Bibliographic Metadata
- TitleVaihinger an Gottfried Meyer, Halle, 21.11.1916 (2), 2 S., Ts. mit eU, Briefkopf (Stempel) Kantgesellschaft | Prof. Dr. Vaihinger | Halle a. S. | Reichardtstrasse 15., Universitätsarchiv Halle-Wittenberg, Rep. 6, Nr. 1863, Bl. 309 (Universitäts-Kuratorium zu Halle a. S. Spezial-Acten betreffend Kantgesellschaft und Kantstiftung. 1904–1916.)
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- Place and Date of Creation
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- Physical LocationUniversitätsarchiv Halle-Wittenberg, Rep. 6, Nr. 1863, Bl. 309 (Universitäts-Kuratorium zu Halle a. S. Spezial-Acten betreffend Kantgesellschaft und Kantstiftung. 1904–1916.)
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Vaihinger an Gottfried Meyer, Halle, 21.11.1916 (2), 2 S., Ts. mit eU, Briefkopf (Stempel) Kantgesellschaft | Prof. Dr. Vaihinger | Halle a. S. | Reichardtstrasse 15., Universitätsarchiv Halle-Wittenberg, Rep. 6, Nr. 1863, Bl. 309 (Universitäts-Kuratorium zu Halle a. S. Spezial-Acten betreffend Kantgesellschaft und Kantstiftung. 1904–1916.)
Halle, den 21. November 1916.
Sr.[a] Hochwohlgeboren Herrn Oberregierungsrat Dr. Meyer Kurator der Universität Halle.
Ew. Hochwohlgeboren
beehre ich mich anbei ganz ergebenst ein Exemplar des „Panther“-Heftes[1] zu übersenden, in welchem Sie auf Seite 741 ff. den Brief von Herrn Professor Bauch abgedruckt finden, welcher den ersten Anstoss zu dem Ansturm gegen ihn gegeben hat.
Ich habe das Heft, welches ich schon vor einem Vierteljahr in den Händen gehabt[2] habe in Friedrichroda, und dass ich dann wieder nach Berlin zurückschicken musste, erst Sonnabend[3] Abend[b] wieder in die Hände bekommen von Herrn Professor Frischeisen-Köhler. Ich hatte gedacht, das Heft buchhändlerisch besorgen zu können, um es Ihnen schon vor 14 Tagen übergeben zu können, aber das Heft ist vergriffen und nicht mehr zu bekommen.
Ich möchte Sie bitten, den fraglichen Brief von Herrn Professor Bauch darin zu lesen. Durch das, was er über die Juden sagt, hat er leider das Tischtuch zwischen sich und den Juden zerschnitten und er stellt darin doch schlieslich den Juden den Stuhl vor die Türe[4] der Wissenschaft, so, dass die Juden sich vom deutschen wissenschaftlichen Leben und von der deutschen Kultur als ausgeschlossen betrachten müssen. Die Publikation dieses Briefes, der im übrigen, wie alles, was Professor Bauch schreibt, sehr gut geschrieben ist, war eben eine Unbesonnenheit: wer als Redakteur der Kantstudien eine exponierte Stellung einnimmt, darf nicht in dieser Weise sprechen und so gilt von Professor Bauch das an und für sich so ehrenvolle Wort Schillers über Tell: „Wäre ich nicht unbesonnen, hiess ich nicht der Tell.“[c]
Vielleicht haben Sie die Güte, das Pantherheft nach seiner Durchsicht im Bureau von Herrn Rechnungsrat Hammer zu deponieren, wo ich es gelegentlich abholen möchte. Ich werde aber versuchen, einen Abdruck der Blätter für unsere Akten Ihnen noch zu verschaffen. Übrigens habe ich heute erfahren, dass der Panther auch auf der Universitätsbibliothek gehalten wird.
Sonnabend Nachmittag[d] war Herr Professor Bauch, welcher an diesem Tage hier in Halle war, auch ganz kurze Zeit bei mir[5]. Er fasste die Sachlage, wie mir schien, ruhig und objektiv auf.
Mit ihm, sowie vor allem mit Ihnen selbst, teile ich das tiefe Bedauern über den Verlauf der traurigen Sache. |
Ich darf Ihnen noch die angenehme Mitteilung machen, dass Herr Professor Frischeisen-Köhler die Redaktion der Kantstudien übernehmen will. Damit sind wir über die grösste Schwierigkeit hinweg. Dabei ist vor allem sehr angenehm, dass dieser neue Redakteur nicht Jude ist und auch der Marburger Richtung von Cohen und Cassirer wissenschaftlich nicht blos ferne, sondern diametral gegenüber besteht.
Herr Professor Frischeisen-Köhler hat noch, ehe ich ihm die Redaktion antrug, auf meine Bitte hin mir seine Ansicht über die Sachlage entwickelt[6]: daran lag mir besonders viel, da er die Berliner Verhältnisse genau kennt und von den Juden ganz unabhängig ist. Er war der Meinung, dass sowohl der Pantherbrief, als auch der Artikel über den „Begriff der Nation“ in den K. St. nicht blos durchaus unzweckmässige Veröffentlichungen waren, sondern auch, abgesehen von der Zweckmässigkeitsfrage, auch vom wissenschaftlichen Standpunkt aus unhaltbar. Auch von anderen christlich-germanischen Männern ist mir dieselbe Auffassung mitgeteilt worden. Man kann die Judenfrage weder von wissenschaftlichem noch vom politischen Standpunkt aus so leicht abtun, wie das in den beiden Artikeln von Herrn Professor Bauch leider geschehen ist.
In aufrichtiger Verehrung Ihr ganz ergebenster
Vaihinger
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Exemplar des „Panther“-Heftes ] der Akte beigeheftet als Bl. 310 ist: Der Panther. Deutsche Monatsschrift für Politik und Volkstum. Herausgeber Axel Ripke. 4. Jahrgang. Heft 6. Juni 1916. Darin, S. 741–746: Bauch, Bruno: Nochmals „Ein Briefwechsel“. Mit Verweis auf den bei Reuther & Reichard 1916 auch separat erschienenen Vortrag „Vom Begriff der Nation“.6↑seine Ansicht über die Sachlage entwickelt ] etwaiges Schreiben Max Frischeisen-Köhlers nicht überliefert.▲