Bibliographic Metadata
- TitleWindelband an Karl Dilthey, Straßburg, 23.7.1883 bzw. 29.7.1883, 3 S., hs. (dt. Schrift), Niedersächsische Staats- und UB Göttingen, Dilth. 141
- Creator
- Recipient
- Participants
- Place and Date of Creation
- Series
- Physical LocationNiedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen
- URN
- Social MediaShare
- Archive
- ▼
Windelband an Karl Dilthey, Straßburg, 23.7.1883 bzw. 29.7.1883, 3 S., hs. (dt. Schrift), Niedersächsische Staats- und UB Göttingen, Dilth. 141
Strassburg i/E. 23 Juli 83
ist doch wieder der 29. geworden.
Liebster Karlo,
In dem wenig berauschenden Rausch des Semesters hat wieder einmal Stunde um Stunde geschlagen, ohne daß ich Pflicht und Neigung erfüllt hätte Dir zu schreiben. – Dir zu danken für die Winkelmann-Rede[1], die ich, obwol ich den Grund davon absolut nicht einsehe und meinerseits innigste Freude daran hatte, doch Deinem Wunsche gemäß verschwiegen habe, – zu danken für Deine Glückwünsche zu der Umsiedlung auf die Reichsuniversität, und Dir auszusprechen, wie sehr ich wünschte, daß Sie berechtigter wäre. Es geht mir wie Dir: wenn man einem Idyll Valet gesagt hat, so frißt Einem rückwärtsgekehrte Sehnsucht lang am Herzen. Und von Straßburg – | schweigen wir, um zu erzählen!
Zu erzählen aber, denke ich, in wenig Tagen. Denn sicher fast bin ich, daß Du, sei es im Purpur der Delegation, sei es als Du selbst ebenso nach Zürich[2] kommst wie ich: und fest hoffe ich, daß, wie ich, Du in Frankenhäusers[3] gastfreiem Hause wohnen wirst. Eine herrliche Aussicht – die mich tröstet für Mancherlei, dort also auf frohes Wiedersehen, dem ich viel abzugewinnen hoffe.
Sollte aber doch irgend ein Dämon Dich fern halten, so sei Dir verrathen, daß ich vom 7. Aug[ust] bis etwa 20 Oct[ober] wieder mit Familie in Freiburg (Dreisamstr[aße] 7) wohne! Dann bitte ich, wenn Du durchreisest, um Rast, deren ich sehr bedarf, – wenn auch das nicht, so schreibe ich Dir einmal ausführlich.
Daß wir Schöll behalten[4], wirst Du wissen. Es ist ein wunderlich Ding, um diese „Universität“ des Reichs: ich habe viel zu beichten[a].
Meiner Frau geht es gut, mein Junge gedeiht. Deine Freundin Dora beginnt schulweise zu werden. Hab’ ich Dir das Bild von den Dreien geschickt?
Lieber Freund, es sind dissolute Monate, die ich verlebte: Sohn geboren; mein Bruder gestorben[5]; in dies wunderliche hiesige Wesen – nicht eingelebt. – Drum sei nicht böse, daß ich in mehr als einer Sprache geschwiegen.
Meine Frau grüßt Dich! In alter Treue Dein
W Windelband
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Winkelmann-Rede ] gemeint ist vermutlich Karl Dilthey: Festrede [über die Entwicklung der Vorstellungen vom antiken Kunst-Ideal, u. a. über Johann Joachim Winckelmann] im Namen der Georg-Augusts-Universität zur Akademischen Preisvertheilung am 14. Juni 1882. Göttingen: Dieterich 1882, 36 S.2↑nach Zürich ] zur 50jährigen Gründungsfeier der Universität, vgl. Die Hochschule Zürich in den Jahren 1833–1883. Festschrift zur fünfzigsten Jahresfeier ihrer Stiftung von Georg von Wyss. Zürich: Zürcher und Furrer 1883.4↑Schöll behalten ] Rudolf Schöll (1844–1893), Klassischer Philologe, seit 1875 in Straßburg, ab 1885 in München (NDB).5↑mein Bruder gestorben ] vgl. Windelband an Rudolf Schöll vom 22.4.1883. Näheres zum Bruder nicht ermittelt, vgl. Windelband an Victor Ehrenberg vom 18.11.1873.▲