Bibliographic Metadata
- TitleVaihinger an Paul Natorp, Halle, 12.5.1903, 4 S., hs. (andere Hd., eU, Postskriptum von Vaihingers Hd.), Briefkopf Redaction der „Kantstudien“ | (Verlag von Reuther und Reichard, Berlin) | Prof. Dr. Vaihinger | Halle a. S. | – Priv.-Doc. Dr. Scheler | Jena. | HALLE a. S., den … | Reichardtstrasse 15., Universitätsbibliothek Marburg, Ms. 831/1069
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- Physical LocationUniversitätsbibliothek Marburg, Ms. 831/1069
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Vaihinger an Paul Natorp, Halle, 12.5.1903, 4 S., hs. (andere Hd., eU, Postskriptum von Vaihingers Hd.), Briefkopf Redaction der „Kantstudien“ | (Verlag von Reuther und Reichard, Berlin) | Prof. Dr. Vaihinger | Halle a. S. | – Priv.-Doc. Dr. Scheler | Jena.[a] | HALLE a. S., den … | Reichardtstrasse 15., Universitätsbibliothek Marburg, Ms. 831/1069
12.V.03.
Verehrtester Herr Kollege!
Ich danke Ihnen für Ihren freundlichen und entgegenkommenden Brief[1]. Es kann mir nur erwünscht sein, wenn Sie in vertraulicher Weise mit Ihren Freunden konferiren und die Sache mit denselben gründlich vorher besprechen.
Wenn Sie und[b] Ihre Freunde Ihre allgemeine Geneigtheit daraufhin aussprechen, fahre ich sofort zu Dürr nach Leipzig[2] und bespreche das Nötigste mit ihm. Ebenso würde ich dann die Auseinandersetzung mit Reuther & Reichard einleiten, und daraufhin kann ich dann nach Marburg fahren, um alle nötigen Punkte, die sich mündlich bequemer besprechen lassen, | rascher zu erledigen als durch lange briefliche Verhandlungen.
Ich kann es sehr wohl verstehen, dass Sie aufgrund Ihrer bisherigen Erfahrungen Bedenken hegen gegen Übernahme einer neuen Zeitschrift. Aber bei den Kant-Studien[c] kommt, wie ich schon das letzte Mal bemerkte, der außerordentlich günstige Umstand in Betracht, dass der Herausgeber nicht an einem bestimmten Termin gebunden ist.
Als einen Hauptreiz der Redaktionstätigkeit, der mich für viele Last dabei entschädigte, habe ich empfunden, dass ich eine Art Organisation der Kant-Arbeit ausüben konnte. Ein großer Teil der Aufsätze, die in den Kant-Studien[d] erschienen sind, und gerade die bedeutendsten, sind durch meine Initiative zustande gekommen. | Der Redakteur hat die Möglichkeit, vorhandene Lücken der Litteratur durch geeignete Kräfte ausfüllen zu lassen.
Wenn Sie jüngere Kräfte für die äußerliche Arbeit verwenden können, so ist ja auch nicht ausgeschlossen, dass einer dieser jüngeren Herren einmal in die Redaktion eintritt und unter Ihrer Leitung die Sache nach Ihren Intentionen führt. Von den Herren, die in letzter Zeit über Kant promovirt haben, ist doch wohl dieser oder jener ganz geeignet dazu. Ich wollte mich nicht an einen dieser Herren selbst wenden, weil ich der Meinung bin, dass mindestens für einige Jahre ein Mann wie Sie an der Spitze stehen muss. Die unangenehme Erfahrung mit Scheler[3] macht mich bedenklich, die Redaktion ohne weiteres an einen Unerfahrenen zu übertragen. |
In der Hoffnung, diese Angelegenheiten bald einmal persönlich mit Ihnen besprechen zu können, mit kollegialem Gruß Ihr ergebener
H. Vaihinger
P. S. Ein besonders triftiger Grund, die Kant-Studien[e] nicht eingehen zu lassen, ist u. a. auch folgender: die Kant-Studien[f] haben in den letzten Jahren einen energischen Kampf gegen die Neuscholastik[4] geführt. Die Neuscholastiker haben eine Reihe von Zeitschriften[5], die speziell der thomistischen Philosophie gewidmet sind. Es würde für diese Leute ein Triumph sein, wenn die Kant-Studien[g] von der Bildfläche verschwinden würden. Ich gebe nur notgedrungen die Redaktion ab; ich selbst fühle die Verpflichtung, dieselben fortzuführen, sehr stark. Aber, wie schon bemerkt, die ärztlich mir dringend auferlegte Schonung meiner Augen zwingt mich, die Fortführung anderen Händen anzuvertrauen.[h]
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
4↑Kampf gegen die Neuscholastik ] vgl. z. B. Fritz Medicus: Zwei Thomisten contra Kant. In: Kant-Studien 3 (1898/1899), S. 320–333; Friedrich Paulsen: Kant der Philosoph des Protestantismus. In: Kant-Studien 4 ([1899]/1900), S. 1–31; Fritz Medicus: Ein Wortführer der Neuscholastik und seine Kantkritik. In: Kant-Studien 5 (1901), S. 30–50; [Vaihinger:] Ultramontane Stimmen über Kant. In: Kant-Studien 5 (1901), S. 384–400; Rudolf Eucken: Thomas v. Aquino und Kant. Ein Kampf zweier Welten. In: Kant-Studien 6 (1901), S. 1–18; Albert Leclère: Le mouvement catholique kantien en France à l’heure présente. In: Kant-Studien 7 (1902), S. 300–363.5↑Reihe von Zeitschriften ] die prominentesten waren: Philosophisches Jahrbuch. Auf Veranlassung und mit Unterstützung der Görres-Gesellschaft, seit 1888; Jahrbuch für Philosophie und spekulative Theologie, seit 1887.▲