Bibliographic Metadata
- TitleVaihinger an Gerardus Johannes Petrus Josephus Bolland, Halle, 26.1.1901, 3 S., hs. (andere Hd., mit eU), Briefkopf Redaction der „Kantstudien“ | (Verlag von Reuther und Reichard, Berlin) | Prof. Dr. Vaihinger. | HALLE a. S., den | Reichardtstr. 15., Leiden University Library Special Collections BOL B 1901/32
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Leiden University Library Special Collections BOL B 1901/32 - URN
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Vaihinger an Gerardus Johannes Petrus Josephus Bolland, Halle, 26.1.1901, 3 S., hs. (andere Hd., mit eU), Briefkopf Redaction der „Kantstudien“ | (Verlag von Reuther und Reichard, Berlin) | Prof. Dr. Vaihinger. | HALLE a. S., den | Reichardtstr. 15., Leiden University Library Special Collections BOL B 1901/32
26. Januar 1901.
Verehrter Herr College!
Ihr Brief vom 21. November[1] hat mir seiner Zeit großes Vergnügen bereitet. Die derbe Offenheit desselben erinnert mich an den von uns gemeinschaftlich verehrten Schopenhauer, der ja auch zuletzt holländischer Abstammung[2] war. Die Energie, mit der Sie Ihre Lanze für Hegel einlegen, hat etwas wahrhaft Heroisches an sich, und alles Heroische hat für mich einen großen Reiz. Aber auch sachlich stehe ich Ihnen nicht ganz so fern, wie Sie glauben. Auch ich bin der Überzeugung, dass „Hegelstudien“ kommen werden. Den Grund für diese Überzeugung habe ich angegeben in den Kantstudien III [1899], S. 179[3]. Sehr gerne werde ich Ihrer Anregung folgen und die Hegelsche Philosophie | stärker als bisher in den Vordergrund meines Bewusstseins treten lassen.
Aber ob es mir selbst gelingen wird, ihre Tiefen und Höhen ganz zu ermessen, bezweifle ich. Dass ich aber den Hegelstudien durchaus nicht abgeneigt bin, mögen Sie aus dem Umstand ersehen, dass in den Redactionsräumen der „Kantstudien“ Hegel nicht wenig gelesen wird, und zwar speciell von meinem Mitarbeiter Dr. Medicus, dessen Namen Sie schon öfters in den „Kantstudien“ begegnet sind, wenn auch in seinen bisherigen Publicationen noch nichts von diesem Hegelstudium zum Vorschein kommt.
Den Aufsatz über Hegel in der „Zweimonatlichen Zeitschrift“, den Sie in Ihrem Brief erwähnen, habe ich, wie Sie im nächsten Heft der K[ant-]St[udien] sehen werden, unter die „neue Kantlitteratur“[4] aufgenommen.
Heute habe ich nun zu meiner Freude das Gablersche Werk[5] erhalten | und danke Ihnen für dieses Geschenk. Ich werde nicht verfehlen, über das Buch in den K[ant-]St[udien] referiren zu lassen[6]. Ich habe einstweilen als eine Vorschule zur „Vorschule“ Ihre Einleitung gelesen. Wenn einmal das Hegelstudium wieder blüht, so wird man Ihren Namen in erster Linie nennen als den Ersten, der ausrief: „Es muss auf Hegel zurückgegangen werden!“ wie in ähnlicher Weise im Jahre 1865 Liebmann[7] den Ruf: „Zurück auf Kant!“ erhob. –
Vielleicht darf ich mir noch erlauben, Ihnen einen technischen Rat zu geben: Sie müssen Ihren Verleger veranlassen, mit einem deutschen Verleger gemeinschaftlich zu arbeiten und womöglich noch auf den Umschlag eine deutsche Firma zu bringen, damit das Buch von derselben energisch in Deutschland verbreitet werden kann.
Mit collegialem Gruße
H. Vaihinger
Kommentar der Herausgeber
2↑holländischer Abstammung ] kolportiert z. B. in Paul Julius Möbius: Ueber Schopenhauer. Leipzig: Barth 1899, S. 10.3↑Kantstudien III [1899], S. 179 ] dort heißt es zum Schlusse von Vaihingers Literaturbericht über einen Artikel von Arthur Drews (Die Bedeutung Schellings für unsere Zeit. Preussische Jahrbücher 1898) abweichend über Schelling (hier auf Hegel zu übertragen): Dass auch Schelling einmal wieder zu Ehren kommt, ist ja an sich nicht unmöglich – die Welt ist rund und dreht sich. Aber dass die Erneuerung der Schellingְ’schen Spekulation nicht zum Heile der Philosophie ausschlagen würde, daran zweifeln wir nicht im geringsten.5↑Gablersche Werk ] vgl. Bolland an Vaihinger vom 21.11.1900. Es handelt sich vermutlich um ein Exemplar von Georg Andres Gabler: Lehrbuch der philosophischen Propädeutik als Einleitung zur Wissenschaft zu akademischen Vorlesungen und zum Selbststudium. Erlangen: Palm 1827.7↑im Jahre 1865 Liebmann ] vgl. Otto Liebmann: Kant und die Epigonen. Eine kritische Abhandlung. Stuttgart: Carl Schober 1865.▲