug herausgearbeitet erscheint; auch ich habe gerade an dieser Stelle immer das abschließende Wort vermißt.
Nochmals also meinen innigen Dank für diesen Genuß. Es fehlt nun, soweit ich sehe, nur noch der letzte Meißelschlag zur Vollendung des monumentum aere perennius[c][2], das Sie der großen Zeit der modernen Philosophie gesetzt haben: möge Ihnen dazu Kraft und Stimmung beschieden sein wie bisher!
Mit dem Ausdruck herzlicher Verehrung bin ich Euer Excellenz treu ergebenster
W Windelband
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Ihres „Hegel“ ] als Bd. 8 (in 2 Teilbänden) der Jubiläumsausgabe von Kuno Fischer: Geschichte der neuern Philosophie. Heidelberg: C. Winter 1901. Erschien offenbar in Lieferungen.2↑monumentum aere perennius ] lat. ein Denkmal dauernder als Erz; geflügeltes Wort nach den Oden des Horaz (Büchmann).▲