Bibliographic Metadata
- TitleMoritz Kronenberg an Vaihinger, Berlin, 7.3.1897, 7 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXII, 5 k, Nr. 5
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- Physical LocationStaats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXII, 5 k, Nr. 5
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Moritz Kronenberg an Vaihinger, Berlin, 7.3.1897, 7 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXII, 5 k, Nr. 5
Berlin, 7. März 1897.
W. Carlsbader 6
Sehr geehrter Herr Professor!
Anbei sende ich Ihnen die Correktur der Recension[1] zurück – ein paar Tage verspätet wegen allzu großer Zeitbedrängnis.
Ihre mir bereits durch Dr. Vorländer bekannt gewordene Nachricht[2], daß die Recension meiner Schrift durch Adickes[3] sehr ungünstig ausgefallen sei, hat mich in Erstaunen gesetzt; schon deshalb weil sämtliche mir bisher zugekommenen Beurteilungen meiner Schrift, sowohl die öffentlichen Besprechungen, deren bereits eine ganze Anzahl vorliegt, als auch die privaten Meinungsäußerungen, die von näherstehender Seite kamen aber z. T. auch ganz spontan von persönlich[a] unbekannter Seite erfolgten, im höchsten Grade anerkennend lauten, ja sogar in mehreren Fällen geradezu auf einen enthusiastischen Ton gestimmt sind. So wurde mir | noch eben das bevorstehende Erscheinen einer ausführlichen Recension[b][4] in den Altpreuß[ischen] Monatsheften[c] von dem Recensenten selbst ganz spontan in einem Schreiben angekündigt, in welchem es heißt, daß er schon viele Recensionen für die Altpr[eußischen] Monatsh[efte] und die Fichte’sche Zeitschrift[5] geschrieben habe, aber „noch keine mit solcher Begeisterung verfaßt und mit solcher Freude abgeschickt als die über Ihr vortreffliches, ja einzigartiges Buch.“
Sie werden es nach alledem begreiflich finden, daß der schroffe Gegensatz, in welchem das Urteil von Ad[ickes] zu, wie ich wiederhole, allen anderen Urteilen von Sachkennern steht, für mich etwas Frappierendes hatte. Es wäre also, nach dieser Lage der Dinge, ebenso gut denkbar, daß der Recensent als daß ich, wie Sie sagen[6], „eine Schlappe erleide“. Was mir diese Möglichkeit sehr nahe zu rücken scheint, ist der Umstand, daß sich das ungünstige Urteil von Ad[ickes], wie Sie schreiben, auf eine Reihe „nicht wegzuleugnender positiver Fehler“ gründet. |
Ich kann mir hier nur zwei Fälle denken: entweder handelt es sich um sehr schwerwiegende Fehler, dann wäre es sehr auffallend, daß sie den gründlichen Kant-Kennern, die bisher ein eingehendes Urteil abgegeben haben, entgangen sind; oder es sind unwesentliche Versehen, dann läge leider diejenige Art der Beurteilung meines Buches – etwa als eines speciminis eruditionis[7] – vor, gegen welche ich mich vorausahnend schon in meiner Vorrede gewandt habe, u. gegen die eigentlich jede Seite meiner Schrift spricht.
Indessen bin ich natürlich weit entfernt, bereits ein Urteil abzugeben über eine Recension, die ich Ihrem Inhalte nach nur so oberflächlich kenne. Ich habe alles nur angeführt, um Ihnen die Möglichkeit zu zeigen, daß am Ende die Recension von Ad[ickes] völlig mißverständlich ist, und demzufolge die Notwendigkeit, daß Sie mir Gelegenheit geben, die nötige Correktur eintreten zu lassen. Ich habe Herrn Dr. Vorländer – der ja ebenfalls, wie alle anderen ein Ad[ickes] ganz entgegengesetztes | Urteil hat – auf seine Anfrage gebeten, von einer 2ten Recension Abstand zu nehmen. Um so mehr rechne ich darauf, daß Sie mir selbst dazu Gelegenheit geben. Ich bin der letzte, der in diesen Dingen irgendwie empfindlich wäre. Ich bin im Gegenteil für jede sachliche Kritik, auch wenn sie scharf tadelnd ist, immer aufrichtig dankbar gewesen, wofür ich Ihnen mehr als einen Beweis liefern könnte. Um so mehr aber halte ich es gerade im sachlichen Interesse für die Pflicht jedes Autors, sein Werk gegen Mißverständnisse[d], namentlich gegen völliges Mißverstehen und Entgegenreden von[e] einem ganz anderen Standpunkte und ganz anderen Gesichtspunkten aus dann mit Nachdruck zu schützen, wenn dieses Mißverstehen in aufrichtigem Gewande auftritt. Ich bitte Sie deshalb freundlichst, mir einen Correkturabzug der Recension[f] von Ad[ickes] einige Zeit vor dem Erscheinen zuzuschicken, damit ich Gelegenheit zur Erwiderung erhalte, die ich ja vielleicht mit meiner Selbstanzeige[8] verknüpfen[g] könnte. Selbstverständlich werde ich auf jede Erwiderung verzichten, wenn die oben ausgesprochene Vermutung, von der ich hier immer aus|gehe, unbegründet sein sollte. Da Sie mir neulich schrieben[9], Sie hätten das Buch nur oberflächlich durchgeblättert u. zum gründlichen Lesen einstweilen keine Zeit, so nehme ich an, daß Sie bei der allgemeinen Adoptierung des Urteils von Ad[ickes] sich lediglich auf dieses selbst stützen, im Übrigen aber der Sache unparteiisch gegenüberstehen, ich meine so, daß Sie selbst sich noch kein festes Urteil nach eigener Prüfung der Sache[h] gebildet haben. Um so leichter wird es Ihnen sein, mir auch zur Gegenrede das Wort zu verstatten[10]. Im Übrigen möchte ich Ihnen noch für die freundliche Haltung, die Sie mir gegenüber bisher in dieser Sache gezeigt haben, nicht unterlassen meinen Dank auszusprechen. –
Was den Aufsatz „Kant u. Reinhold“[11] anbetrifft, den ich Ihnen glaubte in Aussicht stellen zu können, so ziehe ich es nach Ihrer Mitteilung, daß das nächste Heft jedenfalls, ev[entuell] auch das übernächste besetzt sind, doch vor, jedenfalls noch etwa 2–3 Monate mit der eigentlichen Abfassung (das Material habe ich bereits zum großen Teil gesammelt) | zu warten, um so mehr als ich gegenwärtig besonders stark in Anspruch genommen bin durch Unterhandlungen, vorbereitende Schritte etc. betr[effend] eine (bereits bestehende) Zeitschrift, deren Leitung mir angetragen[12] worden ist. Aus denselben Gründen kann ich Ihnen auch für die allernächste Zeit keine Besprechung der Kant-Studien zusagen, wohl aber bin ich bereit, etwa in 2–3 Monaten eine solche zu schreiben, voraussichtlich für die „Nation“ oder auch für die Vossische oder Frankf[urter] Zeitung[i], mit denen ich Beziehungen als Mitarbeiter unterhalte und die bisher eine Anzeige, soviel ich weiß, noch nicht gebracht haben, während die Nationalzeitung[j] bereits eine Besprechung von Döring[k] publicierte und die „N[eue] freie Presse“ – auch mit diesen beiden Zeitungen stehe ich in Beziehung – nach Publikation von Jodl’s Artikel über mein Buch[13] wohl kaum noch wenigstens eine ausführlichere Besprechung der Kant-Studien bringen wird. Um die Zusendung des ersten Bandes, den ich nur fragmentarisch[l] besitze, | bitte ich also ergebenst, und möchte noch hinzufügen, daß es mir erwünscht wäre, ihn gleich gebunden zu erhalten. Falls der Verlag nicht in der Lage ist, mir das Recensionsexemplar[m] gebunden zu überlassen, bin ich bereit die Mehrkosten zu tragen.
Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr sehr ergebener
M Kronenberg.
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
2↑mir bereits durch Dr. Vorländer bekannt gewordene Nachricht ] vgl. Karl Vorländer an Vaihinger vom 20.2.18973↑Recension meiner Schrift durch Adickes ] über Kronenberg: Kant (1897), erschienen in: Kant-Studien 2 (1897/1898), S. 440–448.4↑Erscheinen einer ausführlichen Recension ] von Paul von Lind, in (recte): Altpreussische Monatsschrift 34 (1897), S. 332–340.5↑Fichte’sche Zeitschrift ] gemeint ist die Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, gegründet 1837 von Immanuel Hermann Fichte.▲