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- TitleVaihinger an Armin Theophil Wegner, Halle, 7.4.1920, 3 S., Ts. mit eU, Briefkopf PROF. DR. HANS VAHINGER | GEH. REG.-RAT. | Halle a. S., den … 19… | Reichardtstr. 15., Deutsches Literaturarchiv Marbach, A:Wegner, Armin Theophil
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- Physical LocationDeutsches Literaturarchiv Marbach, A:Wegner, Armin Theophil
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Vaihinger an Armin Theophil Wegner, Halle, 7.4.1920, 3 S., Ts. mit eU, Briefkopf PROF. DR. HANS VAHINGER | GEH. REG.-RAT. | Halle a. S., den … 19… | Reichardtstr. 15., Deutsches Literaturarchiv Marbach, A:Wegner, Armin Theophil
7. April 1920.
Herrn Dr. Armin T. Wegner, Wernigerode.
Hochgeehrter Herr Dr.!
Sie werden die Verzögerung meiner Antwort auf Ihr freundliches Schreiben[1] vom 14. März schon von selbst durch die politischen Wirren[2] entschuldigt haben. Ein[a] weiterer Grund liegt in meinem schweren Augenleiden: ich bin beinahe blind, muss mir Alles vorlesen lassen und kann ausser meinem Namen nichts mehr schreiben.
Gleichzeitig sende ich als eingeschriebenes Paket ein Exemplar meiner „Philosophie des Als-Ob“, das[b] der Verleger als Rezensionsexemplar mir für Sie zur Verfügung gestellt hat, um ihm eine persönliche Widmung einschreiben zu können.
Eine genaue Inhaltsangabe erleichtert das Studium des gar zu umfangreichen Werkes. Vielleicht beginnen Sie am besten mit dem 3. Teil. Seite 613, wo die Darstellung Kants beginnt, für den Sie ja ein besonderes Interesse haben. Kants Lehre bekommt durch die Beleuchtung von der Seite des Als-Ob her einen[c] ganz neuen Reiz. Seine berühmte Ideenlehre erhält eine ganz andere Fassung.
Die darauffolgenden Partien über Forberg vertiefen diese neue Auffassung der Ideen, und dasselbe bietet der Abschnitt über F. A. Lange.
In dieselbe Kerbe schlägt dann der Abschnitt über Nietzsche, in welchem auch Letzterer eine ganz neue Würdigung erhält.
Auch in der Darstellung der Kant’schen Als-Ob Lehre finden Sie den Kantischen Gebrauch der Fiktionen für Rechtslehre und Staatsphilosophie.
Den beiden letzteren Gebieten, bes[onders] auch den Nationalökonomen Adam Smith, Thünen und Bentham[d] sind besondere Abschnitte im ersten Teil gewidmet. Näheres lehrt ein Blick auf den alphabetischen Index der Namen.
Die aesthetische Illusion konnte ich nach der Anlage meines Buches leider nur kurz behandeln, | auf Seite 129 f., 253, 773, 780, 784, weiteres in dem Werk von Konrad[e] Lange.
Es ist freilich ein starker Anspruch auf Ihre Zeit und Kraft, den das Buch erhebt, aber die genaue Inhaltsangabe ermöglicht ja, sich das Nötige[f] herauszusuchen
Sie haben es mir leichter gemacht: Ihre mir gütigst gespendeten beiden Bücher bieten ja durch Inhalt und Form so viel Reiz, dass deren Lektüre ein grosser Genuss ist. Mir freilich ist wegen[g] meines Augenleidens jeder literarische Genuss erschwert, aber die mir vorlesenden Damen sind ja besonders auf Ihre Sachen erpicht und so habe ich mir schon vieles vorlesen lassen können.
Sie haben Recht, den ethischen Gehalt Ihrer Schriften zu betonen. Die Heiligkeit alles Lebendigen erkenne ich im Princip an, aber die Praxis nötigt zur Auswahl und auch Sie selbst hatten es nicht gerne, als im Orient die Scorpione und Schakale Ihnen zu nahe kamen.
Was den Weltkrieg betrifft, so habe ich selbst seit 30 Jahren all dies Unheil vorher gesehen: Unsere ganze äussere Politik habe ich als verfehlt betrachtet, und ich erkannte, dass die von uns eingeschlagene Richtung uns zu viele Gegner schaffen musste. Die Begeisterung der Augusttage 1914 habe ich pers[önlich] nicht mitgemacht und schon damals im engeren Kreise Warnungsrufe ausgestossen. Die Erklärung des Krieges durch uns, unser ganzes Verhalten vorher und nachher erkannte ich als durchaus verfehlt.
Einer politischen Partei gehöre ich nicht an und bin in diesem Sinne ganz ungebunden.
So werden Sie ja verstehen, dass ich für Ihre Leiden Verständnis habe, ohne Ihre speciellen politischen Ansichten zu teilen. |
Mit[h] Spengler und mit Keyserling, die mit mir zusammen vom Nietzsche Archiv prämiiert worden sind, stehe ich in Verbindung: beide interessieren sich sehr für die Philosophie des Als-Ob.
Nachträglich bemerke ich noch, dass Sie über juristische Fiktionen Seite 46 einen besonderen Abschnitt finden, und viele weitere Stellen finden Sie im Sachregister angegeben Seite 795 unter juristisch.
Voraussichtlich zu Pfingsten, anlässlich der Generalversammlung der Kantgesellschaft, versammeln sich hier in Halle auch solche, die die Probleme der Als-Ob Betrachtung miteinander besprechen wollen[3]. Vorträge u. Diskussionen finden statt. Ich werde mir erlauben, Ihnen eine Einladung dazu zu schicken, und würde mich dann sehr freuen, Ihre persönliche Bekanntschaft zu machen.
Mit vorzüglicher Hochachtung und mit ergebenem[i] Gruss
vaihinger.
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Verzögerung meiner Antwort auf Ihr freundliches Schreiben ] vgl. Wegner an Vaihinger vom 14.3.1290 und Vaihinger an Wegner vom 25.3.1920▲