Bibliographic Metadata
- TitleVaihinger an Marcus Jacob Monrad, Halle, 30.12.1896, 4 S., hs., Briefentwurf, Briefkopf Prof. Dr. Vaihinger – Redaction der „Kantstudien“ – Halle a. S., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXIII, 8 h, Nr. 7
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- Physical LocationStaats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXIII, 8 h, Nr. 7
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Vaihinger an Marcus Jacob Monrad, Halle, 30.12.1896, 4 S., hs., Briefentwurf, Briefkopf[a] Prof. Dr. Vaihinger – Redaction der „Kantstudien“ – Halle a. S., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXIII, 8 h, Nr. 7
30.XII.96.
Hochzuverehrender Herr College!
Es war mir im Drang der amtlichen und redactionellen Geschäfte positiv unmöglich, Ihr freundl[iches] Schreiben vom 30.X.[1] früher als heute zu beantworten, sowie Ihnen für Ihre liebenswürdige Mittheilung vom 21. Nov[ember][2], betr[effend] die Stelle aus Publilius Syrus früher zu danken. Letztere Notiz werde ich im nächsten Hefte[3] bringen, das soeben im Drucke ist. Was Ihren Aufsatz betrifft, so ist allerdings richtig, daß ich in meinem ersten Briefe[4] von der Überfülle der Arbeiten nicht | gesprochen hatte: ich schrieb den Brief von der Reise aus, wo ich mit der Sorglosigkeit des Reisenden nicht an die große Anzahl der schon in Aussicht stehenden Beiträge dachte. Ich bemerkte erst nachher, nachdem ich einen Überschlag machte zu Hause, mit Schrecken, wie viel ich in nächster Zeit unterbringen müßte. Auch mit dem jetzt im Druck befindlichen Heft habe ich wegen Überfüllung „meine liebe Noth“. Auch das Redigiren ist eine Kunst, wie das Regieren, und will erst sehr allmälig[b] gelernt sein. Ich aber bin darin noch in dem ersten Stadium des Lernens.
Was nun Ihren Aufsatz selbst betrifft, so ist die Form desselben[c] | insofern originär, als mir wenigstens nicht erinnerlich ist, wenigstens in den letzten Jahren einen ähnlichen Versuch gelesen zu haben, in welchem aus dem Kantischen Noumenon ein Denken an sich gemacht worden wäre. Aber dem Inhalt nach ist das, was Sie sagen, Gemeingut des deutschen Idealismus, den Sie ja in so energischer und origineller Weise in Norwegen vertreten; speciell haben alle Hegelianer der Sache nach denselben Standpunkt vertreten, und aus dem Kantischen Ding an sich das reine Denken gemacht. Daß dieser Standpunkt jetzt nicht modern ist, sagen Sie selbst am Schluß Ihres Aufsatzes, was freilich kein Gegengrund gegen den Inhalt desselben ist: auch Kant war lange Zeit nicht mehr modern und ist doch wieder oben auf gekommen. Die Welt dreht sich, warum sollte nicht auch Hegelsche Philosophie wieder einmal modern werden? |
Ich kann aber nur wiederholen, daß es mir nicht möglich würde, angesichts meiner vielen sonstigen Verpflichtungen, die ich früher eingegangen habe, Ihren Aufsatz in Bälde zum Abdruck zu bringen. Auch würde ich, wie schon bemerkt, den Schluß des Aufsatzes weglassen müssen, von der schon in meinem letzten Briefe bezeichneten Stelle an. Ich kann nicht von Ihnen verlangen bei Ihrem hohen Alter[5], was ich sonst verlangen müßte, beliebige Zeit zu warten, bis die Reihe an Ihren Aufsatz kommt. Deßhalb muß ich mich darauf beschränken, das Frühere zu wiederholen, resp. auf das früher Gesagte zu verweisen, und zeichne mit aufrichtiger Hochachtung Ihr ganz ergebenster
H. Vaihinger.
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
3↑im nächsten Hefte ] vgl. Vaihinger: Varia. In: Kant-Studien 1 (1896/1897), S. 485–492, hier S. 491: Quelle eines Kantischen Stammbuchblattes. – Im 1. Heft, S. 148 wurde ein Stammbuchblatt mit folgendem Kantischen Eintrag mitgeteilt: Ad poenitendum properat, cito qui judicat. Herrn Professor Dr. M. J. Monrad in Christiania verdanken wir den Nachweis der Quelle des Verses. Derselbe stammt von dem Dichter Publilius Syrus, welcher zur Zeit Cäsars in Rom Mimen zur Aufführung brachte, aus denen uns einzelne Sentenzen erhalten sind. Vgl. Publilii Syri sententiae, rec. E. Wölfflin. Lips. 1859, V. 32.5↑Ihrem hohen Alter ] Monrad war zum Zeitpunkt der Abfassung des Schreibens 80 bzw. nahezu 81 Jahre alt (geb. 19.1.1816).▲