Bibliographic Metadata
- TitleJohannes Volkelt an Vaihinger, Leipzig, 30.5.1910, 3 S., hs., Wasserzeichen […], Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXIII, 8 o
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- Physical LocationStaats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXIII, 8 o
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Johannes Volkelt an Vaihinger, Leipzig, 30.5.1910, 3 S., hs., Wasserzeichen […][a], Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXIII, 8 o
Leipzig, den 30. Mai
1910
Auenstr. 3.
Hochgeehrter Herr Kollege!
Nur weil ich die Angelegenheit hin- und hererwogen habe, und weil ich Ihnen[b] Nein zu sagen mich nicht sofort entschließen konnte, verschob[c] ich die Beantwortung Ihres so gütigen Schreibens[1] von einem Tage zum andern. Sicherlich unverantwortlicher Weise. Und ich bitte Sie herzlich um freundliche Nachsicht.[d]
Mit dem Thema und der hinzugefügten Erläuterung und Begründung bin ich durchaus einverstanden. Und ich würde mich im Interesse der Sache sicherlich gern der Mühewaltung eines Preisrichters[2] unterziehen, wenn nur meine Vernunft nicht sagte, daß ich Zeit und Kraft kaum werde dafür aufbringen können. Meine Ästhetik[3] ist ja | mit dem zweiten Bande, wie der Titel des ersten Bandes voreiliger Weise verheißen hatte[4], keineswegs abgeschlossen. Ein dritter – die eigentlichen „Kunst“-Fragen enthaltend – lastet als große und schwere Aufgabe auf mir. Sodann aber trifft auch die Annahme, die Sie in Ihrem Briefe machen, daß ich durch Aufgeben der pädagogischen Professur mehr freie Zeit haben werde, nicht das Richtige. Ich habe nach[e] Eintreten in die durch Heinzes Tod[5] erledigte Stelle die Aufgabe, Vorlesungen, die ich nun 16 Jahre nicht mehr gehalten habe (griechische Philosophie, neuere Philosophie), auf den gehörigen Stand zu bringen. Auch will ich neue Vorlesungen (so besonders Ethik) meinem Vorlesungsumkreise[f] eingliedern. Kurz, eine Fülle von Arbeit erwächst mir daraus, daß ich Geschichte der Philosophie und andere bisher nicht gepflegte[g] philosophische Zweige mit voller Kraft vertreten will. Dazu kommt meine seit dem letzten Winter recht wackelig gewordene Gesundheit. Der Arzt steht beständig mit der Mahnung hinter mir, mich im Arbeiten zu mäßigen. |
Das, mein verehrter Herr Kollege, ist die Sachlage, auf Grund deren ich nicht den Mut habe, unvernünftig zu sein und das Preisrichteramt zu übernehmen. Ich hätte so gern dem von Ihnen so vertrauensvoll geäußerten Wunsch ein Ja entgegengebracht. Aber wie die Dinge für mich liegen, mußte ich mich entschließen, so hart es mir ankommt, Sie zu bitten, sich an einen anderen Fachvertreter zu wenden. Hoffentlich haben Sie bei Rickert, den ich (wie auch Adickes und Falckenberg) für eine[h] durchaus passende Persönlichkeit ansehe, mehr Glück.[6]
Über[i] Meumanns Herkommen[7] bin ich sehr befriedigt. Ich glaube: es konnte gar keine geeignetere Kraft gewonnen werden.
Noch bemerke ich, daß das von der hiesigen philosophischen Fakultät vor einigen Jahren gestellte Preisthema über den Wahrheitsbegriff bei Kant nicht von mir veranlaßt war.[8] Ich glaube, Heinze hat dieses Thema gegeben.
Mit herzlichen Wünschen für Ihre Gesundheit und besten Grüßen Ihr ganz ergebener
Johannes Volkelt
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
2↑Preisrichters ] aus dem Folgenden sowie Vaihinger an Volkelt (ermittelt) vom 24.5.1910 vermutlich zur 5. Preisaufgabe der Kant-Gesellschaft, vgl. Vaihinger: Fünftes Preisausschreiben der „Kantgesellschaft“. Kants Begriff der Wahrheit und seine Bedeutung für die erkenntnistheoretischen Fragen der Gegenwart. In: Kant-Studien 15 (1910), S. 395–398. Datiert im Juli 1910; vgl. Falckenberg: Bericht über das fünfte Preisausschreiben der Kantgesellschaft [Preisrichter: Richard Falckenberg, Paul Menzer, Richard Hönigswald], erstattet zu Halle am 20. April 1914. In: Kant-Studien 19 (1914), S. 458–463.3↑Meine Ästhetik ] vgl. Volkelt: System der Ästhetik. München: Beck. Bd. 1 1905, Bd. 2 1910, Bd. 3 1914 (Untertitel von Bd. 3: Kunstphilosophie und Metaphysik der Ästhetik).4↑wie der Titel … verheißen hatte ] ein Titelblatt mit Hinweis auf eine Anlage auf zwei Bände ist nicht ermittelt, vgl. jedoch den Schluss der Vorrede in Volkelt: System der Ästhetik Bd. 1. München: Beck 1905, S. VI. Digitalisat: https://archive.org/details/systemdersthet01volkuoft/ (13.3.2024).5↑Heinzes Tod ] Max Heinze (1835–1909) war seit 1875 o. Prof. für Geschichte der Philosophie in Leipzig und verstarb am 17.9.1909 (BEdPh; https://research.uni-leipzig.de/catalogus-professorum-lipsiensium/leipzig/Heinze_838/ (5.10.2024)).7↑Meumanns Herkommen ] Ernst Meumann wechselte 1910 als o. Prof. von Halle nach Leipzig und ging bereits 1911 ans Kolonialinstitut in Hamburg (BEdPh; https://www.catalogus-professorum-halensis.de/meumannernst.html (5.10.2024)).8↑Noch bemerke … veranlaßt war. ] Preisaufgabe nicht ermittelt; vgl. Vaihinger an Volkelt (ermittelt) vom 24.5.1910.▲