Bibliographic Metadata
- TitleVaihinger an Heinrich Rickert, Halle, 19.11.1923, 2 S., Ts. (Durchschlag, mit eU), Universitätsbibliothek Heidelberg, Heid. Hs. 2740 III A 208 18
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- Physical LocationUniversitätsbibliothek Heidelberg, Heid. Hs. 2740 III A 208 18
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Vaihinger an Heinrich Rickert, Halle, 19.11.1923, 2 S., Ts. (Durchschlag, mit eU), Universitätsbibliothek Heidelberg, Heid. Hs. 2740 III A 208 18
Kant-Gesellschaft
Halle, den 19. November 1923
Reichardtstr. 15
Hochgeehrter Herr Kollege!
Ich erlaube mir hierdurch Ihnen folgende Angelegenheit vertraulich zu unterbreiten, für deren recht schnelle und tatkräftige Unterstützung ich Ihnen sehr verbunden wäre.
Es besteht die Absicht, dass ich als Geschäftsführer der Kant-Gesellschaft mit dem Kurator der Universität Halle, Herrn Geh[eimem] Oberreg[ierungs]-Rat Dr. med. h. c. G. Meyer, als dem Vorsitzenden der Gesellschaft an das Preussische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung ein dringliches Gesuch richte: in diesem Gesuch soll angeregt und vorgeschlagen werden, dass anlässlich der Zweihundertjahrfeier von Kants Geburtstag (22. April 1924), bei der wahrscheinlich mancherlei Auszeichnungen erfolgen werden, auch Herrn[a] Prof. Dr. Arthur Liebert, dem vieljährigen und bewährten stellv[ertretenden] Geschäftsführer der Kantgesellschaft eine Auszeichnung und Anerkennung seiner Leistungen zuteil werden möge. Denn es sei allerhöchste Zeit, dass die wissenschaftliche und wirtschaftliche Stellung des in vielfacher Hinsicht bewährten Mannes endlich eine Förderung und womöglich Sicherstellung erfahre.
Zur Unterstützung dieses gewiss für sich selbst sprechenden[b] und daher auch sachlich gewiss sehr berechtigten Gesuches ist es nun äusserst wünschenswert, dass hervorragende Fachmänner ein Urteil über die wissenschaftlichen Leistungen des Genannten abgeben und sich überhaupt über ihn äussern[1]. Denn ich habe den Eindruck, als wenn über der organisatorischen erfolgreichen Tätigkeit Lieberts seine wissenschaftlichen Leistungen übersehen werden. Ich brauche Ihnen als Fachmann keine Aufzählung seiner zahlreichen und zum Teil umfangreichen, vielfach warm anerkannten Bücher zu geben. Ich möchte mir nur einen Hinweis darauf erlauben, dass manche seiner | Schriften, wie z. B. das in zweiter Auflage vorliegende Werk „Das Problem der Geltung“[2] und seine große Monographie über den „Geltungswert der Metaphysik“[3] wiederholt bei seminaristischen Uebungen als Grundlage für Referate herangezogen worden sind. So von Heinrich Rickert in Heidelberg[4] und von Alexius von Meinong in Graz[5]. Eine solche Berücksichtigung eines Werkes von Liebert ist auch einmal in ganz eingehender Form bei seminaristischen Uebungen an der Universität Bonn[6] erfolgt. Auch das Ausland interessiert sich für Lieberts Arbeiten. So wird jetzt sein jüngstes Buch: „Die geistige Krisis der Gegenwart“[7], das[c] bereits in dritter Auflage erscheint, ins Russische übersetzt.
Lieberts wissenschaftliche Arbeiten und Leistungen haben ihm einen angesehenen Platz in der Reihe der an das Kantische System im weiteren Sinne des Wortes sich anschliessenden heutigen Philosophen gesichert.
Ich richte also an Sie, hochgeehrter Herr Kollege, die herzliche und dringende Bitte, die Güte haben zu wollen, unser Gesuch an das Ministerium durch ein Gutachten[8] Ihrerseits zu unterstützen, damit dem verdienten Manne, der vor kurzem seinen 45. Geburtstag[9] erlebt hat, gelegentlich der nächsten großen Kantfeier eine entsprechende Anerkennung zuteil werde. Ich möchte noch Folgendes hinzufügen: wie ich aus langjähriger und intimer[d] Bekanntschaft mit Liebert weiss, ist es nicht dessen Art, dem Minister oder anderen Persönlichkeiten mit seiner Person und mit den Bitten um Berücksichtigung seiner Person lästig zu fallen. Er trägt die Sorge um seine wissenschaftliche und wirtschaftliche Existenz unausgesprochen in sich. Er hat eine Scheu davor, das Ministerium oder die wissenschaftliche Welt mit seinen Anliegen oder Wünschen zu behelligen. Ich glaube aber, nicht zu viel zu sagen, wenn ich behaupte, dass es geradezu eine Pflicht, eine dringliche und sehr ernste Pflicht ist, Liebert in seinem Leben und in seinem Fortkommen zu helfen und ihm, im Interesse unserer Wissenschaft, sowie unserer Kantgesellschaft, seine Sorgen zu erleichtern.
In kollegialer Hochachtung begrüsse ich Sie als Ihr ganz ergebener
vaihinger[e]
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑über ihn äussern ] vgl. Vaihinger an Gottfried Meyer vom 26.3.1924 (im Abschnitt Dokumente zu Leben und Werk) sowie Akten des Kuratoriums der Universität Halle-Wittenberg, hier: Akten, die Kantgesellschaft und die Kantstiftung betreffend. UA Halle Rep. 6 Nr. 1862: [geschwärzt: Königliches] Universitäts-Kuratorium zu Halle a. S. General-Acten betreffend Kantgesellschaft und Kantstiftung. 1904–1943. Teil II, Bl. 35–55: 10 Gutachten über die wissenschaftliche Befähigung Arthur Lieberts von Paul Natorp, Erich Adickes, August Messer, Erich Jaensch, Herman Nohl, Theodor Litt, William Stern, Paul Hensel, Rudolf Stammler und Alois Riehl in maschinenschriftlichen Abschriften vom November/Dezember 1923. Vgl. weiterhin Rep. 6 Nr. 1864 (Königliches Universitäts-Kuratorium zu Halle a. S. Spezial-Akten betreffend Kantgesellschaft und Kantstiftung. 1917–1927, unpaginiert): dokumentiert u. a. von März bis Dezember 1917 die Bemühungen, Liebert vom Kriegsdienst freizustellen und die erteilte Freistellung schließlich auch weiterhin zu erhalten. Es geht nochmals um die Gutachten über Liebert: Dieser soll anlässlich der Kantfeier wegen seiner Verdienste um die Kantgesellschaft geehrt werden, vor allem über eine Erhöhung seines Einkommens. Die Gutachten dienen zur Unterstützung eines Gesuchs Vaihingers an den preußischen Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung in Berlin vom 26.3.1924. Der Ausgang ist nicht dokumentiert.2↑„Das Problem der Geltung“ ] vgl. Liebert: Das Problem der Geltung. 2. Aufl. Leipzig: Meiner 1920. Zuerst 1914 als Ergänzungsheft der Kant-Studien Nr. 32.3↑„Geltungswert der Metaphysik“ ] vgl. Liebert: Der Geltungswert der Metaphysik (Vortrag, gehalten 1915 in der Berliner Abteilung der Kantgesellschaft). Berlin: Reuther & Reichard 1915 (Philosophische Vorträge Nr. 10). 65 S.4↑von Heinrich Rickert in Heidelberg ] womöglich im Sommer 1920, vgl. die Ankündigung für das Philosophische Seminar: Prof. Rickert: Das Geltungsproblem; Mittwoch von 11 bis 1 Uhr. In: Anzeige der Vorlesungen der Badischen Ruprecht-Karls-Universität zu Heidelberg für das Sommer-Halbjahr 1920, S. 22 (https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/VV1915WSbis1920SS/0447 (26.9.2024)).6↑Uebungen an der Universität Bonn ] nicht ermittelt, womöglich im Rahmen eines der regelmäßig angebotenen Lektüreseminare bzw. einer der Übungen zu neueren Arbeiten aus verschiedenen Gebieten der Philosophie (vgl. Verzeichnis der Vorlesungen an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn … 1909–1922/1923: https://digitale-sammlungen.ulb.uni-bonn.de/periodical/titleinfo/775911 (26.9.2024)).7↑„Die geistige Krisis der Gegenwart“ ] vgl. Liebert: Die geistige Krisis der Gegenwart. Berlin: Pan-Verlag Rolf Heise 1923 (2 Auflagen), 3. Aufl. 1924, als Seminarauflage bezeichnet. Übersetzung ins Russische nicht ermittelt.▲