Bibliographic Metadata
- TitleRudolf Eucken an Vaihinger, Jena, 5.3.1899, 4 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 7 p, Nr. 8
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- Physical LocationStaats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 7 p, Nr. 8
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Rudolf Eucken an Vaihinger, Jena, 5.3.1899, 4 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 7 p, Nr. 8
Jena 5/3 99.[a]
Hochgeehrter Herr College!
Empfangen Sie meinen verbindlichen Dank für Ihren freundlichen Brief[1] und für die liebenswürdigen Zusendungen! Ich brauche nicht zu sagen, daß mich alles in höchstem Grade interessiert hat. Was Kuno Fischer anbetrifft, so versetzt mich sein leidenschaftlicher Angriff[2] auf’s lebhafteste zurück in die Zeit der Polemik mit Trendelenburg[3], die ich, mit Trendelenburg persönlich nahe befreundet, mit großer Theilnahme miterlebte. |
Kuno Fischer’s eitle und intolerante Art, die nichts anderes als Weihrauch verlangt, ist jetzt noch mehr aller Welt bekannt geworden als sie es damals war; so wird der plumpe Angriff auf ihn selbst zurück fallen. Ihr großes Werk steht viel zu fest in der Schätzung der wissenschaftlichen Welt als daß es durch jene sophistische Rhetorik irgend geschädigt werden könnte. Mir persönlich ist jene selbstgefällige Art Fischer’s in hohem Grade unsympathisch; wie schade, daß mit so glänzender formaler Begabung bei ihm so wenig | innere Größe verbunden ist!
Was Ihre Anregung hinsichtlich des Themas anbetrifft, so würde ich sofort darauf eingehen, wenn ich nur etwas mehr Zeit hätte. Aber ich stecke diese Jahre sehr in der Arbeit. Von den Lebensanschauungen ist jetzt die 3. Aufl. im Druck (11 Bogen sind schon gedruckt). Dann kommt ein principiell tief eingreifendes Werk „Der Wahrheitsgehalt der Religion“, und für nächstes Jahr steht voraussichtlich eine 3. Aufl. der Grundbegriffe bevor. Dazu eine Anzahl kleinerer Arbeiten, die jetzt etwas ins Stocken gerathen waren, da | ich diesen Winter (bis 1. April) Prorector war. Aber ich hoffe, in irgendwelcher Zwischenzeit Muße zu finden, den Artikel „Thomas von Aquino und Kant“[4] zu schreiben, in einer ruhigen, aber entschiedenen Weise und auch nicht ohne Offensive. Ich würde dann nicht auf die einzelnen Schriften eingehen[b], sondern die Gesammtart charakterisiren und ihr unsere Überzeugung kräftig entgegenhalten. Aber ich kann mich beim besten Willen nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt verpflichten, bitte Sie aber überzeugt zu sein, daß ich die Sache im Auge behalte und wenn irgend möglich in absehbarer Zeit ausführen werde. Bitte, wollen Sie auch Herrn Dr. Medicus meinen freundl[ichen] Dank für seinen wertvollen Artikel[5] übermitteln.
Mit bestem Gruß Ihr sehr ergebener
R. Eucken.
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
2↑leidenschaftlicher Angriff ] Vaihinger hatte sich in seinem Commentar zu Kants Kritik der reinen Vernunft mehrfach polemisch über Kuno Fischer geäußert. Vgl. die Replik in Fischer: Immanuel Kant und seine Lehre I. Theil. Entstehung und Grundlegung der kritischen Philosophie. 4. neu bearbeitete Aufl. Heidelberg: C. Winter 1898, S. 329–336, hier S. 335: Der Verfasser [Vaihinger] hat seinem Commentar den Text der Vernunftkritik der Reclam’schen Ausgabe von K. Kehrbach (1877) zu Grunde gelegt. In dieser Ausgabe zählt die Vernunftkritik 702 Seiten. Davon umfassen die beiden bisher erschienenen Bände des Commentars (in einem Umfange von 1069 Seiten und lexikonartiger Statur, die Vorworte ungerechnet) nicht mehr als 75 Seiten. Wenn der Commentar nach Analogie der beiden ersten Bände fortgeführt werden soll, so sind zu seiner Vollendung nicht zwei, sondern achtzehn Bände nöthig. Und wird die zur Vollendung gehörige Zeit nach Analogie der beiden ersten Bände geschätzt (sechszehn Jahre sind seit dem ersten Bande verflossen), so müssen neunundneunzig Jahre vergehen, bis die achtzehn noch übrigen Bände erschienen sein werden. Demnach steht zu hoffen, daß der „zum hundertjährigen Jubiläum der Vernunftkritik“ begonnene Commentar vielleicht schon zum zweihundertjährigen Jubiläum der Kritik der reinen Vernunft, im Jahre 1981 des Heils, sein Ende erreichen kann.4↑Artikel „Thomas von Aquino und Kant“ ] vgl. Eucken: Thomas v. Aquino und Kant. Ein Kampf zweier Welten. In: Kant-Studien 6 (1901), S. 1–18. Einen Artikel zu Thomas von Aquin und Kant zu schreiben, hatte Vaihinger zunächst Friedrich Paulsen vorgeschlagen, vgl. Paulsen an Vaihinger vom 12.5.1898.5↑seinen wertvollen Artikel ] vgl. Fritz Medicus: Zwei Thomisten contra Kant. In: Kant-Studien 3 (1898/1899), S. 320–333.▲