Bibliographic Metadata
- TitleHeinrich Rickert an Vaihinger, Heidelberg, 4.8.1898, 3 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXIII, 3 l, Nr. 1
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- Physical LocationStaats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXIII, 3 l, Nr. 1
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Heinrich Rickert an Vaihinger, Heidelberg, 4.8.1898, 3 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXIII, 3 l, Nr. 1
Heidelberg
4. August 98.
Sehr geehrter Herr Kollege!
Ihrer freundlichen Aufforderung[1], etwas über den Atheismusstreit zu schreiben, bin ich nachzukommen im Princip durchaus nicht abgeneigt. Ich habe die „Appellation“ immer für eine der lehrreichsten Schriften Fichtes gehalten, und glaube dem hier vertretenen Standpunkte selbst ziemlich nahe zu stehen (in meinem „Gegenstand der Erkenntniß“[2] Begriff des bejahenden Bewußtseins überhaupt). Meine Stellungnahme zu Kant würde dementsprechend natürlich darauf hinauskommen, daß Kant zwar immer an einem | transzendenten Sein festgehalten hat, daß aber die Kantischen Gedanken nur fruchtbar zu machen sind, wenn man das „Ding an sich“ gänzlich zu beseitigen sucht. Ich befinde mich für gew[öhnlich] nicht in Übereinstimmung mit meinem lieben und verehrten Freunde Riehl und möchte, weil Riehl Sie auf mich hingewiesen hat, dies ausdrücklich hervorheben.
Aus Ihrem Briefe geht nicht hervor, bis zu welchem Termin das Manuscript in Ihren Händen sein muß. Wenn es ins 1. Heft des 4ten Bandes kommt, so würde ich wohl noch ein Jahr Zeit haben. Allerdings erschiene dann der Artikel zu einer Zeit, in der vor hundert Jahren der ganze Atheismusstreit längst vorüber war. Fichte verließ, wenn ich mich nicht irre, Jena im Juni 1799[a]. Ich habe hier in Heidelberg kein Material, um das genau festzustellen, und kann daher momentan auch nicht nachsehen, aufgrund welcher Quelle Sie annehmen, daß die Forberg’schen und Fichte’schen Artikel im Herbst 1798 erschienen sind. Ich glaube, sie wurden schon im Anfang des Jahres gedruckt und lagen | fast ein Jahr dem Publikum vor als die Konfiskation erfolgte. Sie würden mich sehr verbinden, wenn Sie mir Ihre Ansicht darüber mittheilen wollten.
In der nächsten Woche kehre ich wieder nach Freiburg zurück[3]. Wenn Sie die Güte haben wollen, mir dorthin den Termin zu schreiben, bis zu dem der Artikel geschrieben sein muß, so würde ich Ihnen sofort meine definitive Entscheidung mittheilen. Es wäre mir lieb, wenn ich noch längere Zeit hätte, denn vor Beendigung des zweiten Theiles[4] meiner „Grenzen der naturwiss[enschaftlichen] Begriffsbildung“ kann ich an keine andere Arbeit gehen.
Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebenster
Heinrich Rickert.
Noch eine Bemerkung! Ich bin aufgefordert, den Fichte für die Frommannschen[b] „Klassiker“[5] zu übernehmen. Einen Entschluß habe ich noch nicht gefaßt. Sollte ich aber diese Monographie schreiben, so nehme ich an, daß ich den Artikel aus den Kantstudien dann zum Theil in dieses Buch wörtlich aufnehmen darf.
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
3↑nach Freiburg zurück ] Rickert war 1896–1915 o. Prof. für Philosophie an der Universität Freiburg im Breisgau (BEdPh).5↑Fichte für die Frommannschen „Klassiker“ ] innerhalb der Stuttgarter Verlagsreihe Frommanns Klassiker der Philosophie erschien erst 1927 ein Band über Fichte, verfasst von Max Wundt.▲