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- TitleWilhelm Wundt an Vaihinger, Tambach, 22.8.1902, 4 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXIII, 9 o, Nr. 6
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- Physical LocationStaats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXIII, 9 o, Nr. 6
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Wilhelm Wundt an Vaihinger, Tambach, 22.8.1902, 4 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXIII, 9 o, Nr. 6
Tambach bei Gotha, den 22. August 1902.
Lieber und verehrter Herr College!
Empfangen Sie zunächst meinen herzlichen Dank für Ihre freundlichen Glückwünsche[1], womit ich wohl zugleich meinen Dank verbinden darf für Ihre Theilnahme an der ehrenvollen Tabula gratulatoria[2], die mir in diesen Tagen von[a] der philos[ophischen] Fakultät in Halle nachgesandt worden ist, eine Ehrung, die ich um so höher zu schätzen weiß, als sie von Collegen ausgeht, die ich aufrichtig verehre und um ihrer Leistungen willen hochschätze. |
Leid thut es mir freilich, daß ich mit diesem Ausdruck des Dankes Ihnen gegenüber zugleich den der aufrichtigen Theilnahme an dem Augenleiden, daß Sie betroffen, verbinden muß. Zum Trost kann ich Ihnen aber sagen, daß man – wie ich das in diesem Fall aus eigener Erfahrung weiß – mit Geduld und Gleichmuth und namentlich mit Schonung der Augen, wozu in erster Linie Vermeidung des Lesens gehört, schließlich in einen erträglichen Zustand gelangt, bei dem man nur der Vorsicht niemals vergessen darf. Einen längeren Aufenthalt im Dunkeln habe ich selbst niemals zugebracht, weil ich das eine, allein von der Chorioditis ergriffene Auge bald verloren gab und mich in der That nun, seit das kranke Auge ganz außer Funktion getreten ist, wieder so ziemlich wie früher lesend und schreiben beschäftigen kann. Ich glaube aber sicher, daß man sich, wenn der Fall einen längeren Aufenthalt im Dunkeln fordert, hinter einem Vorhang vorlesen lassen kann. Wenigstens weiß ich, daß sich Fechner auf diese Weise längere Zeit geholfen hat.
Was Schreibmaschinen betrifft, so rathe ich Ihnen unbedingt zu einer amerikanischen, – sie sind theurer, aber solider und besser als die deutschen. Ich glaube, daß sich Yost und Remington ziemlich gleich stehen; ich selbst arbeite mit einer Yost-Maschine. Vielfach wird in neuerer Zeit auch die Hamond[3] | bevorzugt. Ich habe sie einmal probiert, fand aber die Einrichtung zu kompliziert, woran freilich meine Gewöhnung an die Yost-Maschine die Schuld tragen mag. Jedenfalls ist aber das Prinzip, auf dem Remington und Yost beruhen, das einfachere, und ich glaube daher, daß sie besonders bei Augenleiden zu bevorzugen sind. Noch möchte ich empfehlen, daß Sie, um sich die Lage der Buchstabentasten einzuprägen, dies nicht bloß während des Schreibens thun, weil dies für die Augen anstrengend ist, sondern daß Sie sich ein festes Phantasiebild der Tasten einprägen, das Sie der Nothwendigkeit hinzusehen möglichst enthebt.
Mit den besten Wünschen für Ihre Genesung verbleibe ich Ihr aufrichtig ergebener
W. Wundt
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
2↑Tabula gratulatoria ] zum 70. Geburtstag (16.8.1902). Nicht im Universitäts-Archiv Halle-Wittenberg dokumentiert.3↑Hamond ] Hammond-Schreibmaschine, eine Typenradmaschine mit einem doppelt umgeschalteten gekrümmten Griffbrett, im Unterschied zu den Typenhebelmaschinen der Firmen Remington und Yost mit der gebräuchlicheren Universaltastatur; vgl. Otto Lueger: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften Bd. 7, 1909, Lemma Schreibmaschine: http://www.zeno.org/nid/20006123724 (17.9.2021).▲