Bibliographic Metadata
- TitleVaihinger an Hans Prager, Halle, 6.7.1911 (2), 3 S., hs. (andere Hd., mit eU), Briefkopf PROF. DR. H. VAIHINGER. | Halle a. S., d. … 19 | Reichardtstr. 15., Wienbibliothek im Rathaus, Wien, H.I.N.-131787
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- Physical LocationWienbibliothek im Rathaus, Wien, H.I.N.-131787
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Vaihinger an Hans Prager, Halle, 6.7.1911 (2), 3 S., hs. (andere Hd., mit eU), Briefkopf PROF. DR. H. VAIHINGER. | Halle a. S., d. … 19 | Reichardtstr. 15., Wienbibliothek im Rathaus, Wien, H.I.N.-131787
6.7.1911.
Sehr geehrter Herr!
Ihre Besprechung des Buches über Bergson[1] habe ich mit großem Interesse gelesen; Sie haben die Hauptpunkte gewandt und klar hervorgehoben, so daß jeder Leser von Ihrer Rezension sicher großen Gewinn ziehen wird.
Besonders verbunden bin ich Ihnen für die ehrende Anerkennung, die Sie in der ersten Anmerkung[2] mir[a] zuteil werden lassen. Was Sie daselbst über die Begriffe sagen, stimmt ganz mit dem überein, was Sie auf S. 84 gegen das Ende von Bergson berichten: daß die Begriffe nicht im Stande seien, die ganze Wirk|lichkeit zu erfassen. Um so eher tun sie, wie Sie ganz richtig bemerken, als Fiktionen einen großen Dienst.
Auch mit dem, was Sie auf S. 82 Mitte von Bergson berichten, daß er das Bild als bedeutungsvoll hervorhebt, kann ich mich sehr einverstanden erklären; denn gerade die Bedeutung der bildlichen Vorstellungen habe ich ja überall betont.
Zu dieser Bildlichkeit gehört auch die auf S. 85 unten erwähnte „Dinghaftigkeit“, wie ich in den Kapiteln über die Kategorien ausgeführt habe. Daß die Unendlichkeit des Raumes, wie Sie auf S. 83 erwähnen, nur eine subjektive Vorstellung ist nach Bergson, stimmt mit dem überein, daß ich sie für fiktiv erkläre. |
Daß die Zeit das einzig Reale sei, wie Sie auf S. 83 im Anschluß an Bergson ausführen, auch das stimmt mit meinen Ausführungen überein, da ich überall die Realität des Werdens betont habe.
Dagegen kann ich mich mit der Intuition nicht befreunden[3], da ich allem Metaphysischen abhold[4] bin, und sie für mich immer Einbildung ist; darum eben nenne ich meinen Standpunkt Positivismus.
Ich danke Ihnen nochmals, daß Sie mich auf diese Rezension aufmerksam gemacht haben; Sie sehen, wie sorgfältig ich sie gelesen habe; sie hat mir sehr viel Wertvolles geboten.
Mit bestem Gruß, Ihr
H. Vaihinger
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
2↑ersten Anmerkung ] vgl. Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik 142 (1911), S. 80, Anm. 1: Was Begriffe als „Fiktionen“ leisten können (und Intuition ist vielleicht eine Erlebnis-Fiktion), darüber lese man das fundamentale Werk: Die Philosophie des Als Ob, herausgegeben von H. Vaihinger, nach, das soeben (Berlin, Reuther & Reichard) erschienen ist.▲