Bibliographic Metadata
- TitleRudolf Eucken an Vaihinger, Jena, 30.11.1916, 4 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 7 p, Nr. 15
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- Physical LocationStaats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 7 p, Nr. 15
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Rudolf Eucken an Vaihinger, Jena, 30.11.1916, 4 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 7 p, Nr. 15
Jena 30/11 16
Verehrter und lieber Herr Kollege!
Erst heute komme ich dazu Ihnen für Ihren freundlichen Brief[1] zu danken und Ihnen auszusprechen, daß auch ich mich jetzt von der Aussichtslosigkeit eines Verständigungsversuchs[2] überzeugt habe. Ich machte den Vorschlag, weil ich die Sachlage noch für minder gespannt ansah und im besonderen auch den Pantherartikel nicht kannte; erst Ihre freundliche Mitteilung gibt mir Kenntnis davon. Der Vortrag über die Nation hatte hier in Jena, auch bei unseren jüdischen Kollegen, keinerlei Beden|ken erregt, und ich habe in mehreren Blättern verschiedener Richtung, auch den Comeniusblättern[3], durchaus anerkennende Besprechungen gelesen, ich hielt den Gegensatz für minder schroff als er sich jetzt herausstellt. Was die Sache anbelangt, so stehe ich selbst in entschiedener Ablehnung eines Antisemitismus, aber ich halte das Problem des Verhältnisses von Judentum und Deutschtum und weiter von Nation und geistigem Schaffen für ein sehr schwieriges, und ich kann mir daher sehr wohl denken, daß andere Männer sich hier anders stellen, und ich halte es nicht | für richtig, ihnen eine solche Abweichung ohne weiteres ins Moralische zu schieben. Innerhalb des Judentums bestehen ja auch bei diesem Punkte große Differenzen, wie schon die Tatsache des Zionismus zeigt. Aber, wie gesagt, bei diesem Punkte ist die Differenz zu groß geworden, als daß ein friedlicher Austrag möglich wäre. So müssen die Dinge ihren Lauf nehmen, und wir wollen nur hoffen, daß keine dauernde Verstimmung und Verwicklung daraus hervorgehe. Ihnen selbst aber, lieber Herr Kollege, verbindlichen Dank | für alle Freundlichkeit, die Sie mir auch bei diesem Anlaß erwiesen; ich bedauere aufs herzlichste all die Aufregungen und Verdrießlichkeiten, die Ihnen aus dieser Sache erwachsen sind. Prof. Cassirer sandte mir einliegenden Brief[4] und bat mich ihn Ihnen mitzuteilen. Seine offene und vertrauensvolle Aussprache kann ich nur aufrichtig anerkennen.
Mit besten Wünschen und freundlichen Grüßen treulich Ihr
R. Eucken.
Besten Dank auch für den „Panther“, ich sende das Heft gleichzeitig zurück.
Kommentar der Herausgeber
2↑Aussichtslosigkeit eines Verständigungsversuchs ] innerhalb der Kantgesellschaft: zwischen Cohen/Cassirer und Bauch, vgl. Eucken an Vaihinger vom 20.11.1916.3↑Comeniusblättern ] Comenius-Blätter für Volkserziehung. Mitteilungen der Comenius-Gesellschaft, erschienen im Verlag Eugen Diederichs, Jena 1895–1908.▲