Bibliographic Metadata
- TitleWindelband an Leo Koenigsberger, Straßburg, 7.12.1895, 4 S., hs. (dt. Schrift), Staatsbibliothek zu Berlin, Haus Potsdamer Straße, acc. Darmst. 1922.87
- Creator
- Recipient
- Participants
- Place and Date of Creation
- Series
- Physical LocationStaatsbibliothek zu Berlin, Haus Potsdamer Straße
- URN
- Social MediaShare
- Archive
- ▼
Windelband an Leo Koenigsberger, Straßburg, 7.12.1895[1], 4 S., hs. (dt. Schrift), Staatsbibliothek zu Berlin, Haus Potsdamer Straße, acc. Darmst. 1922.87
Strassburg iE. 7.12.95
Sehr verehrte Magnificenz,
Herzlich dankbar bin ich Ihnen dafür, daß Sie meiner so gütig weiter gedenken[2] und mir des zum Zeichen Ihre Abhandlung über Helmholtz[3] zum wertvollen Geschenk gemacht haben. Sie trifft mich gerade rechtzeitig zu wesentlicher Unterstützung bei meinem Studium der Hertz’schen Mechanik[4], das Sie mir in Hamburg[5] anempfahlen, zu dem ich leider erst jetzt gekommen bin und bei dem mir doch manchmal die mathematische physikalische Puste ausgeht. Und dabei bin ich auf das äusserste interessiert dabei: denn den Logiker und Erkenntnistheoretiker geht auf das | allertiefste gerade die Schlußfrage an, welche in dem Titel von der – leider! – nicht mehr ausgeführten Rede von Helmholtz[6] angedeutet ist. Es vollzieht sich offenbar etwas Aehnliches – aber ich spreche natürlich nur von der logischen Analogie! – wie vor 100 Jahren durch Kant’s dynamische Naturlehre: die Auflösung der Substanzen in Functionen und Bewegungen! Aber welchein[a] Unterschied, wenn man die Argumente jenes Dynamismus mit dem Apparat der heutigen Mechanik vergleicht! Gerade Ihre Uebersicht über die gewaltige Reihe der Helmholtzschen Untersuchungen bringt mir das | zum lebendigen Bewusstsein, zugleich aber auch die beschämende Frage, ob es gelingen kann, durch diese gehäuftesten Schwierigkeiten hindurch den Weg zu ihrer philosophischen Verarbeitung zu finden. So wenig ich das hoffen kann, so herzlich dankbar bin ich Ihnen dafür, daß Sie mir mit so glücklich formulirtem Material und so lebhaftem Stachel eine Anregung von großer Energie gegeben haben.
Es ist mir noch immer schmerzlich, daß mir die Freude, Sie wiederzusehen, im Sommer durch mein thörichtes Knieleiden versagt wurde, das sich übrigens zu einer achtbaren Venen-Entzündung, welch mir viel Zeit raubte, | hinterher ausgewachsen hat. Hoffentlich erfreuen Sie Sich des besten Wohlergehens! Mit dem herzlichen Wunsche dazu bin ich Ihr verehrungsvoll ergebner
Windelband
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Windelband an Leo Koenigsberger, Straßburg, 7.12.1895 ] Auszug gedruckt in: Leo Koenigsberger: Mein Leben. Heidelberg: C. Winter 1919, S. 197–198.2↑weiter gedenken ] Windelband und Koenigsberger hatten sich am 1.4.1895 bei der Feier zu Bismarcks 80. Geburtstag in Friedrichsruh kennengelernt. Windelband war in seiner Funktion als Rektor der Universität Straßburg, Koenigsberger als Rektor der Universität Heidelberg zur Feier geladen, vgl. Windelband: Jahresbericht. Erstattet von dem Prorector. In: Das Stiftungsfest der Kaiser-Wilhelms-Universität Strassburg am 1. Mai 1895. Strassburg: J. H. E. Heitz (Heitz & Mündel) 1895, S. 17; Koenigsberger: Mein Leben. Heidelberg: C. Winter 1919, S. 192.3↑Abhandlung über Helmholtz ] vgl. Leo Koenigsberger: Hermann von Helmholtz’s Untersuchungen über die Grundlagen der Mathematik und Mechanik. Rede zum Geburtsfeste des höchstseligen Grossherzogs Karl Friedrich und zur akademischen Preivertheilung am 22. November 1895 von Leo Koenigsberger, d. z. Prorektor der Grossh. Bad. Universität Heidelberg. Heidelberg: Hörning 1895.4↑Hertz’schen Mechanik ] vgl. Heinrich Hertz: Prinzipien der Mechanik. Leipzig 1895 (Gesammelte Schriften Bd. 3).5↑in Hamburg ] Anlaß nicht ermittelt, womöglich im Zusammenhang des Hamburger Allgemeinen Vorlesungswesens, vgl. Windelband an Werner von Melle vom 8.6.1908.6↑Rede von Helmholtz ] gemeint ist vermutlich der von Koenigsberger auf S. 51 seiner Rede erwähnte Vortrag von Helmholtz Ueber dauernde Bewegungsformen und scheinbare Substanzen (Wien 1894), von dem sich im Nachlasse nur wenige Schriftseiten zu der Einleitung vorgefunden haben.▲