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- TitleWindelband an Gustav Glogau, Freiburg i. Br., 27.7.1882, 4 S., hs. (dt. Schrift), UB Kiel, NL Glogau, Fasz. 28
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Windelband an Gustav Glogau, Freiburg i. Br., 27.7.1882, 4 S., hs. (dt. Schrift), UB Kiel, NL Glogau, Fasz. 28
Freiburg i B. 27 Juli 82.
Verehrtester Herr College,
Ihre freundliche Zuschrift trifft mich in dem Momente, wo ich mich anschicke, Ihnen hinsichtlich der Frage meines Nachfolgers in der hiesigen Professur die Nachricht zu senden, welche ich kürzlich schon dem Collegen Siebeck mittheilte und auch Ihnen zu schreiben bisher nur durch manichfache[a] Zerstreuung und Beschäftigung verhindert gewesen bin.
Gleich nachdem ich mich für die Annahme der Straßburger Vocation entschieden hatte, faßte ich, wie Sie wissen, in erster Linie unsern gemeinsamen Freund Siebeck in’s Auge, nicht ohne dabei, wie ich diesem persönlich mittheilte, die weitere Consequenz zu verfolgen, daß wenn er hierher käme, Sie ihm auf dem Basler Katheder folgen würden. Die persönliche Unterredung, welche ich mit S[iebeck] bald nach Pfingsten aufsuchte, überzeugte mich, daß es eventuell möglich sein würde, ihn für uns zu gewinnen, daß aber nicht volle Gewißheit dafür bestand. Wenn ich für den Fall seiner Ablehnung weiter dachte, so standen Sie | unbedingt im Vordergrunde meines Interesses und ich habe der Fakultät für diesen Fall zunächst Sie empfohlen; daher ich mir auch erlaubte, nicht mir von Ihnen selbst das Verzeichniß Ihrer Vorlesungen zu erbitten, sondern mir weitere Berichte zu verschaffen, die so günstig als nur denkbar ausfielen.
Indessen hat diese Angelegenheit eine damals unerwartete Wendung genommen. Einerseits sprach die Fakultät im Hinblick auf das Wachsthum unsrer Hochschule und die Wichtigkeit des einzigen Vertreters der Philosophie den Wunsch und das Princip aus, zunächst nur solche Candidaten in’s Auge zu fassen, welche bereits allein mit Erfolg an anderen Universitäten die Philosophie vertreten hätten, und gab mir ausdrücklich auf, ihr in erster Linie nur Ordinarien vorzuschlagen[1]. Andererseits wurde ich darüber in Kenntniß gesetzt, daß, was ich nicht erwartet hatte, der College Riehl in Graz bereit sei, einem Rufe hierher Folge zu geben. Sie selbst, – und ich hoffe, auch unser Freund Siebeck –, werden mir zugeben, daß ich diese Chance der Fakultät nicht vorenthalten konnte; und indem ich daher erklärte, daß vor anderen Ordinarien, die außerdem erwähnt worden | waren, meiner Ansicht nach Sie und noch der eine oder der andere der auch genannten Extraordinarien den Vorzug verdienten, schlug ich schließlich vor, unsern Antrag darauf zu beschränken, daß Siebeck und Riehl pari loco[b] präsentirt[2], sonst aber zunächst Niemand genannt werden sollte.
Dies geschah, und die Regierung hat nun ihrerseits – ich weiß nicht, aus welchen Gründen – sich zuerst an Riehl gewendet, und dieser hat acceptirt.
Unter diesen Umständen hege ich nun den lebhaften Wunsch, daß trotzdem diese Bewegung sich noch auf Sie erstrecken möchte, und ich frage daher bei Ihnen an, 1) ob Sie überhaupt Lust hätten, nach Graz zu gehen, 2) ob Sie, das Erste vorausgesetzt, Sich zu Riehl in dem Verhältnisse befinden, an ihn darüber schreiben zu können, 3) ob, wie es auch damit stehe, Sie damit einverstanden wären, wenn ich, sei es allein, sei es neben Ihnen, in diesem Sinne an Riehl schriebe. Derselbe befindet sich zur Zeit in Tirol (Bruneck, bei Herrn[c] Jos. Mayr). Er hat mir bei der Mittheilung über seine Annahme Nichts über seine Nachfolgerfrage geschrieben; ich weiß daher weder ob dieselbe schon in Fluß ist noch in welchem Grade er auf die Entscheidung derselben Einfluß hat. Aber mein, | freilich nur auf brieflicher Bekanntschaft beruhendes Verhältniß zu ihm würde mir immerhin gestatten, diese Frage bei ihm anzuregen.
Ueber diese Dinge wird man sich am besten mündlich aussprechen, und es trifft sich daher ausgezeichnet, daß Ihr Weg Sie bei uns in den nächsten Tagen vorüberführt: ich bitte Sie deshalb dringend, bei uns die von Ihnen in Aussicht genommene Rast zu machen, und wenn ich keine Contre-Ordre erhalte, so werde ich Sie am Sonntag 4 Uhr auf dem Bahnhof erwarten, um mit Ihnen und Hense[3] einen frohen Nachmittag und Abend zu verleben.
Inzwischen mit herzlichem Gruß Ihr ergebner
Windelband
NB. Was die Steinthal’sche Sache[4] betrifft, so wissen Sie vielleicht durch Siebeck meine Stellung zu derselben; in der jetzigen Form bin ich sehr gerne dabei! Das Thema meines Beitrags werde ich Ihnen rechtzeitig senden; augenblicklich schwanke ich noch darüber.
Wdbnd
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
2↑Siebeck und Riehl pari loco präsentirt ] vgl. UA Freiburg, B 38/125 Beilagen zu den Protokollverhandlungen des Dekans Emil Warburg 1882–1883: Schreiben der Philosophischen Fakultät an den Senat der Universität Freiburg vom 27.6.1882: Dem academischen Senat beehrt sich die philosophische Facultät in Veranlassung des Directorialschreibens vom 12ten Juni d[es] J[ahres] als Nachfolger für den zum 1ten Oct[ober] d[es] J[ahres] aus dem badischen Staatsdienst ausscheidenden Hofrath Prof. Dr. Windelband pari loco Herrn Dr. Hermann Siebeck, z[ur] Z[eit] o[rdentlicher] P[rofessor] a[n] d[er] Univers[ität] Basel und Herrn Dr. Alois Riehl, z[ur] Z[eit] o[rdentlicher] P[rofessor] a[n] d[er] Univers[ität] Graz in Vorschlag zu bringen. Herr Hofrath Prof. Dr. Windelband hatte die Güte, in der Anlage eine Verzeichnis der wichtigsten Schriften der genannten Herren zu geben und die Personalien anzuführen, soweit ihm diese bekannt sind. Dem vorstehenden haben wir nur noch hinzuzufügen, daß die zur Einziehung von Erkundigungen erforderliche Zeit die Einreichung unserer Vorschläge bis jetzt verzögert hat. Dr. E. Warburg z. Z. Decan. Daraufhin moniert Prorektor Alfred Hegar (1830–1914, Gynäkologe, seit 1864 o. Prof. für Geburtshilfe und Gynäkologie in Freiburg, 1881/82 Prorektor, vgl. NDB; Personalverzeichnis Universität Freiburg Sommer-Halbjahr 1877) am 28.6.1882 das Fehlen jeglicher Begründung, sieht aber wegen der Dringlichkeit der Wiederbesetzung davon für diesmal ab. Glogaus Name taucht in der Akte nicht auf.4↑Steinthal’sche Sache ] nicht ermittelt, kam offenbar nicht zustande, vgl. Windelband an Glogau vom 11.1.1883▲