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- TitleNicolai Hartmann an Vaihinger, o. O. [Bad Kreuznach], 31.7.1917, 3 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XII, 2 h, Nr. 1
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- Physical LocationStaats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XII, 2 h, Nr. 1
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Nicolai Hartmann an Vaihinger, o. O. [Bad Kreuznach], 31.7.1917, 3 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XII, 2 h, Nr. 1
Gr[oßes] Haupt. Quart[ier][1] 31.7.17.
Fu[nker] Abt[eilung] der O[bersten] H[eeres] L[eitung]
Sehr geehrter Herr Geheimrat!
Im letzten Jahre, das ich ausschließlich in den Schützengräben der Ostfront zugebracht habe, bin ich den wissenschaftlichen Dingen weit entrückt, und damit auch der Kantgesellschaft ferner gerückt, als ich jemals für möglich gehalten hätte. Es ist mir daher von umso größerer Genugthuung, die Erfahrung zu machen, daß die Kantgesellschaft mich nicht vergessen hat. Und darum danke ich Ihnen – abgesehen von allem sonstigen freundlichen Entgegenkommen aufs herzlichste für Ihre Zeilen und die überaus liebenswürdige Zusendung Ihres Nietzsche[2] – eines Buches, das mir schon bei seinem ersten Erscheinen ein vertrauter Freund geworden war und es nun doppelt werden soll. |
Was nun Ihr Anerbieten einer Unterstützung[3] aus dem Fonds[a] der K[ant] G[esellschaft] anlangt, so kann ich allerdings nicht leugnen, daß mir ein solcher sehr willkommen wäre[4], da ich ja nun schon seit Jahren andauernd meiner Hörergelder beraubt bin und zur Erhaltung meiner Familie (m[it] Frau u. eines Kindes[5]) nichts als eine Jahresremuneration vom Kultusministerium in Höhe von 1500 M. habe. Daß ich unter solchen Umständen nicht anders kann, als Schulden auf Schulden zu häufen, ist selbstverständlich. Ich brauche Ihnen nichts weiter zu sagen. Daß ich für einige Zeit ins große Hauptquartier kommandiert bin, ändert an dieser Sachlage nichts: hat sie eher verschlechtert, insofern ich hier weit weniger als im Felde die Aussicht auf Wahl zum Offizier habe. |
Sollte ich jetzt längere Zeit beim Gr[oßen] H[aupt] Qu[artier] bleiben, so hoffe ich allmählich wieder in Fühlung mit allen meinen früheren wissenschaftlichen Freunden zu kommen. Ich werde die Kantgesellschaft dabei gewiß nicht vernachlässigen. Meinen besten Dank nochmals für Ihre große Freundlichkeit
In vorzüglicher Hochachtung ergeben
N. Hartmann
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Gr[oßes] Haupt. Quart[ier] ] zur Zeit der Abfassung des Schreibens mit Sitz in Bad Kreuznach (Markus Pöhlmann: General Headquarters (Germany), in: 1914–1918-online. International Encyclopedia of the First World War, ed. by Ute Daniel, Peter Gatrell, Oliver Janz, Heather Jones, Jennifer Keene, Alan Kramer, and Bill Nasson, issued by Freie Universität Berlin, Berlin 2014-10-08. DOI: 10.15463/ie1418.10467 = https://encyclopedia.1914-1918-online.net/article/general_headquarters_germany (20.9.2024)). Nicolai Hartmann war 1914–1918 als Dolmetscher, Briefzensor und Nachrichtenoffizier tätig (https://www.lagis-hessen.de/pnd/118546317 (20.9.2024)).2↑Zusendung Ihres Nietzsche ] vgl. Vaihinger: Nietzsche als Philosoph. 4., vom Verf. neu durchgesehene Aufl., Feldausgabe, erstes bis zehntes Tausend. Berlin: Reuther & Reichard 1916 (zuerst 1902).3↑Anerbieten einer Unterstützung ] Schreiben Vaihingers nicht ermittelt; vermutlich aus der Ruesch-Stiftung für notleidende Philosophen bei der Kantgesellschaft, vgl. Vaihinger an Gottfried Meyer vom 17.12.1915 (Abschnitt Dokumente zu Leben und Werk).4↑ein solcher sehr willkommen wäre ] Nicolai Hartmann war in Marburg in eine prekäre Lage geraten. Die Verlängerung des Privatdozentenstipendiums und die Verleihung des Professorentitels standen unter dem Schatten einer Rufmordkampagne, die dem Ehepaar Hartmann „Russenfreundlichkeit“ unterstellte (vgl. Ulrich Sieg: Aufstieg und Niedergang des Marburger Neukantianismus. Die Geschichte einer philosophischen Schulgemeinschaft. Würzburg: Königshausen & Neumann 1994, S. 388–389). Im Briefwechsel mit dem Freund Heinz Heimsoeth haben sich diese Widrigkeiten kaum niedergeschlagen, vgl. Hartmann an Heimsoeth vom 27.10.1917: Die Präliminarien zur Extraordinarienwahl in der Fakultät scheinen wieder viel Stunk ergeben zu haben. Natorp berichtet sachlich und „abgeklärt“, als wollte er mir gewisse Schärfen vorenthalten. Er hat das Seinige zweifellos gethan. Fragt sich nur, ob er damit nicht mehr verbaut als fördert; sowie an denselben vom 3.11.1917 (Frida Hartmann/Renate Heimsoeth (Hg.): Nicolai Hartmann und Heinz Heimsoeth im Briefwechsel. Bonn Bouvier 1978, S. 275–277).5↑Frau u. eines Kindes ] Alexandra (Assy/Assj) Stephanitz (die Ehe bestand 1911–1925), mit einer Tochter (NDB).▲