Bibliographic Metadata
- TitleRichard Hönigswald an Vaihinger, Breslau, 28.9.1911, 4 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXII, 3 e, Nr. 6
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- Physical LocationStaats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXII, 3 e, Nr. 6
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Richard Hönigswald an Vaihinger, Breslau, 28.9.1911, 4 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXII, 3 e, Nr. 6
Breslau V. Tauentzienstrasse 7, den 28. Sept[ember] 1911.
Hochgeehrter Herr Geheimrat!
Nur um sicher zu sein, dass Sie mein Brief schon in Halle antreffe, habe ich mit der Beantwortung Ihres liebenswürdigen Schreibens vom 23.-ten[1] bis heute gezögert. Ich danke Ihnen herzlichst für Ihren gütigen Brief, sowie für die Übermittlung Ihrer Originalinformation aus Marburg[2]. Diese sowohl wie jener beweisen mir[a] neuerdings Ihr mich hochehrendes persönliches Vertrauen. Ich darf Ihnen versichern, dass ich mich seiner stets würdig erweisen werde[b]. Ich habe denn auch[c] über Ihre gütigen Mitteilungen selbstverständlich niemandem gegenüber eine Erwähnung getan, werde es auch in der Zukunft strengstens so halten und habe selbstverständlich die Marburger Information Ihrem geschätzten Wunsche gemäß eigenhändig vernichtet, sodass jeder Mißbrauch ausgeschlossen ist. – In der Sache selbst danke ich Ihnen vielmals für Ihre gütigen Bemühungen zu meinen Gunsten im[d] Verlaufe der Marburger Fakultätsberatungen im Sommersemester.[e][3] | Haben es die Umstände auch anders gefügt als Sie es in Ihrer grossen Güte für mich wünschten, so ist es mir doch im höchsten Grade ermutigend, zu wissen, daß ich im Streben nach der Lehrkanzel Ihrer gütigen Fürsorge und Unterstützung sicher sein kann. Ich weiß ja, dass in allen diesen Dingen der Zufall, die Konstellation der Umstände etc. etc. oft eine ganz große Rolle spielen und daß man eben[f] ohne den Mut und das Vertrauen sinken zu lassen, ernst streben und ruhig warten muß. Ich habe ja auch den Eindruck, dass nunmehr cum jure successionis[g] Cassirer[h][4] nach Marburg kommen dürfte, wenngleich auch Misch gewisse Chancen haben dürfte. G. Lipps[i][5] aus Leipzig kommt jetzt, nachdem er den Züricher Lehrstuhl erhalten hat, wohl kaum in Betracht und Witasek[j] dürfte wohl auch kein ernster Regierungs-Kandidat sein. Die Abneigung der Fakultät gegen Kowalewski[k] kann ich verstehen.[6] Er ist ja persönlich ein äusserst gutmütiger und netter Mensch, bedeutet aber wissenschaftlich nichts. Ich kenne ihn, da er i[m] ersten Semester meiner hiesigen Dozententätigkeit den damals zum ersten Mal in | Amerika weilenden Kühnemann vertreten hatte. (Zum zweitenmal war ich sein Vertreter.) Was Sie mir, hochgeehrter Herr Geheimrat, über Tübingen schreiben, ist in hohem Grade interessant. Ich habe heute ganz zufällig gehört, dass Groos den Ruf dahin erhalten und angenommen haben soll. Ich weiß nicht, ob dies zutrifft. Es ist vielleicht deshalb nicht so ganz wahrscheinlich, weil ja Groos sich in Gießen von der Lehrtätigkeit zurückgezogen hatte.[7] – Noch merkwürdiger als dies klingt aber eine andere Nachricht, die angeblich aus Berliner Zeitungen stammt: Meumanns[l][8] Nachfolger in Leipzig soll der Berliner Privatdozent Spranger[m][9] geworden sein. Sie werden über diese Vorkommniße sicherlich bald genauer unterrichtet sein. – Wie gesagt, ich gebe die Hoffnung auch einmal hervorgeholt zu werden, keineswegs auf, im Vertrauen auf eine gewisse günstige Nachwirkung des Jenenser Vorschlags[10], auf[n] die unleugbare sachliche Anerkennung, deren meine Arbeiten sich ja im allgemeinen erfreuen und auf die gütige Unterstützung wohlwollender Freunde, zu denen ich Sie, hochgeehrter Herr Geheim|rat[o], zählen zu dürfen stolz bin. Ich sehe durchaus ein, dass der Verkehr mit Fachgenossen in persönlicher Aussprache ein Faktor von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist und nehme mir ernstlich vor Ihrem gütigen Rate und Wunsche gemäß den Kant-Tag in Halle[11] mitzumachen.
Nochmals also vielen herzlichen Dank und die ergebene Bitte, mich auch in der Zukunft wohlwollend im Auge zu behalten! Hoffentlich sind Sie recht erfrischt von Goslar[12] nach Halle zurückgekehrt.
In herzlichster Ergebenheit und Hochschätzung Ihr dankbarer
R Hönigswald.
Kommentar zum Textbefund
a↑Breslau V. … jener beweisen mir ] ca. 10 Zeilen hoch mit Bleistift über den Text geschrieben: E (vermutlich aufzulösen zu: Erledigt)Kommentar der Herausgeber
2↑Originalinformation aus Marburg ] Information nicht ermittelt, aus dem Folgenden womöglich bezüglich der Besetzung einer Stelle als ao. Prof. in Marburg (s. u.).3↑Ihre gütigen Bemühungen … im Sommersemester. ] Gemeintes nicht ermittelt; es geht womöglich um die Besetzung einer Stelle als ao. Prof., die letztlich Georg Misch erhielt, vgl. Vaihinger an Hans Prager Prager vom 12. u. 18.10.1911.4↑Cassirer ] Ernst Cassirer (1874–1945) hatte 1899 bei Hermann Cohen promoviert, der ihn auch als Nachfolger auf seinem Lehrstuhl wünschte. Cassirer wurde nicht nach Marburg berufen, sondern erhielt erst 1919 einen Ruf nach Hamburg (NDB).5↑G. Lipps ] Gottlob Friedrich Lipps (1865–1931), Philosoph, Pädagoge und Psychologe, Halbbruder von Theodor Lipps, 1888 Promotion, 1904 Habilitation, 1909 ao. Prof. in Leipzig, 1911 o. Prof. in Zürich (BEdPh; https://research.uni-leipzig.de/catalogus-professorum-lipsiensium/leipzig/Lipps_1373 (16.11.2023)).6↑Ich habe ja auch … kann ich verstehen. ] vgl. zu diesem Vorgang Hermann Cohen an Ernst Cassirer vom 6.6. u. 31.8.1911. Mit Kommentar abgedruckt in: Ernst Cassirer Nachlassausgabe Bd. 17. Davoser Vorträge. Vorträge über Hermann Cohen. Hg. v. Jörn Bohr u. Klaus Christian Köhnke. Hamburg: Meiner 2014, S. 273–283, sowie Vaihiger an Hans Prager vom 12. u. 18.10.1911.7↑Groos den Ruf … zurückgezogen hatte. ] Karl Groos (1861–1946) wurde 1911 nach Stationen in Basel und Gießen o. Prof. in Tübingen (BEdPh), als Nachfolger von Heinrich Maier, vgl. Groos an Vaihinger vom 27.7.1911.8↑Meumanns ] Ernst Meumann (1862–1915), 1900 o. Prof., 1905 in Königsberg, 1907 in Münster, 1909 in Halle, 1910 in Leipzig, 1911 am Kolonialinstitut Hamburg (BEdPh; https://www.catalogus-professorum-halensis.de/meumannernst.html (24.6.2024)).9↑Spranger ] Eduard Spranger (1882–1963) wurde 1911 ao. Prof., 1912 o. Prof. in Leipzig (https://research.uni-leipzig.de/catalogus-professorum-lipsiensium/leipzig/Spranger_154/ (18.4.2024)).10↑Nachwirkung des Jenenser Vorschlags ] als Nachfolger des o. Prof. Otto Liebmann; berufen wurde Bruno Bauch, vgl. Vaihinger an Hans Prager vom 21.9.1911.11↑Kant-Tag in Halle ] meint die jährliche Versammlung der Kantgesellschaft; vgl. Vaihinger / Liebert, Arthur: Kantgesellschaft. Einladung zur Allgemeinen Mitgliederversammlung (General-Versammlung) am Sonnabend, den 27. April 1912. In: Kant-Studien 17 (1912), S. 190–192.▲