Bibliographic Metadata
- TitleHeinrich Maier an Vaihinger, Tübingen, 14.7.1897, 4 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXII, 8 b, Nr. 6
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- Physical LocationStaats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXII, 8 b, Nr. 6
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Heinrich Maier an Vaihinger, Tübingen, 14.7.1897, 4 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXII, 8 b, Nr. 6
Tübingen, den 14. Juli 1897
Sehr geehrter Herr Professor!
Auf Ihren letzten Brief[1] darf ich mir wohl erlauben Folgendes zu erwidern. Es kann keine Rede davon sein, daß ich in meinem letzten Brief[2] „versuchte, Ihnen die Pistole auf die Brust zu setzen“. Zur Erklärung desselben möchte ich auf folgenden Thatbestand verweisen. Am 13. Januar d[es] J[ahres] forderten Sie mich auf, Ihnen das Manuskript meiner Habilitationsvorlesung zu überlassen, mit der Bemerkung, daß ich für eine eventuelle Bearbeitung noch Zeit habe bis zum Schluß des Semesters.[3] Ich trug zunächst Bedenken, auf Ihren Wunsch einzugehen, einmal, weil ich damals von anderen Arbeiten völlig in Anspruch genommen war, sodann aber, weil ich mir bewußt war, daß mein Aufsatz, | seiner Entstehung aus einer Vorlesung entsprechend, zum Teil „nur bekanntes“ enthalten würde. Nur auf Zureden Sigwarts entschloß ich mich, Ihnen die Arbeit in Aussicht zu stellen, und gab Ihnen als Umfang 2½ Bogen an[4]. Sie schrieben[5] mir darauf, dieser Umfang sei Ihnen gerade recht, selbst eine kleine Überschreitung gehe an. Da ich nun, durch amtliche Geschäfte (als Repetent im Stift[6]) abgehalten, erst spät an die Arbeit gehen konnte, bat ich Sie noch um eine kurze Frist. Auch dann mußte ich sehr angestrengt arbeiten, um fertig zu werden. Am 3. April gelangte meine Arbeit in Ihre Hand[7], und Sie schrieben mir am 5. dess[elben] Mon[ats][8]: ‚Ihr Manuskript habe ich …[a] erhalten[b] und sogleich in den Satz gegeben; doch werden Sie Correkturen wohl erst Ende dieses Monats erhalten, oder erst im Mai. Ich schiebe jetzt soeben | ein kleines Heft ein, und Ihr Aufsatz erscheint dann in dem im Juli kommenden großen Doppelheft.‘
Daß ich unter diesen Umständen durch die Mitteilung, mein Aufsatz sei (wie mir schien, auf unbestimmte Zeit) zurückgestellt, überrascht war, ist doch begreiflich. Ich gestehe, ich hatte zunächst den Eindruck, daß Ihnen nachträglich meine Arbeit nicht recht zusagte, und daß Sie den weniger verletzenden Ausweg ergriffen, sie zurückzulegen, statt sie zurückzuschicken. In erster Linie, um mich darüber zu vergewissern, bat ich Sie mir zu sagen, wann Sie den Aufsatz zu bringen gedenken. Ich glaubte, bei der geschilderten Sachlage sei diese Bitte nicht allzu unbescheiden. An sich ist es mir gleichgültig, ob meine Arbeit einen Monat früher oder später erscheint. Daß Sie dieselbe nicht | teilen wollen, darin bin ich mit Ihnen völlig einverstanden. Die Erklärung[c], die Sie für die Zurückstellung, welche mir, ich muß es wiederholen, nur unter den geschilderten Umständen befremdlich war, geben, hätte mich vollkommen[d] befriedigt. Ich verstehe, daß Sie als Redakteur mit vielerlei Schwierigkeiten zu Kämpfen haben[9], und es liegt mir ferne, dieselben meinerseits steigern zu wollen. Sollte in meinen Brief ein Wort eingeflossen sein, das allzu kategorisch geklungen hätte[e], so würde ich das sehr bedauern. Doch glaube ich nichts gesagt zu haben, was den unfreundlichen Ton Ihres Briefes veranlaßt hätte.
Sollten Sie mit Rücksicht darauf, daß mein Aufsatz in der 1. Hälfte „nur Bekanntes“ bietet, Anstand nehmen, ihn in den „Kantstudien“[f] zu bringen, so dürfte ich Sie wohl bitten, mir denselben ohne Schonung zurückzusenden.
Hochachtungsvoll
Dr Maier
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Ihren letzten Brief ] nicht ermittelt, aus dem Zusammenhang vermutlich Vaihingers Antwort auf Maier an Vaihinger vom 8.7.1897.3↑Am 13. Januar … Schluß des Semesters. ] Schreiben Vaihingers nicht ermittelt, vgl. Maier an Vaihinger vom 17.1.1897 sowie zur Vorgeschichte Maier an Vaihinger vom 31.10.1896; der gemeinte Text wurde veröffentlicht als Maier, Heinrich: Die Bedeutung der Erkenntnistheorie Kants für die Philosophie der Gegenwart. In: Kant-Studien 2 ([1897]/1898), S. 389–418, u. ders.: Die Bedeutung der Erkenntnistheorie Kant’s für die Gegenwart. (Schluss.) In: Kant-Studien 3 ([1898]/1899), S. 10–40.6↑Stift ] meint wahrscheinlich das Evangelische Stift Tübingen, dem Maier seit 1895 als Student angehörte (NDB).▲